Ski alpin, Biathlon und Rodeln:Zu viel Schnee für Wintersport

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Rund 100 Helfer kämpfen derzeit um den Weltcup in Ruhpolding. (Foto: dpa)
  • In Österreich und Süddeutschland kämpfen auch die Wintersportler und Veranstalter der Weltcups mit den Schneemassen.
  • In Ruhpolding muss die Eröffnungsfeier und der Auftakt-Sprint des Biathlon-Weltcups abgesagt werden.
  • In St. Anton schieben die Helfer tonnenweise Schnee von der Piste und verlieren den Weltcup trotzdem.

Von Sina Götz

Vergangene Woche hat das Landratsamt im Landkreis Traunstein den Katastrophenfall ausgerufen. Und das bekommen die Menschen zu spüren. "Noch sind wir nicht eingeschneit", erklärt Engelbert Schweiger. Immerhin ans Festnetztelefon hat er es noch geschafft, um vom großen Wintereinbruch in Ruhpolding zu erzählen. Er ist als Generalsekretär des Weltcup-Organisationskomitees und Stadionleiter der Chiemgau Arena für die Biathlon-Rennen ab diesem Mittwoch verantwortlich. Im Gegensatz zu vielen anderen in den derzeitigen Krisengebieten in den Alpen ist er trotz der Schneemassen an seine Arbeitsstätte in die Arena gefahren. Seit Tagen schneit es in der Region fast ununterbrochen.

"So haben wir das noch nicht gehabt", erzählt Schweiger in anpackendem Oberbairisch, als er über die Schneemassen spricht. Aus Angst, dass ihr Weltcup abgesagt werden muss, starteten er und seine Mitveranstalter einen Aufruf auf Facebook und suchten nach Helfern, die das Stadion freischaufeln.

Biathlon
:"Eine Schande"

Die deutschen Biathleten erleben einen guten Samstag in Oberhof, Arnd Peiffer schafft es sogar aufs Podium. Aber Gesprächsthema Nummer eins bleibt der umstrittene Russe Alexander Loginow.

Auch Franziska Preuß teilte den Beitrag auf Facebook. Die deutsche Biathletin lebt und trainiert in Ruhpolding, sie kennt die Gegebenheiten, auch wenn sie das Wochenende noch beim Rennen in Oberhof verbrachte. Am Sonntag lächelte sie nach der letzten Weltcupfahrt in Thüringen gequält in die Kamera des ZDF. Gerade hatte sie den ersehnten Sprung mit der Frauen-Staffel aufs Podest geschafft. Im strömenden Regen. Für sie ging es noch am Abend nach Ruhpolding in die Heimat. "Ich bin jetzt gespannt, was uns noch erwartet und wie viel Schnee wir noch vor unserer Haustür schippen müssen", erklärte sie.

In Ruhpolding schippen mehr als 100 Helfer gegen die Schneemassen an

Dass dieser Tage ganze Landstriche im Schnee verschwinden, bereitet nicht nur Preuß Sorgen. Auch andere Wintersportarten erleben das, was man eigentlich kaum für möglich hält: zu viel Winter für Wintersport. Über all diesen Kapriolen steht natürlich: der Klimawandel. Weil sich das Wetter immer extremer präsentiert, müssen Sportler und Veranstalter mittlerweile mit schwierigen Bedingungen klarkommen. Man hat sich daran gewöhnt, auf Kunstschneepisten zu fahren. Aber kann man sich auch daran gewöhnen, in metertiefen weißen Schneisen Leistungssport zu treiben?

In Ruhpolding schippen mehr als 100 Helfer gegen die Schneemassen in der Chiemgau Arena an. 50 davon sind Freiwillige. Sie befreien die Tribünen mit Schneeschaufeln und umfunktionierten Laubbläsern von der schweren Last, fräsen die Wege frei und transportieren den Schnee mit Radladern ab. Die Loipe dagegen bringen erfahrene Streckenarbeiter in Schuss. "Viel wichtiger sind die Container, Tribünen und vor allem die freien Flächen, die das Fernsehen und die Verkaufsstände benötigen", erklärt Schweiger. Auch die Dächer müssen freigeschippt werden - hier wiegt der Schnee besonders schwer, es droht Einsturzgefahr. Doch es schneit immer weiter. Die Eröffnungsfeier am Dienstag musste Schweiger bereits absagen, auch den ersten Renntag am Mittwoch. "Die Sicherheit der Menschen steht an erster Stelle", so ein Sprecher. Die Helfer schippen weiter.

Beim Ski-Weltcup in St. Anton in Tirol kippte der Weltverband höchstselbst das Event mitsamt Abfahrt und Super-G der Frauen. Die Lawinengefahr sei zu hoch, ein reguläres Rennen kaum denkbar. Der Österreichische Skiverband ließ verlauten, dass die Sicherheit für die Pistenarbeiter nicht mehr gewährleistet werden könne. Rund drei Meter Schnee waren in den vergangenen Tagen gefallen, man entfernte 120 000 Kubikmeter der belastenden Masse aus der eisig präparierten Rennstrecke, denn: Auf Tiefschnee lässts sich kein Speedrennen abhalten. Das schwierige an der Pistenpräparation: Der Schnee ist feucht und wird immer schwerer. Nasser Neuschnee kann bis zu 200 Kilogramm pro Kubikmeter wiegen. Das entspräche rund 4000 männlichen afrikanischen Elefanten, die von der Kandahar getrieben worden wären.

In St. Anton kennen die Organisatoren die Extremauswüchse des Wetters - in beide Richtungen. Bereits vor drei Jahren musste der Weltcup abgesagt werden. Damals aber aufgrund von Schneemangel. Heute ist es der akute Wintereinbruch. Ersatzort für die ausgefallene Abfahrt in Tirol ist nun nächste Woche Cortina d'Ampezzo. Dort, auf der Südseite der Alpen herrschen wiederum andere Probleme: Nur fünf Zentimeter liegen im Tal. So ist der Wintersport den Launen der Natur ausgeliefert - und die bietet schlicht immer unberechenbarere Konditionen.

Auch die Rennrodler haben ihre Probleme mit dem Wintereinbruch. Der deutsche Rodler Johannes Ludwig stellte nach dem Weltcup am Königssee resigniert fest: "Auf nassem Schnee rodelt es sich eben nicht schnell." Den Heimweltcup prägten immer wieder Pausen während des Wettkampfes, in denen Helfer den Schnee aus der Bahn kehrten. "Eigentlich hätte man es heute ganz bleiben lassen müssen", sagte Felix Loch nach dem Rennen, das durch die Startnummern entschieden wurde. Aufgrund des starken Schneefalls geriet alles zum Glücksspiel, ungleiche Wettfahrten waren die Folge.

Dass der Klimawandel phasenweise nicht nur für zu wenig, sondern auch für zu viel Schnee zuständig ist, bestätigt auch der Klimaforscher Peter Hoffmann. "Die Atmosphäre ist wärmer geworden, deshalb gibt es mehr Feuchtigkeit", sagt er. Derzeit gebe es eine massive Nord-Windströmung, die das Potenzial hat, große Mengen Feuchtigkeit zu transportieren.

In den vergangenen Jahren führte der Klimawandel immer öfter dazu, dass die Weltcupveranstalter und Wintersportler auf künstliche Hilfen im Kampf um Schnee zurückgriffen. Aus Veranstaltersicht ist der Schneemangel mittlerweile sogar einfacher zu handhaben. "Da können wir Kunstschnee machen und besser planen", erklärt der Ruhpoldinger Stadionleiter Schweiger. Aber jetzt müssen er und sein Team erst einmal eine andere Situation meistern: Am Montag fielen erneut 13 Zentimeter Neuschnee. So viel, dass alle Helfer im Einsatz sind.

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