Würzburger Kickers:Mit kindlicher Begeisterung

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Bernhard Trares. (Foto: Daniel Karmann/dpa)

Trainer Bernhard Trares hat in Würzburg die Stimmung gedreht. Über einen, der eint.

Von Sebastian Leisgang

Offenbar ist es an jenem Mittwochabend trocken geblieben, damals, im April vor neun Jahren. So ist es zumindest dem Wetterbericht zu entnehmen, der im Internet noch immer abzurufen ist. Kein Regen also, trotzdem muss es ein ziemlich trister Abend gewesen sein. Vierte Liga, 189 Zuschauer auf einem Nebenplatz am Bornheimer Hang und dann ein 0:0 gegen die zweite Mannschaft des SV Wehen Wiesbaden. Kann so etwas Spaß machen?

Bernhard Trares, 55, sitzt in einem großen Raum des Würzburger Dallenbergstadions und spricht über seine Zeit als Trainer des FSV Frankfurt II. Einer seiner Spieler, so erzählt Trares, habe sich Woche für Woche bei einem Teamkollegen Schuhe geliehen, weil er sich keine eigenen habe leisten können. Ein anderer, sagt er, habe nebenbei in einer Tankstelle gearbeitet, weil er mit dem Fußball kaum was verdient habe. Und mittendrin Trares, der seit knapp zwei Wochen als Coach der Würzburger Kickers arbeitet.

Seine Zeit beim FSV Frankfurt sei eine gute Zeit gewesen, sagt Trares. Klar, Abstiegskampf, wenig Aufmerksamkeit, fernab der funkelnden Bundesliga-Welt, die er als Spieler bei Werder Bremen und dem TSV 1860 München kennengelernt hat - aber es sei eben um Fußball gegangen. Nicht um Fernsehgelder, Übertragungsrechte und Logen, sondern um den Kern: das Spiel selbst.

Wie Trares so hinter einer Plexiglasscheibe sitzt, in drei Metern Entfernung, und wie er über seine Erinnerungen spricht, über die Sache mit den Schuhen und diese Geschichte mit der Tankstelle, da ist zu spüren, dass ihn das schon damals nicht veranlasst hat, die Sinnfrage zu stellen. Im Gegenteil, es hat ihn gereizt. Es hat etwas in ihm ausgelöst, etwas, das jetzt, mehr als neun Jahre später, zu der Frage führt: Was sagt es aus über einen, der sich für so etwas wie damals in Frankfurt begeistern konnte?

Ein Anruf bei Bernhard Winkler, der in den Neunzigern vier Jahre lang mit Trares beim TSV 1860 gespielt hat und noch immer sehr gut mit ihm befreundet ist. Was für ein Typ ist Trares? Was macht ihn aus? "Ich habe ihn damals als unheimlich ehrgeizigen Menschen kennengelernt", sagt Winkler. Als Kapitän sei Trares stets vorangegangen und habe sich auf dem Spielfeld "nie geschont. Manchmal hat er auch einen Mitspieler wachgerüttelt und ist dabei übers Ziel hinausgeschossen - er hat aber auch von sich selbst viel verlangt".

Dass sich die Stimmung in Würzburg nach dem Fehlgriff mit Trares' Vorgänger Marco Antwerpen gedreht hat, dass die Leute wieder optimistisch sind, dass Trares gar eine Welle der Zuversicht angeschoben hat, obwohl er erst am Sonntag gegen Hannover zum ersten Mal auf der Würzburger Bank sitzen wird, all das überrascht Winkler nicht. Mehr noch: Er glaubt gar, dass Trares derjenige ist, der die jetzt schon an- und abgeschlagene Mannschaft mit seiner fordernden, aber sozialen Art zum Klassenverbleib führt. "Natürlich traue ich ihm zu, das zu schaffen", sagt Winkler: "Ich weiß ja, dass er andere mitnehmen kann."

Andere mitnehmen. Das ist eine der Kernkompetenzen von Trares. Eine, die ob der sportlich bedenklichen Lage in diesen Tagen besonders gefragt ist am Dallenberg. Und eine, die Trares in der vergangenen Woche schon bewiesen hat.

Als sich die Kickers in einem Trainingslager auf die bevorstehenden Aufgaben vorbereiteten, nahm Trares ein Video auf, das der Klub später über seine Kanäle verbreitete. Es war eine Grußbotschaft, ein Aufruf, den Abstiegskampf gemeinsam anzugehen - und auch ein Versprechen, nichts unversucht zu lassen. Das alles war aber nur das Oberflächliche. Auf einer anderen Ebene, einer tiefer liegenden, da sagte es ja auch eine Menge über Trares selbst aus, dass er überhaupt ein paar Worte an die Fans gerichtet hatte.

Hätte Antwerpen, dieser etwas unterkühlte Mann, das auch irgendwann getan?

Trares, auch das sei noch erwähnt, weil es mehr verrät als jede Pressekonferenz, sprach noch über Flugbälle, als er zu Wochenbeginn im Dallenbergstadion saß. Über die Entfernung von drei Metern ließ sich zwar nicht erkennen, ob seine Augen funkeln; was Trares aber sagte, sprach für sich. Er könne das stundenlang machen, meinte Trares: Pässe über den halben Platz schlagen und sich wieder und wieder daran erfreuen, wenn der Ball, einer Feder gleich, herunterfalle und auf der Brust des Mitspielers lande.

Es war eine ansteckende und kindliche Begeisterung, die in diesem Augenblick aus Bernhard Trares sprach. Diese Begeisterung ist es, die ihn Tag für Tag antreibt. Für seine ersten 90 Minuten an diesem Sonntag gegen Hannover - und für die fordernden Wochen, die in Würzburg vor ihm liegen.

© SZ vom 22.11.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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