Zweite Fußball-Bundesliga:Der Mann aus der Vergangenheit

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Würzburg holt den früheren Champions-League-Spieler Douglas. Er fällt nur auf den ersten Blick aus der Reihe.

Von Sebastian Leisgang

Man darf sich nach wie vor noch nicht sicher sein, ob es diesen Menschen wirklich gibt. Es deutet zwar einiges darauf hin; die Würzburger Kickers haben ja schon am Dienstagabend ein tadelloses Foto von ihm verschickt, auf dem er einen rot-weißen Schal um den Hals trägt und beide Daumen nach oben streckt - die dazugehörige Überschrift wirft aber derart viele Fragen auf, dass man im Grunde gar nicht anders kann, als die Existenz dieses Mannes anzuzweifeln. Die Überschrift der Nachricht, die Würzburg am Dienstagabend unter die Leute brachte, lautete: "Innenverteidiger mit Champions-League-Erfahrung: Douglas verstärkt den FWK."

Konnte das stimmen? Champions League und FWK?

Am Mittwochnachmittag traten die Kickers beim Bundesligisten Union Berlin an. Es war das erste Testspiel zur Vorbereitung auf die kommende Saison, Würzburg verlor 0:2 (0:1), und Douglas, der Innenverteidiger mit Champions-League-Erfahrung, war außen vor, weil er noch nicht zweimal negativ auf das Coronavirus getestet worden war.

Dass man sich in diesen Tagen verwundert die Augen reiben muss, liegt auch daran, dass dieser Transfer auf den ersten Blick völlig aus der Reihe fällt. In den vergangenen Jahren hatten die Kickers ja vorzugsweise Talente von unten (Vincent Müller, Leroy Kwadwo, Frank Ronstadt) oder Made-in-Schwaben-Spieler (Fabio Kaufmann, Dave Gnaase, Daniel Hägele) verpflichtet. Auch in diesem Sommer fügten sich die Würzburger Transfers zunächst in dieses Schema: Tobias Kraulich, 21, kam aus der Regionalliga-Reserve des 1. FC Nürnberg, David Kopacz, 21, aus Polen, Arne Feick, 32, als Socialized-in-Schwaben-Spieler aus Heidenheim.

Und jetzt also ein gewisser Douglas Franco Teixeira, genannt Douglas, ein Mann, dessen Karrierelaufweg über die ganz große Bühne geführt hat.

Douglas, 32, hat 45 Premier-League-Spiele hinter sich (allerdings in der russischen Premier League), er hat sechs Champions-League-Spiele mehr auf dem Buckel als der Rest des Würzburger Kaders (null), und er hat nicht nur Spielern wie Samuel Eto'o, Raul und Robbie Keane ein Bein gestellt - er hat sich den Platz auch schon mit Javier Zanetti, Roberto Carlos und Petri Pasanen geteilt.

Eto'o, Zanetti und Roberto Carlos: Es sind diese Namen, aus denen Douglas an seinen ersten Tagen in Würzburg seine Prominenz bezieht. Es sind große Namen, allerdings auch Namen aus einer anderen Zeit. Namen, die veranschaulichen, warum Douglas' Verpflichtung für die Kickers in erster Linie ein Experiment ist.

Als Douglas in der Blüte seiner Karriere stand und mit Twente Enschede die niederländische Meisterschaft gewann, spielte Würzburg in der Landesliga Nord gegen den FC Blau-Weiß Leinach, den ASV Hollfeld und die zweite Mannschaft von Eintracht Bamberg. Rund zehn Jahre ist das her. Während es für die Kickers dann bergauf ging, stürzte Douglas ab. 2015 spielte er noch mit Dinamo Moskau in der Europa League, ein Jahr später erhielt er einen Vertrag bei Sporting Lissabon - dann nahm er ohne Absprache mit dem Klub ein Medikament zur Gewichtsreduzierung ein, wurde für neun Monate wegen Dopings gesperrt und fand dann keinen Verein mehr.

Zuletzt trainierte Douglas zwar beim niederländischen Zweitligisten Go Ahead Eagles mit - sein letztes Pflichtspiel bestritt er allerdings vor knapp vier Jahren. Für die Kickers könnte der Transfer trotzdem Sinn ergeben, denn er folgt einer Logik: dem Plan, sich ganz bewusst als Nischenverein aufzustellen.

In der kommenden Saison arbeitet Trainer Michael Schiele mit Spielern, die, erstens, andernorts zum Auslaufmodell geworden sind und es jetzt noch mal wissen wollen (Fabian Giefer, Feick), mit Spielern, die, zweitens, noch nicht das Zeug haben, um ganz oben mitzuhalten (Keanu Staude aus Bielefeld, Florian Flecker von Union, Kraulich, Kopacz), und mit Spielern, die, drittens, früher mal das Zeug hatten, um ganz oben mitzuhalten, dann aber auf die schiefe Bahn gerieten (Douglas).

Im Grunde bleibt den Kickers ja auch gar nichts anderes übrig. Sie haben nicht die Mittel, um einen wie Douglas auf dem Zenit seines Schaffens davon zu überzeugen, den Platz mit Spielern aus Sandhausen und Aue zu teilen. Nach dem Karriereknick aber wurde selbst einer wie er für die Kickers erschwinglich.

Und doch: Als die Kickers zuletzt ein solches Experiment wie mit Douglas wagten, ging es schief. Vor vier Jahren verpflichteten sie Junior Diaz. Auch er: Abwehrspieler. Auch er: Südamerikaner. Auch er: im Herbst seiner Karriere. Auch er: erprobt im Europapokal. Nach einem Jahr verabschiedete sich Diaz wieder. In Erinnerung blieb nur: sein spektakuläres Eigentor beim 1:1 gegen Arminia Bielefeld. Sein Versuch eines Befreiungsschlags mutierte zu einer Bogenlampe - und landete aus zwölf Metern im Netz.

© SZ vom 13.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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