Wolfsburg:Jenseits der Elf-Freunde-Romantik

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Werden keinen gemeinsamen Urlaub planen: Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia (li.) und Wolfsburgs Geschäftsführer Sport Jörg Schmadtke. (Foto: Peter Steffen/dpa)

Die Debatte zwischen Bruno Labbadia und Jörg Schmadtke überlagert den Wolfsburger Erfolg und das Unentschieden gegen Bremen.

Von Jörg Marwedel, Wolfsburg

Die Partie zwischen den Europa-League-Anwärtern VfL Wolfsburg und Werder Bremen war relativ schnell abgehakt. Das 1:1 hatte den Sechs-Punkte-Vorsprung der Wolfsburger bestätigt. VfL-Verteidiger Robin Knoche sagte: "Wir haben einen Konkurrenten um die internationalen Plätze auf Abstand gehalten." Hier und da hörte man etwas Unmut bei den Wolfsburgern heraus, dass man nach dem Kopfballtor von Anthony Brooks (54.) in der lange Zeit überlegen geführten Partie nicht das vorentscheidende 2:0 erzielt hatte und am Schluss sogar froh sein konnte, dass dem 1:1 durch den ehemaligen Wolfsburger Max Kruse (74.) nicht noch das 2:1 für Bremen folgte. "Ärgerlich für uns, weil wir den Dreier verdient gehabt hätten", fand Wolfsburgs Trainer Bruno Labbadia.

Doch das eigentliche Thema am Sonntagabend war ein anderes: Wie verarbeitet die VfL-Elf die wahrscheinlich gewordene Trennung von Labbadia am Saisonende? Nimmt man diese 90 Minuten und die Aussage von Kapitän Josuha Guilavogui, so ist die Labbadia-Debatte kein dramatischer Vorfall. Die Profis gingen tatsächlich mit genauso viel Selbstbewusstsein in dieses Nordderby wie in die vergangenen siegreichen Spiele. Guilavogui äußerte fast ungerührt, die Zukunft des Trainers sei "nicht unser Problem". Wie man dem Coach helfen könne? Vielleicht, indem man den derzeitigen Ehrgeiz beibehalte: "Wir wollen etwas erreichen. Das ist gut für ihn und gut für uns."

Und doch versuchten Geschäftsführer Jörg Schmadtke und Labbadia, das von Schmadtke selbst vergangene Woche angestoßene Thema wieder ein Stück weit einzufangen. Schmadtke sagte vor dem Spiel, seine Formulierung gegenüber der Bild-Zeitung mit der "nicht stimmenden Chemie" zwischen ihm und dem Trainer tue ihm leid, da hätte er "anders handeln können". Auch nach der Pressekonferenz hat sich der Sportchef den Reportern gestellt und versucht, ein bisschen Wasser in die Flammen zu gießen: "Es gibt keine Aussage von mir, dass es nicht weitergeht", ein Aus Labbadias sei "Interpretation".

Richtig sei aber, das habe er jetzt tausendmal gesagt: "Wir müssen uns für die Zukunft zusammensetzten und sehen, ob es Überschneidungen gibt." Das werde, wie verabredet, im April passieren, kündigte Schmadtke an. Dass er mit Labbadia keine Kochrezepte austauschen wolle und auch keinen gemeinsamen Urlaub plane, hätte mit der Personalentscheidung wenig zu tun, betonte der Manager. Der Traum von einer Welt mit elf Freunden sei im Profifußball eh kaum realisierbar. Bei den Sachthemen habe er einen guten Austausch mit dem Coach, das private Binnenverhältnis spiele keine Rolle für die tägliche Arbeit.

Im Fall Schmadtke/Labbadia geht es wohl eher um die Struktur des Teams. Im Winter lehnte Schmadtke weitere vom Trainer geforderte Verstärkungen ab. Es gibt also Anzeichen dafür, dass die Überschneidungen, wie man die Zukunft des VfL sieht, tatsächlich nicht so groß sind. Dass Schmadtke das Team lieber mit einem Trainer baut, der ähnliche Prioritäten setzt wie er selber, ist verständlich, obwohl er mal mit einem Coach zusammenarbeitete, mit dem er sich deutlich schlechter verstand als mit Labbadia. In seiner Zeit bei Hannover 96 hat er dem Fußballlehrer Mirko Slomka ebenfalls manchen Wunsch (etwa den Hamburger Piotr Trochowski oder die beiden teuren Wolfsburger Patrick Helmes und Srdan Lakic) nicht erfüllt und stattdessen deutlich günstigere Transfers getätigt - etwa die Stürmer Mohammed Abdellaoue, Didier Ya Konan und Mame Diouf, die in Deutschland fast unbekannt waren. Sie sorgten dafür, dass 96 sogar in der Europa League für Aufsehen sorgte.

Labbadia, der den VfL im Frühjahr 2018 knapp vor dem Abstieg bewahrte und jetzt mit sportlichem Erfolg beglückt, hatte es von Anfang an nicht leicht in der VW-Stadt. Die Fans sangen damals: "Wir steigen ab und kommen nie wieder, wir haben Bruno Labbadia". Diese Klänge sind natürlich längst verstummt. Der gebürtige Darmstädter hat das alles über sich ergehen lassen und reagiert auch jetzt extrem professionell. Die Debatten würden ihn nicht belasten, behauptet er. Er wisse ja selber noch nicht, ob er in Wolfsburg bleiben möchte. Bis dahin aber "arbeite ich so, als wenn ich noch die nächsten zehn Jahre hier bin". Und sollte das Gespräch, von dem er noch nicht wisse, wie es ausgeht, mit einer Trennung enden, dann wolle er, "dass wir top auseinandergehen".

Das lässt viel Spielraum für Interpretationen. Zumindest eine Tendenz ist deutlich herauszuhören.

© SZ vom 05.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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