WM 2010: Jubilar Francisco Varallo:Torjäger der allerersten Stunde

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Er war dabei, als 1930 in Uruguay die erste Fußball-WM ausgetragen wurde - heute ist der Argentinier Francisco Varallo 100 Jahre alt. Das Turnier bescherte ihm den traurigsten Moment seines Lebens - eine schöne Karriere hatte er trotzdem.

Peter Burghardt

Es gibt nicht mehr viele Menschen, die noch bewegte Bilder vom Finale der ersten Fußball-Weltmeisterschaft im Kopf haben. Das Debüt ereignete sich am 30. Juli 1930 in Montevideo, kurz nach dem 100. Jahrestag der Unabhängigkeit Uruguays. Das Stadion heißt noch heute Centenario.

Der 100 Jahre alte Francisco Varallo stand im ersten WM-Finale überhaupt - und verlor. (Foto: ag.rtr)

Die vier europäischen Mannschaften unter den 13 Teilnehmern waren mit Dampfschiffen angereist, die Endspielgegner kamen vom Rio de la Plata. Über dem breiten Fluss lag der Nebel des südamerikanischen Winters. In der zugigen Arena erlebten 80000 Zuschauer, wie die Gastgeber 4:2 gegen Argentinien gewannen. "Ich sah, wie die Uruguayer ihre Trikots küssten", erzählte Francisco Varallo kürzlich, fast acht Jahrzehnte danach. "Es war wahrscheinlich der traurigste Moment meines Lebens." Der Argentinier Varallo hatte mitgespielt. Und verloren.

Geschubst und getroffen

Alle anderen 21 Teilnehmer der Partie, Sieger wie Verlierer, sind inzwischen gestorben, die meisten schon seit langem. Varallo aber lebt an seinem Geburtsort La Plata, 60 Kilometer südöstlich von Buenos Aires. Am 5. Februar wurde der Argentinier 100 Jahre alt. 1930 war er ein 20-jähriges Stürmertalent. Im Vorrundenspiel gegen Chile verletzte er sich und verpasste das Halbfinale gegen die USA. Die 90 Minuten im Finale hielt er mit Schmerzen durch. Auswechseln durfte man seinerzeit nicht.

Zur Pause führte Argentinien, beim 2:1 hatte ihn Sturmpartner und Torschützenkönig Guillermo Stabile aus dem Weg geschubst und selbst geschossen. In der zweiten Halbzeit zog Uruguay davon. Varallo traf die Latte und brach nach dem Schlusspfiff in Tränen aus. "Bis heute bin ich nicht darüber hinweggekommen," sagt er.

Die kleine Kanone

Eine schöne Fußballerkarriere wurde es trotzdem. Begonnen hatte Francisco alias Pancho Varallo im Klub 12 de Octubre in seinem Heimatviertel Los Hornos. Danach sammelte er Titel mit Gimnasia La Plata und Boca Juniors Buenos Aires. Gimnasia wurde viel später der Lieblingsverein der aktuellen Staatspräsidentin Cristina Fernández de Kirchner, die ebenfalls aus La Plata stammt. Im italienischen Immigrantenviertel La Boca am Hafen dribbelte sich 50 Jahre nach ihm Diego Maradona zum Weltstar.

Varallo gelangen in 210 Einsätzen für Argentiniens populärste Mannschaft 181 Tore, man nannte ihn Cañoncito, kleine Kanone. Die Bestmarke übertraf erst 2009 der Nationalspieler Martín Palermo, er traf noch öfter für Boca und gerade auch bei der WM in Südafrika. Varallo mag Palermo, aber er fand es "gar nicht lustig, dass er mir meine Bestmarke weggenommen hat". Für die WM 1934 wurde er nicht nominiert, 1938 qualifizierte sich Argentinien nicht. 1939 zog Francisco Varallo die Stiefel aus, mit 29 Jahren, die Knie taten weh.

Er wurde Sportlehrer, vertrat eine Likörfirma und führte einen Kiosk für Lotto und Toto. Zum 100. Geburtstag gab es Glückwünsche von der Fifa und eine Gala im städtischen Theater von La Plata, wo der Jubilar Ehrenbürger ist. Reporter hält ihm seine Familie vom Leib, auch bei dieser WM. Der letzte Finalist ist zu alt. Sein größter Wunsch wurde ihm erfüllt: ein Urenkel. Argentinien braucht sich um seinen Stürmernachwuchs keine Sorgen zu machen. Peter Burghardt

© SZ vom 10.07.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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