Würzburger Kickers:Drei auf den letzten Drücker

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Ridge Munsy, Lars Dietz und Ewerton kommen am letzten Transfertag nach Unterfranken. Die abschließenden Wechsel der Würzburger Kickers fügen sich in ein altbekanntes Muster ein.

Von Sebastian Leisgang

Routine für die Kickers-Offensive: Ridge Munsy vom FC Thun. (Foto: Geisser/imago images)

So einen letzten Transfertag stellt man sich ja ziemlich hektisch vor. Ständig klingelt ein Telefon, im Minutentakt kommen E-Mails an, und irgendwo in der Geschäftsstelle surrt bestimmt auch noch ein Faxgerät, das diesen oder jenen Vertrag in Empfang nimmt. Es muss hoch hergehen am allerletzten Tag der Wechselperiode, an dem die Fußballklubs die allerallerletzte Chance haben, ihren Kader noch ein bisschen aufzumotzen oder Spieler loszuwerden, die sowieso nur auf der Tribüne sitzen.

Wenn der letzte Transfertag also hektisch ist, dann muss er in Würzburg mindestens sehr hektisch sein. Wahrscheinlich ist sogar davon auszugehen, dass er so hektisch ist, dass Felix Magath keine Zeit für einen Pausentee findet. Das könnte man zumindest meinen. Am Montag haben die Kickers ja nicht nur Luca Pfeiffer zum FC Midtjylland ziehen lassen - sie haben auch gleich drei Spieler auf einen Streich verpflichtet: Ridge Munsy, 31, vom FC Thun, Lars Dietz, 23, von Union Berlin und Ewerton, 31, vom Hamburger SV. Ein einziges Drunter und Drüber also. Oder etwa nicht?

Hektisch sei es in der Würzburger Geschäftsstelle am Montag kein bisschen gewesen, erzählt Marco Antwerpen. Der Verein habe die nun verpflichteten Spieler "schon länger im Fokus" gehabt, sagt der neue Trainer der Kickers. Die Verträge seien längst vorbereitet gewesen, "deshalb waren am Montag nur noch Kleinigkeiten zu klären."

Der Zweitligist kam also gar nicht erst in die Bredouille. Es grenzte zwar bei einer derartigen Anzahl von Begrüßungen und Abschieden an ein mittelgroßes Wunder, dass die Medienabteilung den Überblick behielt und nicht versehentlich verkündete, dass Nico Purtscher zum FC Midtjylland wechselt (sondern dass der Vertrag mit dem Ersatztorwart aufgelöst wurde) - doch die Postfächer liefen nicht über, nicht einmal das Faxgerät verweigerte den Dienst. Jetzt sei er "sehr zufrieden" mit seinem Kader, sagt Antwerpen. Mit Munsy, Dietz und Ewerton habe die Mannschaft derart "hohe Qualität bekommen", dass diese nun "sehr gut aufgestellt" sei.

Gilt als Defensiv-Allrounder: Der 23 Jahre alte Lars Dietz kommt von Union Berlin. Bei den Würzburger Kickers erhält er einen Vertrag bis 2023. (Foto: Bernd König/imago image)

Vor seinem Debüt, dem 2:2 gegen die SpVgg Greuther Fürth, hatte Antwerpen ja noch betont, dass der Kader nicht genüge - auch wenn die Kickers während des Spiels dann durchaus zeigten, dass sie mithalten können, ehe sie in der Nachspielzeit nach einem unberechtigten Eckball den Ausgleich hinnehmen mussten. Trotz dieses Rückschlags war der Auftritt, wie schon der letzte unter Michael Schiele, ein Fortschritt gegenüber dem 0:3 zum Auftakt gegen Aue, an dem rein gar nichts unberechtigt war (außer vielleicht, dass es nicht 0:4 ausging).

Am Tag nach dem Fürth-Spiel haben die Kickers also ihre allerallerletzte Chance genutzt und, einerseits, in Munsy einen routinierten Ersatz für Pfeiffer geholt sowie, andererseits, der Defensive in gleichem Maße Erfahrung und jugendlichen Elan zugeführt: Ewerton ist dafür vorgesehen, das große Ganze zu stützen, und Dietz soll zeigen, dass er nicht nur als Leihspieler in der dritten Liga seinen Mann steht, sondern auch dann nicht zurückschreckt, wenn Simon Terodde beim Kopfballduell den Ellenbogen ausfährt oder Robin Hack beim Dribbling zum Tanz bittet.

Dass Munsy, Dietz und Ewerton erst am letzten Transfertag nach Würzburg gekommen sind, fügt sich in ein Muster ein. Im vergangenen Winter holten die Kickers Saliou Sané und Jonas David, als das Fenster gerade noch gekippt war; vor einem Jahr war es Simon Rhein, der auf den letzten Drücker an den Dallenberg kam, und 2018 kehrte Peter Kurzweg auf Leihbasis von Union Berlin zurück, um dort nicht mehr zu jenen Spielern zu gehören, die sowieso nur auf der Tribüne sitzen. In Würzburg hat es also durchaus Methode, dass die Verantwortlichen erst kurz vor Toreschluss einen Kugelschreiber aus den Taschen ihrer Sakkos nehmen, um Spieler unterschreiben zu lassen.

Soll das große Ganze stützen: Der Brasilianer Ewerton hat von 2017 bis 2019 für den 1. FC Nürnberg gespielt, zu den Kickers wechselt er vom Hamburger SV. (Foto: Michael Schwarz/imago images)

Ist das Kalkül? Oder ist die rege Betriebsamkeit kurz vor Schluss vielmehr Ausdruck einer Fehlplanung?

Natürlich sind die Transfers unterschiedlich zu bewerten. Während beispielsweise der Fall Kurzweg in die Kategorie günstige Gelegenheit fiel, steckte beim diesjährigen Sommerschlussverkauf der Würzburger durchaus eine gewisse Berechnung dahinter. Die Verantwortlichen entschieden sich ganz bewusst, die eine oder andere Planstelle offen zu lassen, da sie bis zum letzten Tag hofften, im Endspurt noch das eine oder andere Schnäppchen ergattern zu können.

Ob diese Strategie aufgegangen ist, wird sich bis zum Winter zeigen. Dann öffnet das Transferfenster zum zweiten Mal und stellt den Trainer Antwerpen vor die Frage: Ist er noch immer "sehr zufrieden" mit seinem Kader?

© SZ vom 07.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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