WM-Tagebuch "Blog do Brasil":Der falsche Felipão

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Wladimir Palomo, oder doch Luiz Felipe Scolari? (Foto: Facebook)

Deutschland ist WM-Favorit, seine eigene Abwehr bereite ihm Sorgen: Eine Stunde lang gibt Brasiliens Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari einem Journalisten ein Exklusivinterview. Blöd nur, dass es sich beim Trainer um einen Doppelgänger handelt. Was SZ-Reporter bei der WM erleben.

Von Konstantin Kaip, Rio de Janerio

Mário Sergio Conti, Kolumnist bei den Zeitungen O Globo und Folha de São Paulo, konnte sein Reporterglück am vergangenen Mittwoch kaum fassen. In der Wartehalle des Flughafens in Rio hatte er Neymar und den Trainer der brasilianischen Nationalmannschaft, Luiz Felipe Scolari, erspäht. Und dann setzte sich Felipão im Flugzeug nach São Paulo ausgerechnet auf den Sitz 25 E, direkt neben ihn.

Conti suchte das Gespräch und hatte Erfolg. Der Trainer plauderte den ganzen Flug lang munter drauflos: Dass er Holland und Deutschland bislang für die Favoriten hält; dass ihm ausgerechnet die hochgelobte Abwehr der brasilianischen Nationalmannschaft Sorgen bereite; dass er grundsätzlich Politik nicht mit Fußball vermische.

Bei einem Luftloch lobte er die Leistung des Piloten, und Conti wollte wissen, ob dessen Job mit dem eines Nationaltrainers vergleichbar sei. "Kein Vergleich", antwortete Scolari. "Ein Pilot ist für Menschenleben verantwortlich. Wenn die Nationalmannschaft verliert, ist das zwar traurig für mich, die Spieler und meine ganze Familie. Aber niemand ist in Lebensgefahr."

Felipão, der sonst nur auf kollektiven Pressekonferenzen zu Journalisten spricht, gab bereitwillig zu allem Auskunft. Er sprach von Variablen, die die Spiele beeinflussen können, wie zum Beispiel der Ort des Mannschaftsquartiers. Die Deutschen etwa seien in der Sonne Bahias, "inmitten schöner Mulattinnen", sagte Scolari, und fügte lächelnd hinzu: "Ich bezweifle, dass alle von ihnen nach Deutschland zurückkehren."

Ein Exklusivinterview, eine Stunde lang

Die ganze Stunde Flugzeit dauerte das Exklusivinterview. Und weil der Trainer so gut drauf war, lud ihn Conti kurz vor der Landung noch in seine Sendung "Diálogos" beim Sender Globo News ein. "Wir kommen gerne", sagte Felipão. Auch wenn er im Moment "sehr beschäftigt" sei. Zum Abschied gab er dem Journalisten eine Karte. Darauf stand: Wladimir Palomo - Felipão-Double - Events.

Conti, berauscht von seinem Reporterglück, hielt das für einen Scherz des verschlagenen Gaúchos und veröffentlichte das "Exklusivinterview" sogleich online bei beiden Medien, für die er arbeitet. Erst als er Stunden später Bilder vom echten Scolari in Fortaleza sah, schwante ihm Übles. Ein Anruf bei der Nummer auf der Karte brachte die Gewissheit: Er hatte wirklich mit dem Doppelgänger Palomo gesprochen.

Der 54-jährige Rentner hatte mit seinem Kollegen, dem Neymar-Double, gerade die Satire-Sendung "Zorra Total" für TV Globo in Rio aufgenommen und auf dem Rückflug nach São Paulo auf 25 E gesessen. Er habe nie behauptet, Scolari zu sein, sagte Palomo später. Sondern nur mit seinem Sitznachbarn über Fußball geplaudert: "Zur Zeit fühlt sich ja jeder Brasilianer als Nationaltrainer." Außerdem habe er Conti ja seine Karte gegeben.

Der Kolumnist ließ die Artikel sofort aus dem Netz nehmen. Zu spät allerdings für den Spott, den ihm die Netzgemeinde tags darauf zuteil werden ließ. Der Lapsus werde zwar das Ergebnis der WM nicht beeinflussen, sagte der Journalist am Tag danach. "Doch heute wünschte ich, ich sei ein Doppelgänger von Mário Sergio Conti."

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