Wimbledon:Dem Virus zum Trotz

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Tennisprofi Alexander Zverev hat gelernt, in langen Matches Widerstände zu überwinden. Sein Zweitrundenspiel geht sogar über zwei Tage - und trotzdem steht er in Runde drei.

Von Gerald Kleffmann, Wimbledon

Die Tage vor Wimbledon begannen für Alexander Zverev nicht gut. Das lag auch an Marcelo Melo, seinem Profikumpel aus Brasilien. Der ärgert ihn, wo er kann, die beiden zocken viel bei verschiedenen Spielchen, etwa wenn sie versuchen, aus Escape Rooms zu entkommen. Als die deutsche Fußballmannschaft in Russland ausschied, schickte Melo, der im Doppel seine Stärken hat, Zverev ein Filmchen. Zu sehen war, wie brasilianische Minions, diese komischen Figuren, vor deutschen Minions tanzen. "Ich habe mit ihm drei, vier Tage nicht geredet", scherzte Zverev. Schwerwiegender indes war seine Verletzung im linken Oberschenkel, erlitten beim Viertelfinal-Aus in Paris. Doch sein mehr als vier Zentimeter langer Muskelriss, wie er vor seinem Erstrunden-Aus in Halle dann informierte, heilte schnell. Wie in neun Tagen gelang, was normalerweise vier Wochen benötigt, verriet er nicht, aber die Hauptsache war ja für ihn: Er war fit. "Ich bin bereit", sagte er, als das Grand-Slam-Turnier in England begann. Deutschlands bester Profi sollte mindestens schon mal in den ersten beiden Einsätzen recht behalten.

Den Australier James Duckworth bezwang er in drei Sätzen, das war einer dieser so mühelos wirkenden Erfolge, mit denen oft die hoch gesetzten Profis starten; Zverev wurde in Wimbledon an Nummer vier platziert. Verzwickter gestaltete sich bereits das nächste Duell mit Taylor Fritz, denn plötzlich befand sich Zverev am Donnerstagabend auf dem Court No.1, dem zweitgrößten Stadion, in einer Art Escape Room, nur mit Tennisschläger in der Hand: Diesmal war er zwar nicht eingesperrt, aber als die Partie wegen Dunkelheit abgebrochen wurde, lag er 6:4, 5:7, 6:7 (0) und 1:2 Sätzen zurück. Wie würde er aus dieser Situation herauskommen? Und damit war er gleich nach den French Open, als er zweimal einen 0:2-Satzrückstand aufgeholt und sein erhofftes erstes Viertelfinale bei einem der vier größten Turniere erreicht hatte, auch wieder bei seinem überlagernden Grand-Slam-Thema angelangt: Wie quält man sich durch Matches über drei Gewinnsätze, in denen es viele kritische Momente gibt und lange nicht sicher ist, dass man am Ende ohne Schaden davonkommt? Das ist wie bei der Urlaubsreise. Je länger man auf der Autobahn fährt, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es mal stockt.

Alexander Zverev, der in der Fortsetzung seines Zweitrunden-Matches den US-Amerikaner Taylor Fritz bezwang, trifft am Samstag auf den Letten Ernests Gulbis. (Foto: Tim Ireland/dpa)

Manchmal hilft Können, manchmal Schicksal, in Zverevs Fall: war es eine Mischung aus beidem, die ihn in die dritte Runde brachte, in der er auf den lettischen Cowboy Ernests Gulbis trifft, der sich nach einer seiner typischen lebensfrohen Phasen doch wieder dazu entschied, seinen Beruf ernsthafter auszuüben und prompt vorankommt. Der Abbruch half Zverev, denn Fritz, 20, eines der größten amerikanischen Talente, bereits junger Vater und aus einer vermögenden Unternehmerfamilie stammend, spielte teils so gut wie früher sein Vorbild Pete Sampras. Dieses Niveau konnte Fritz am Freitag nur nicht halten, und dass Zverev sofort eine dominantere Präsenz zeigte, überforderte ihn zusätzlich. Nur 62 Minuten benötigte der Deutsche aus der russischen Tennisfamilie, um die letzten Sätze 6:1, 6:2 zu gewinnen. "Ich hoffe, dass ich noch einige Matches gewinnen kann", sagte Zverev.

Es ist erstaunlich, mit welcher Selbstverständlichkeit er solche Worte spricht, kurz nachdem er sich aus einer bedrohlichen Lage gewunden hatte. Zverev traut sich jedenfalls einiges zu. "Ich habe immer gesagt, dass der Belag für mich nicht so eine große Rolle spielt", sagte er, "ich kann mich gut anpassen." So wollte er mehr den Slice einsetzen, das hatte er getan. Bis zum Abbruch. Bei der Fortsetzung agierte er mit mehr Topspin auf der Rückhand. Zverev findet erkennbar besser Lösungen in Grand-Slam-Partien, er hat sich entwickelt. Auch wenn er nun davon profitierte, dass er seine Schwächen über Nacht analysieren konnte seinem Vater Alexander, der ihn trainiert. Wobei er mit zwei Handicaps am Vorabend zu kämpfen hatte. Er hätte sich aufgrund eines Magenvirus' nach dem zweiten Satz übergeben, als er kurz auf der Toilette war, verriet er. Und es sei für ihn zu dunkel gewesen im Court 1, in den tatsächlich aufgrund der langen Dachform wenig Lichteinfall herrscht.

Ohne belastende Begleiterscheinungen beendete Philipp Kohlschreiber seine Teilnahme, beim 3:6, 5:7, 5:7 gegen Kevin Anderson scheiterte er an der Aufschlagstärke des Südafrikaners. Chancenlos war Jan-Lennard Struff, der gegen den achtmaligen Champion Roger Federer 3:6, 5:7, 2:6 verlor. Immerhin durfte er auf dem Centre Court spielen.

© SZ vom 07.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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