Aesop:Handseife als Statussymbol

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Sieht aus wie aus der Apotheke: Handseife von Aesop. (Foto: AESOP)

Die Marke Aesop nähert sich der Körperpflege halb wissenschaftlich, halb sakral. Im Laden warten professionelle Handwäscher - auf Kunden, die für Kosmetik eine Menge Geld ausgeben.

Von Max Scharnigg

Sie nennen es einen Store, aber eigentlich ist es eine Teststrecke für Sinnesorgane: Die Augen versuchen, die Einrichtung zu erfassen, die zwischen Art-déco-Lobby und Labor changiert. Dann meldet die Nase einen Raumduft nach Kräutern und warmen Steinen. Und schließlich funkt die Haut den Kontakt mit lauwarmem Wasser, weil es bei Aesop zur Begrüßung gehört, den Menschen die Hände zu waschen, von ausgebildeten Handwäschern.

Ausgebildet sind sie vor allem darin, dem Kunden das Unwohlsein angesichts der minutenlangen Prozedur zu nehmen. Am Ende hat man sich nicht nur daran gewöhnt, sondern betrachtet seine Hände, als wären sie neu angeschraubt worden. Eine clevere Strategie. Denn zumindest diese Seife, die riecht, als hätte man in einen rostigen Eimer mit frischen Bitterorangen gefasst, würde man jetzt gerne mit nach Hause nehmen. Aber wo steht sie? Die Regale voller Aesop-Flaschen, Tiegeln und Gläsern - auf den ersten Blick alle völlig gleich - sind nicht für das Auge des suchenden Kunden gemacht. Deswegen bewegen sich die Angestellten mit der nüchternen Präzision von Bibliothekaren davor, verschieben Leitern, holen schließlich die gewünschte Seife und versehen sie mit einer klaren Bedienungsanleitung, als wäre man beim Arzt oder Apotheker.

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"Wir nehmen jedes unserer Produkte sehr ernst, alles bei Aesop dreht sich um diese Konzentration auf das Wesentliche. Manchmal dauert eine Entwicklung einige Jahre", sagt Thomas Buisson, Chef von Aesop Europe. Daran hat man beim schnellen Seifenkauf keinen Zweifel, vom Eintreten bis zur Verabschiedung scheint alles einem einstudierten, geruhsamen Zen-Ritual zu folgen.

Dieser halb wissenschaftliche, halb sakrale Umgang mit Cremes und Lotionen hat Erfolg. Vor dreißig Jahren in Melbourne vom Friseur Dennis Paphitis erfunden, hat das Label mit den braunen Flaschen heute über hundert Stores weltweit, davon alleine drei in Berlin, und ist nach Helena Rubinstein die zweite große Kosmetik-Erfolgsgeschichte aus Down Under.

Neben der anhaltenden Expansion kann sich die Firma zum runden Geburtstag vor allem zwei Impulse auf die Fahne schreiben, die die Beauty-Branche verändert haben. Der erste fällt dem willigen Seifenkäufer schmerzhaft schnell auf - 500 ml im Pumpspender kosten mehr als 30 Euro. "Ist aber auch sehr ergiebig", flüstert die Verkäuferin, und es klingt, als müsste sie diesen Satz öfters sagen.

Irgendwie hat es Aesop geschafft, Handreinigung zum Statussymbol zu machen. Wer heute eine Party gibt und auf sich hält, achtet jedenfalls auf namhafte Seife im Bad. "Ein echtes Pro sind die Hygieneprodukte von Aesop!", schreibt auch eine Besucherin der schicken Münchner Theresa-Bar in ihrer Empfehlung auf Tripadvisor. Sie ist nicht die Einzige. Wann hat eine Seife in der Restauranttoilette je Beachtung erfahren?

Keine Werbung, stilvolle Matrix

Klar, teure Faltencremes gab es schon immer. Aber bei Aesop wirbt man dafür weder mit faltenfreien Versprechen noch mit porentief reinen Prominenten, ja mehr noch, man wirbt überhaupt nicht. Gründer Paphitis war vom Charme des Nicht-Designs überzeugt und akribisch auf die Einhaltung der minimalistischen Form bedacht. Deshalb sind auf den Tiegeln und Flaschen in Schwarz-Weiß nur Inhaltsstoffe und Anwendung aufgedruckt. Dieser Understatement-Stil ist die zweite Errungenschaft von Aesop, viele Marken haben ihn übernommen, alles muss aussehen wie medizinisch abgefüllt. "Wir glauben, dass die Menschen sehr bewusst auswählen, welche Produkte an ihren Körper und in ihr Badezimmer dürfen, deswegen ging es uns von Anfang an um maximale Ehrlichkeit", sagt Thomas Buisson. Ehrlich, wie die kleinen, ungebleichten Baumwollsäckchen, in denen die Sachen liegen.

In einem der seltenen Interviews verriet Gründer Paphitis einmal seine philosophische Leitlinie von Albert Camus: "Die Wenigsten realisieren, dass manche Menschen unglaubliche Mengen an Energie dafür aufwenden, um einfach nur normal zu sein." So normal sehen die Produkte aus, über achtzig sind es heute, von "Post-Poo"-Tropfen für das Klo bis zum Flaggschiff, der "Perfect Facial Hydrating Cream" für 100 Euro. Alles andere als normal ist dagegen die Kulisse in den Geschäften. In jeder Stadt darf ein anderer Top-Architekt versuchen, der Reinheit der Produkte eine stilvolle Matrix zu verpassen. Vorgaben sind nur, dass die Braunglas-Armada eindrucksvoll aufgereiht werden kann - und ein paar Handwaschbecken.

Bei all den Naturmaterialien, die dabei eingesetzt werden, könnte man Aesop schnell zur Biokosmetik rechnen, aber das ist nicht der Fall. Man verzichtet zwar auf Parabene, Silikone und Mineralölprodukte, aber die Inhaltsstoffe kommen durchaus aus dem Labor. Einfach weil, sagt Thomas Buisson, die Wirksamkeit der Anwendung an oberster Stelle stehe. Trotzdem wurde gerade der Verzicht auf künstliche Duftstoffe zum heimlichen Markenzeichen. Die Aesop-Kosmetik riecht charakteristisch anders, im Falle der Parsley-Seed-Serie sogar richtig grünstreng - aber auch ziemlich heilsam. Die Sinnesorgane kaufen eben mit ein.

© SZ vom 08.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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