WM-Eröffnungszeremonie:Kurze Feier im weißen Ungetüm

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Die Artisten begeistern die Zuschauer nur mäßig. (Foto: dpa)

Fabelwesen und Trommelartisten erzeugen bei der Eröffnungsfeier der Fußball-WM in São Paulo ein bisschen Stimmung, die erst dann besser wird, als sich Brasiliens Nationalteam warmläuft. Am Rande gibt es auch Proteste - die Bereitschaftspolizei antwortet rigide.

Von Peter Burghardt, São Paulo

"Es ist so weit", sprach Brasiliens Nationaltrainer Luiz Felipe Scolari. "Chegou a hora." Die Zeitung O Globo setzte das Zitat auf ihre Titelseite und verglich den Start weiter hinten mit der Mondlandung. Tatsächlich begann am Donnerstagabend also diese sündteure Fußball-WM in Brasilien, die unter den Brasilianern so umstritten ist wie warmes Bier.

In der Arena Corinthians alias Itaquerão im Osten von São Paulo empfingen die Gastgeber zum Einstand Kroatien, doch man spürte den Start der Weltmeisterschaft in Ansätzen auch an anderen Orten dieser Riesenstadt mit ihren 20 Millionen Menschen. Tausende von ihnen trugen brasilianische Flaggen und die leuchtend gelben Trikots ihrer Nationalmannschaft, der Seleção. Plötzlich waren zumindest Ansätze eines WM-Fiebers zu spüren, nach Monaten des Zweifelns und der Proteste.

WM-Eröffnungsfeier
:Grüner Strampler im Regenwald

Die Eröffnungsfeier der Fußball-WM in Brasilien bietet ein buntes Spektakel: Menschen sind als Bäume und Büsche verkleidet, Jennifer Lopez singt im farblich abgestimmten, knappen Kostüm. Die schönsten Bilder von der Eröffnungsfeier.

Sogar der zuletzt graue Himmel wurde blau, und der Regen verschwand. Das gefiel nicht zuletzt jenem Drittel der 61 000 Zuschauer, die auf den improvisierten und dachlosen Tribünen Platz nahmen. Und es erleichterte die Späharbeit in den Polizeihubschraubern, die wie Fliegenschwärme über die Wolkenkratzer, Straßen und Siedlungen der Metropole ratterten.

Die U-Bahn fuhr zwar nach fünftägigem Streik wieder, so kam man mit neuer Metro und Schnellzug angenehm flott ans Ziel. Demonstriert allerdings wurde durchaus. "Não vai ter Copa", war das übliche Motto einer Kundgebung im Dunstkreis des Spielplatzes: "Es wird keine WM geben." Die martialische Bereitschaftspolizei rückte wie gewohnt mit Schutzschildern, Prügeln, Tränengas und Gummigeschossen gegen die paar Hundert Widerständler vor und führte sich auf wie im Krieg.

Viele Besucher flüchten an den Strand

Die Korrespondentin und eine Mitarbeiterin von CNN wurden von Plastikkugeln getroffen und vorübergehend in ein Krankenhaus eingeliefert, wieder gingen hässliche Bilder um die Welt. Eine weitere Kleinrebellion mit Mitgliedern der Hooligans Back Blocs gegen die horrenden Kosten des Turniers blockte das umfangreiche Sicherheitsaufgebot ebenfalls ab, auch in São Paulo sind Heerscharen Uniformierter im Einsatz. Außerdem hatte die Regierung einen Feiertag ausgerufen, damit nicht zu viel protestiert wird und die Staus nicht zu lang werden; viele Bewohner der Megalopolis waren an den Strand geflüchtet.

Interessenten mit Karten saßen dann recht bequem in diesem weißen Ungetüm Itaquerão, das für 1,4 Milliarden Reais (460 Millionen Euro) auf dem Hügel des strukturschwachen Stadtteils Itaquera thront und dem Klub Corinthians gehört beziehungsweise staatlichen Gläubigern. Die Ränge waren noch halb leer, weil das Publikum an den Kontrollen anstand, als etwas überfallartig die Eröffnungsfeier begann.

Erst langsam häuften sich die gelben Dressen und auch ein paar rot-weiß karierte Hemden von Kroaten auf den Klappsitzen, dafür wurde es unten auf dem Rasen bunt. Choreografen schickten zunächst 600 Tänzer, darunter urwaldhafte Fabelwesen; der Ball respektive die Erdkugel am Mittelkreis (in diesen Wochen mehr oder weniger dasselbe) war bedeckt von Flüssen und Wäldern Amazoniens. Die Musik von Ureinwohnern hallte durch das Viereck, wobei man jenseits des genormten Fifa-Standards mit seinen Sponsoren etwas mehr brasilianische Kultur hätte verbreiten können.

Am Ende der kurzen Show trommelte die Rhythmusgruppe Olodum aus Bahia, Artisten tanzten Capoeira. Für wenige Minuten und sicher üppiges Honorar fuhr neben dem Sänger Pitbull und der Sängerin Claudia Leitte aus unerfind-lichen Gründen auch Jennifer Lopez aus einer stilisierten Blume und tat, als würde sie singen. Viel feiern wollte man vor dem Anpfiff nicht. Und Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff wollte auch nicht sprechen. Sie und der sagenhaft unbeliebte Fifa-Patron Joseph Blatter wollten nicht ganz so ausgepfiffen werden wie vor einem Jahr beim Konföderationen-Pokal, als die Kundgebungen gegen Geldverschwendung und Korruption Fahrt aufnahmen.

WM-Eröffnungsfeier
:J.Lo singt, Blatter fehlt

Es geht los: Die Fußball-WM in Brasilien ist nach einer bunten, aber sehr kurzen Feier offiziell eröffnet. Im Stadion von São Paulo tanzen Menschen in Baumkostümen und Jennifer Lopez singt. Von den Fifa-Offiziellen lässt sich niemand blicken.

Dennoch stimmten diverse Fans bereits böse Gesänge auf die Politikerin und den Funktionär an, als über Lautsprecher der acht toten Arbeiter beim hektischen Bau der zwölf WM-Stadien gedacht wurde. Frau Rousseff, weitere Staatschefs und Herr Blatter schienen sich derweil dezent in die Ehrenloge begeben zu haben.

Die symbolische WM-Eröffnung wurde jedenfalls weder von Blatter, noch von Rousseff vorgenommen, sondern vom Stadionsprecher und mit drei Friedenstauben. In Stimmung kam die Gemeinde, als die Brasilianer zum Aufwärmen einliefen und die Aufstellung verkündet wurde. Den Namen Neymar begrüßten die Anhänger sehr erfreut, sie sangen danach inbrünstig die brasilianische Hymne, länger als von der strengen Fifa vorgesehen. Dann begann mit dem Anstoß wahrhaftig diese WM.

© SZ vom 13.06.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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