Dem Geheimnis auf der Spur:Attilas Grab

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Zerstörerische Macht: Attila der Hunnenkönig - eine Darstellung aus einer illustrierten Weltgeschichte. (Foto: Ken Welsh/imago Images)

Der Mythos des Königs der Hunnen lebt bis heute fort. Wo der Herrscher über das kriegerische Reitervolk bestattet wurde, ist immer noch umstritten.

Von Florian Welle

In seinen "Vorlesungen über die Philosophie der Geschichte" kommt Georg Friedrich Wilhelm Hegel auch kurz auf Attila zu sprechen. Für ihn ist der Hunnenkönig eine jener "Erscheinungen, die wie ein bloßer Gewitterstrom anschwellen, alles niederreißen, aber auch nach weniger Zeit so verflossen sind, daß man nur ihre Spuren in den Ruinen, die sie zurücklassen, nicht aber sie selbst mehr sieht".

Nach der Ermordung seines Bruders Bleda im Jahr 445 hatte Attila nicht einmal ein ganzes Jahrzehnt über sein zwischen Ost- und Westrom gelegenes Reich geherrscht, als er 453 ausgerechnet in der Hochzeitsnacht einen rätselhaften Tod starb: Vermutlich war ein Blutsturz infolge von Trunkenheit die Ursache. Doch die wenigen Jahre genügten, um ihn zu einer sagenumwobenen Gestalt werden zu lassen, deren Mythos bis heute fortlebt. Die jüngste Attila-Biografie des Althistorikers Klaus Rosen beginnt nicht von ungefähr mit dem Kapitel "Attila aktuell", das von dem überaus wechselvollen Nachleben des Potentaten handelt bis hin zu den "Kölner Hunnenhorden", die dem zentralasiatischen Reitervolk ausnahmsweise einmal einen karnevalistisch heiteren Anstrich verleihen.

Schriftliche Überlieferungen über die Hunnen gibt es nur aus der Feder ihrer Feinde

Weil die Hunnen Analphabeten waren und keine schriftlichen Zeugnisse über sich und ihre berüchtigten Reiterstürme hinterließen, die sie seit 375 aus den Tiefen Eurasiens bis nach Konstantinopel, Gallien und Italien führten, stammt die überwiegende Zahl der überlieferten spätantiken und dann christlichen Quellen aus der Feder ihrer Feinde. Daher sind sie meistens tendenziös und mit Vorsicht zu lesen. Das älteste Dokument geht auf den Römer Ammianus Marcellinus zurück, der Ende des 4. Jahrhunderts die Hunnen so beschrieb: "Alle besitzen sie gedrungene und starke Glieder und einen muskulösen Nacken und sind so entsetzlich entstellt und gekrümmt, dass man sie für zweibeinige Bestien (...) halten könnte (...)" Das Bild von den Barbaren, die dank der Durchschlagskraft ihrer sogenannten Reflexbögen nur plündernd und mordend umherzogen, bekommt später eine christliche Einfärbung. Seit dem 12. Jahrhundert sollte die aus der "Vita Lupi" stammende Bemerkung von Attila als "flagellum Dei", der Geißel Gottes, eine steile Karriere machen.

Der historische Attila aber, dessen Reich schon kurz nach seinem Tod wieder zerbrach, verschwand allmählich im Nebel der Geschichte und Geschichten. Das Bild von ihm als allein blutrünstiger Barbar hat die jüngere Forschung jedoch zurecht gerückt. Antiker Gewährsmann ist dabei der oströmische Gesandte Priskos von Panion, der tatsächlich einmal am Hofe Attilas weilte und dem Herrscher Bescheidenheit und Verhandlungsgeschick attestierte. Auch Klaus Rosen bescheinigt in seinem Buch dem Reich Attilas eine "kurze Blüte der hunnischen Bürokratie". Verschiedene Grabfunde zeigen darüber hinaus ein Volk versierter Handwerker, das ebenso mit Leder wie mit Metall und Schmuck umzugehen verstand.

Ein Mann, viele Rätsel. Sie beginnen beim Namen Attila, der der gängigsten Theorie zufolge aus dem Gotischen stammt und "Väterchen" bedeutet. Und enden mit dem Tod, den der eine oder andere Chronist nämlich gar nicht auf einen Blutsturz zurückführt wie Priskos, sondern als Mord interpretiert. Als erster berichtet ein gewisser Marcellinus Comes Anfang des 6. Jahrhunderts von der Erdolchung durch die Ehefrau. Die meisten Gerüchte aber ranken sich um Attilas Grab. Bis heute weiß man nicht, wo er seine letzte Ruhestätte fand, weshalb zahlreiche Orte in der Schweiz, in Deutschland, Österreich und Ungarn munter konkurrieren.

Kern vieler Legenden ist die ebenfalls aus dem 6. Jahrhundert stammende "Gotengeschichte" des Historikers Iordanes. Darin ist von einem "Grabhügel" und drei Särgen die Rede. "Seinen ersten Sarg hatten sie aus Gold, den zweiten aus Silber, den dritten aus Eisen gefertigt", schreibt Iordanes und fährt fort: "Das Eisen, weil er die Völker bezwang, Gold und Silber, weil er den Ruhm beider Reiche erhalten habe." Zudem weiß Iordanes, dass man anschließend die Totengräber umbrachte, um "menschliche Neugier von so vielen großen Reichtümern" fernzuhalten. Ob es wirklich so geschah, ist mehr als fraglich.

Ob in Steinbrüchen, unter Hügeln oder in Flüssen, überall wurde nach Attilas Grab gesucht

Einer Schweizer Legende nach soll Attila im Baselland unter der weithin sichtbaren Hügelkuppe des "Büchels" von Zunzgen liegen. Hierhin hätte es den Heerführer 451 nach der Vielvölkerschlacht auf den Katalaunischen Feldern verschlagen, nach der er sich am Ende aus Gallien zurückziehen musste. Gegen diese Legende spricht nicht nur, dass Attila erst 453 starb. Sondern auch die archäologische Forschung, die mittlerweile beweisen kann, dass der Zunzger Büchel kein Grabhügel war, sondern eine mittelalterliche Burganlage aus der Zeit um die Jahrtausendwende.

Anderen Sagen nach befindet sich das Grab wahlweise in einer nahe beim oberpfälzischen Zandt gelegenen Höhle: Diese wurde jedoch in den Sechzigerjahren aus Sicherheitsgründen befüllt. Oder unter einer Gruppe von zum Teil noch aus der Hallstattzeit stammenden Hügelgräbern auf einem saarländischen Höhenzug zwischen Wolfersheim und Rubenheim. Sterbliche Überreste des Hunnenkönigs wurden hier zwar nicht gefunden, dafür aber der fast zwei Meter große "Wolfersheimer Riese".

Auch in Österreich gibt es mehrere Stätten, an denen das Grab Attilas vermutet wird. So etwa im niederösterreichischen Bad Deutsch-Altenburg unter einem äußerst imposanten Riesengrabhügel aus der Vor- und Frühgeschichte. Einer anderen Sage zufolge zog der Hunnenkönig mit seinem Heer sengend und brennend an der Feistritz entlang, ehe er starb. Weshalb er im dafür vorübergehend trockengelegten Flussbett bei Fürstenfeld begraben liegen soll. "Es soll an einem Ort geschehen, den danach niemand finden wird", so die Sage. Ein ähnliches Szenario mit kurzfristiger Flussstauung und -trockenlegung stellt man sich in Ungarn vor, das zu Attilas Zeiten das Zentrum des Hunnenreichs bildete. Hier soll das Grab in der Donau liegen. Nachforschungen von Unterwasserarchäologen blieben bisher allerdings erfolglos. Als ein weiterer heißer Kandidat gilt zudem noch ein Steinbruch in der Nähe von Budapest.

© SZ vom 6.2.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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