Es sei ein psychisches Problem gewesen, sagte Marcello Lippi in seiner letzten und schlimmsten Stunde als italienischer Nationaltrainer. Und das sei einzig und allein seine Schuld. Keine Ausreden, keine Vorwürfe, schon gar keine Tränen. General Lippi verließ im Gegensatz zu seinem französischen Kollegen Raymond Domenech würdig das Feld - wie es sich gehört für den erfolgreichsten Trainer der Welt. Denn das bleibt Lippi und das ist vielleicht das Problem.
Der Trainer mit den meisten Trophäen hat das schlechteste WM-Turnier der Azzurri absolviert. Schon früher sind die Italiener nach der Vorrunde ausgeschieden, aber diesmal tun sie es als Letzte einer Gruppe, in der sie gegen wahrlich nicht überragende Gegner (Paraguay, Neuseeland, Slowakei) kein einziges Spiel gewinnen konnten.
Lippi war satt. Er hat sich auf seinen Lorbeeren ausgeruht, sein Ruhm hat ihn ziemlich präpotent gemacht, ein bisschen müde, leider aber immer noch nicht gelassen. Der Trainer vertraute auf das, was ihm die vielen Siege eingebracht hat: Das Kollektiv. Er wollte keine Unruhestifter, keine Diven, keine Exzentriker und ließ deshalb talentierte Spieler zu Hause. Mario Balotelli vor allen, das Enfant terribile von Inter Mailand mit unfassbar schlechten Manieren und einem noch unglaublicheren Torinstinkt.
Aber auch Francesco Totti, den Weltmeister vom AS Rom mit seinen genialischen Einfällen, und Antonio Cassano, den Kugelblitz von Sampdoria Genua. Diese Männer hatten in Lippis Mannschaft keinen Platz, weil sie nicht in sein Schema passen. Ein Schema, welches auch für die Gegner berechenbar war.
Die Spieler haben versucht, es ihrem General recht zu machen. Sie wirkten eingeschüchtert, nie selbstbewusst. Zudem stand die Squadra Azzurra unter einem absurden politischen Druck. Es ist kein Zufall, dass der italienische Minister für Vereinfachung nach dem WM-Aus höhnte, die Squadra sei "absolut lächerlich" gewesen. Der Leiter des wie von George Orwell erfundenen Ministeriums ist ein Politiker der Lega Nord, deren Führer Umberto Bossi vor dem Spiel gegen die Slowakei gelästert hatte, die Italiener hätten dieses Match "sowieso gekauft". Nun, die Squadra Azzurra hat ziemlich eindeutig das Gegenteil bewiesen.
Niemand hat ernsthaft erwartet, den 2006 in Berlin gewonnenen Titel zu verteidigen. Aber mit diesem Totalausfall hätte auch keiner gerechnet. Zu Hause wird die Generalabrechnung trotzdem ausbleiben. Ganz ehrlich: Italien hat wirklich andere Probleme.