Wettskandal im Fußball:Aufs eigene Tor

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Das Teilgeständnis von Marcel Schuon rückt den VfL Osnabrück ins Zentrum des Wettskandals. Vielleicht ist der Klub sogar durch Schiebereien abgestiegen.

Moritz Kielbassa und Jörg Marwedel

Am liebsten würde Lothar Gans gar nichts sagen zu all den entsetzlichen Neuigkeiten im Wettskandal. Doch am Dienstag war für den Sportdirektor des VfL Osnabrück ein finsterer Punkt erreicht, an dem Schweigen unmöglich war. Seit Marcel Schuon, der ehemalige Profi des VfL, bei der Staatsanwaltschaft Bochum eingeräumt hat, mit einer niedersächsischen Zockerbande zumindest Verabredungen über Manipulationen im Zweitliga-Abstiegskampf 2009 getroffen zu haben - seither können sie in Osnabrück das düstere Thema nicht mehr als wilde Spekulation abtun.

"Erschütternd und enttäuschend": Der einstige Osnabrücker Profi Marcel Schuon hat ein Teilgeständnis abgelegt. (Foto: Foto: dpa)

"Erschütternd und enttäuschend", sagt Gans, sei das Teilgeständnis Schuons, dessen aktueller Arbeitgeber, der Drittligist SV Sandhausen, am Montag die Trennung vom Spieler vollzog. Sollte sich der Verdacht erhärten, dass Osnabrück durch Schiebereien die Zulassung zur zweiten Liga verlor, wäre das ein einmaliger Vorgang im deutschen Fußball und der Schaden immens: "Durch den Abstieg haben wir fünf Millionen Euro weniger Etat", sagt Gans, "wir mussten Mitarbeiter entlassen".

Immenser Schaden

Der Verein hat inzwischen Akteneinsicht bei den Bochumer Ermittlern beantragt, "dann wissen wir mehr", hofft der Manager. Präsident Dirk Rasch droht bereits mit juristischen Schritten, falls Manipulationen bewiesen werden. Gans beziffert die finanziellen Einbußen in der dritten Liga wie folgt: 3,2 Millionen Euro weniger Fernsehgeld, etwa 4000 Zuschauer weniger im Schnitt pro Spiel, dazu reduzierte Bezüge vieler Sponsoren. Sollte Osnabrück, aktuell Tabellenvierter, den Wiederaufstieg verpassen, würden sich die Verluste vermehren - abgesehen vom unmessbaren "Imageschaden", den Gans beklagt - zumal er ungerechterweise die neu formierte Mannschaft träfe, die zuletzt im DFB-Pokal für Furore sorgte. "Wir sind Opfer und nicht Täter", sagt Gans, diese Feststellung ist ihm wichtig.

Dass es in den eigenen Reihen mindestens einen Täter gab, steht fest. Und sollten weitere Beweise an Land gespült werden, wäre Osnabrück das Zentrum des größten Skandals im deutschen Fußball seit der Hoyzer-Affäre. Noch, betont Gans, sei "alles Spekulation". Andererseits wird dem Manager flau, wenn er sich an Szenen jener Partien im Frühjahr erinnert, die von den Ermittlern beleuchtet werden. "Schauen sie sich die Spiele doch mal an", rät er. Auch der damalige Trainer, Claus-Dieter Wollitz, der nach dem Abstieg nach Cottbus ging, gab sich nach Schuons Geständnis schockiert: "Das reißt mir glatt die Füße weg. Wir hatten uns was aufgebaut beim VfL, wir hätten noch viel erreichen können. Es tut weh, diese schrecklichen Dinge zu hören."

In Abhängigkeiten vertrickt

Schuon hat sich laut seines Anwalts Siegfried Kauder der "Verbrechensabrede" schuldig gemacht. Er soll ausgesagt haben, durch Kontakte zu Wettbetrügern in Abhängigkeiten verstrickt worden zu sein. Um Wettschulden erlassen zu bekommen, sollte er vor den Spielen beim FCAugsburg (0:3) und 1.FC Nürnberg (0:2) dafür Sorgen tragen, dass der VfL mit drei Toren Unterschied verliert. Laut Kauder sei es aber zu keinen konkreten Manipulationen gekommen. Das Ergebnis in Augsburg, das den Zockern aus Niedersachsen in Asien einen Gewinn von 293.500 Euro erbracht haben soll (Fallakte 2.1 der Staatsanwaltschaft), sei "Zufall" gewesen, Schuon habe auf dem Rasen "gemerkt, dass ein Mittelfeldspieler allein nicht manipulieren" könne - ein Verteidigungsargument, das, rein vom sportlichen Inhalt her, fragwürdig ist.

Auch Wollitz wertet den Fall drastischer: "Ich glaube, dass Schuon in Augsburg sogar einmal aufs eigene Tor schoss. Der hatte den Kopf nicht frei in so einem wichtigen Spiel. Allein das ist ausreichend. Es gibt nichts Schlimmeres." Beim 0:2 in Nürnberg, sagt Schuons Anwalt, sei das gewünschte Ergebnis nicht eingetreten, die Bochumer Ermittler untersuchen aber auch diese Partie, ebenso wie die Auswärtsspiele in Wehen (1:0) und Duisburg (1:4). Schuon wirkte in diesen Partien nur einmal, in Augsburg, 90 Minuten mit, zweimal wurde er spät eingewechselt. In Duisburg fehlte er, weil er im vorletzten Saisonspiel in Ahlen (2:2) durch haarsträubende Fehler beide Gegentore verschuldet hatte. Das Fatale ist: Viele Geschehnisse erscheinen jetzt in einem fahlen Licht, auch ein Elfmeter, den Routinier Thomas Cichon im Relegationsspiel gegen Paderborn verschoss, das aber kein Gegenstand von Untersuchungen ist.

Laut Fallakten aus Bochum besteht der Verdacht, dass auch die VfL-Profis Cichon (der finanzielle Probleme hatte) und Thomas Reichenberger vor Spielen im Abstiegskampf von der Zockerbande Geld erhalten haben. Beide waren Führungsspieler und langjährige Weggefährten von Wollitz, beide dementieren die Vorwürfe. Reichenberger gab den Fans im Stadion eine Ehrenerklärung ab, Gans findet die Anschuldigungen gegen ihn "eine Frechheit".

© SZ vom 02.12.2009/jbe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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