WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Freakãos der guten Sorte

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Niederländische Fans bejubeln den Achtelfinal-Sieg ihrer Mannschaft gegen Mexiko. (Foto: dpa)

Die WM begleiten immer wieder erstaunliche Fans, und besonders erstaunlich sind manchmal ihre Autos. Das müssen sogar die in ihre Mannschaft vernarrten Brasilianer anerkennen. Was SZ-Reporter bei der Fußball-WM erleben.

Von Claudio Catuogno, Rio de Janeiro

Dann bog also das Piratenschiff hinter dem Felsen hervor, es war eindeutig als solches gekennzeichnet, am Mast wehte die Totenkopfflagge, am Bug prangten zwei Säbel, und netterweise hatten die Seeräuber dem Schiff auch einen Namen gegeben, der keinen Zweifel ließ: "Piratão."

Mit der Endung "ão" machen die Brasilianer die Dinge größer ("Seleção", "Filipão"), aber das Schiff Piratão war trotzdem nicht besonders furchterregend, man hätte es eher Piratinho nennen müssen. Mit der Endung "inho" machen die Brasilianer die Dinge klein und niedlich ("Ronaldinho").

Obwohl an Bord dem Augenschein nach echte Piraten tätig waren, nahm an der Copacabana niemand Notiz von Piratão. Mit einer Piratenshow auf einem Touristenkahn holt man in Brasilien keinen hinter dem Ofen vor. Da müssen schon echte Freaks unterwegs sein, also Freakãos, am besten mit einem echten Freak-Fahrzeug, einem Freakão-Automóvelão.

Beim Bartão des Holländers

Dieser 53-jährige Holländer zum Beispiel, Ben Oude Kamphuis, der seinen alten 1955er Chevrolet orange angemalt und Laranja Mecânica getauft hat; auf die Pritsche hat er einen begehbaren Fußball montiert, als Schlafkabine. 22.000 Kilometer sind Kamphuis und Laranja Mecânica durch Amerika gefahren, von San Francisco bis Salvador, um dort die holländische Elf zu unterstützen. Auf der Reise ist Ben Oude Kamphuis ein sehr langer Bart gewachsen ("Bartão"). Wenn er mit Laranja Mecânica am Straßenrand parkt, gehen die Leute nicht einfach weiter, sie wollen seine Geschichte hören. Ben Oude Kamphuis ist ein Freak von der guten Sorte ("Freakão bom").

Als am Mittwochabend am kleinen Flughafen von Ribeirão Preto die Maschine der französischen Nationalelf in Richtung Rio abhob, zum Viertelfinale gegen die Deutschen, standen eine Menge Kamerateams am Zaun und filmten. Es gab da zwar nur eine handelsübliche Boeing zu filmen, aber wenn man weiß, dass in der Boeing Karim Benzema und Didier Deschamps sitzen, ist das natürlich was anderes.

Am Zaun stand ein alter, handbemalter Citroen 2CV ("Entinho") in blau, weiß und rot. Er war offenbar aus Frankreich nach Brasilien verschifft worden, jedenfalls war er mit französischem Kennzeichen unterwegs. Zwei Franzosen in Frankreich-Trikots gaben Interviews, sie schwenkten die französische Fahne, dann stiegen sie ein, ließen den Motor an und riefen: "Rio de Janeiro!"

Später hat man die zwei Franzosen im Flugzeug wiedergetroffen, wahrscheinlich haben sie ihre Ente in Ribeirão Preto einfach auf den nächsten Parkplatz gestellt. Das unterscheidet den Freakinho vom Freakão.

© SZ vom 05.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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