Berliner Fashion Week:Vom Luxus, grün zu sein

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Die Berliner Fashion Week hat das Thema Nachhaltigkeit entdeckt und präsentiert Kreationen aus der Altkleidersammlung und Accessoires aus Müll. Als Location wählten die Veranstalter das Berliner Luxushotel Adlon. Da kommt wenigstens niemand auf die Idee, ein grünes Gewissen sei für lau zu haben.

Jana Stegemann

Ehtik und Nachhaltigkeit werden auf dem Laufsteg immer wichtiger. Deshalb präsentieren die Veranstalter der Fashion Week Berlin den Green Showroom. Sämtliche Kollektionsteile, die gezeigt werden, sind ausschließlich ökologisch und sozialverträglich gefertigt.

Aus Alt mach Neu - beim Green Showroom der Fashion Week Berlin werden ungewöhnliche Designerstücke, die nachhaltig und ökologisch korrekt hergestellt wurden, gezeigt. (Foto: dpa)

Das Label SeeMe zum Beispiel unterstützt mit seiner Produktion Opfer von häuslicher Gewalt in der Türkei. Die Frauen stellen in den Slums von Ankara Schmuck in Handarbeit her. Andere Green-Showroom-Aussteller setzen auf natürliche Gerbverfahren für Handtaschen und Lederaccessoires, so wie das Label Deepmello, das die Tierhaut mit Hilfe von Rhabarber-Wurzel gerbt.

Umso irritierender wirkt jedoch die Location, die die Veranstalter für diese Präsentation gewählt haben. Die Kreationen werden ausgerechnet in den Suiten des Berliner Luxushotels Adlon gezeigt - seit 2009 findet der "Green Showroom" in den opulenten Suiten der vornehmen Edel-Herberge mit Blick auf das Brandenburger Tor statt.

Jana Keller hat ihre "Accessoires mit Gewissen" auf dem Bett der Suite 134 ausgebreitet. Einige Stücke der Kollektion bestehen aus Lachsleder - es wird bei der Lebensmittelproduktion aus dem Abfall gefischt. Nach der Reinigung wird das Material zu hochwertigen Armbändern, Gürteln oder Handtaschen verarbeitet. Und: "Es riecht nicht nach Fisch."

Öko-Mode und Recycling-Accessoires, präsentiert in einem Luxushotel - wie passt das zusammen? Auf den Fluren des Fünf-Sterne-Hotels begegnet man niemandem in Öko-Latschen oder Leinen-Kleidern. Kein Gast wird dazu angehalten, warmes Wasser zu sparen. Die zahlreichen flauschigen Handtücher werden täglich gewechselt.

Die Organisatorin der Messe für grüne Mode, Magdalena Schaffrin, sieht darin keinen Widerspruch: "Wir müssen keine riesigen Messestände bauen und diese nach einmaligen Gebrauch wieder verschrotten", begründet Schaffrin, die den Green Showroom vor drei Jahren gemeinsam mit der Designerin Jana Keller ins Leben rief. Somit sei die Veranstaltungsfläche durchaus nachhaltig.

"Außerdem ist es wichtig für uns, in Berlin-Mitte zu sein, um in den Besucherströmen der Fashion Week zu liegen, die ihr Hauptzelt an der Siegessäule haben. So können unsere Besucher auch den Shuttle-Service nutzen", erklärt Schaffrin. Und fügt rasch hinzu: "Würde es ein nachhaltiges Luxushotel in Berlin-Mitte geben, hätte wir das natürlich genommen."

"Dabei scheint es an Alternativen nicht zu mangeln: So kam die Ethical Fashion Show, die Schaffrin gemeinsam mit der Messe Frankfurt in Berlin-Mitte organisiert hat, durchaus ohne Luxus-Suiten aus. Die Schauen fanden in einem denkmalgeschützten E-Werk statt. Diese Messe richtet sich allerdings, im Gegensatz zum Green Showroom, eher an Konsumenten, die sich für moderne Streetfashion und Casualwear interessieren. "Das E-Werk spiegelt den urbanen Charakter wider", sagt Schaffrin. Ein wichtiger Trend sei etwa das Recyceln von Kleidung.

Das österreichische Label Milch verwendet alte Herrenhosen und Hemden, um daraus neue Kleider zu machen. Designerin Cloed Baumgartner findet es besser, die Lebensdauer der Kleidung zu verlängern, als Bio-Baumwolle zu kaufen, da auch für deren Anbau sehr viel Wasser benötigt werde. Ihre Rohmaterialen bezieht die Designerin kiloweise aus der Altkleidersammlung. Dass so manches Kleidungsstück aus einer getragenen Herrenhose entsteht, erkennt man unter anderem am Saum, der zuvor ein Hosenbund war: Die Hosen werden "auf den Kopf gestellt", die Naht der Hosenbeine geöffnet und zum Rock oder Kleid umgestaltet.

Ganz so urban will man sich im Adlon nicht geben. Aussteller und Organisatoren des Green Showroom wollen vermeiden, dass grüne Mode mit Gesundheits-Latschen und unförmigen Strickkleidern in Verbindung gebracht werden könnte. "Die Verbindung von erstklassigem Design und Nachhaltigkeit ist die einzige Lösung für die Zukunft der Modeindustrie", glaubt Schaffrin. Mit anderen Worten: Man muss es den Kleidern ja nicht gleich ansehen, dass man ein grünes Gewissen hat.

Und so hängt die ökologisch korrekt gefertigte Kleidung in den noblen Schränken der Suiten, auf den großen Betten liegt Schmuck und in den feudalen Bädern stehen Handtaschen auf abgedeckten Marmor-Badewannen.

Dass Öko und Luxus sich nicht ausschließen, beweist auch die Hamburgerin Julia Starp. Die Jungdesignerin fertigt Kleider aus feinster Ahimsa-Seide. Und rettet dabei das Leben von Seidenspinner-Raupen. Für herkömmliche Maulbeerseide werden die Larven der Raupen mit kochendheißem Wasser getötet, damit der bis zu 1000 Meter lange Endlosfaden beim Schlüpfen nicht zerstört wird. Nicht so die Raupen, von denen Julia Starp den Rohstoff für ihre Kleider bekommt. Sie fliegen irgendwann als Schmetterlinge davon. Da der durchfressene Faden erst gesponnen werden müsse, sei das Material aber nicht ganz so luftig leicht und mit einem Preis von mindestens 19 Euro pro Meter doppelt so teuer wie herkömmliche Seide, so Starp.

Ein ökologisch reines Gewissen muss man sich eben leisten können. Vielleicht ist es doch eher die Nähe zur Zielgruppe, die für das Adlon als Location spricht. Und weniger die Nachhaltigkeit.

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