Werder Bremen:Brüllen und brodeln

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Der Erfolgsgarant muss weichen: Bremens Torjäger Niclas Füllkrug wird noch vor der Pause angeschlagen ausgewechselt. (Foto: Martin Rose/Getty Images)

Nach Corona-Aufregungen vor dem Spiel erarbeitet sich Werder gegen Hoffenheim den nächsten Punkt in der Liga.

Von Thomas Hürner, Bremen

Sobald der Anpfiff eines Bundesligaspiels erfolgt, ist es bei Florian Kohfeldt schnell vorbei mit jedwedem Anflug von Lockerheit. Auch am Sonntagabend erinnerte der Trainer des SV Werder Bremen eher an einen brodelnden Vulkan als an einen Zen-Meister. "Vorwärts, vorwärts!", brüllte Kohfeldt in der 5. Minute durchs fast menschenleere Weserstadion, und bei seinen Spielern schien die Botschaft anzukommen. Werder schaltete blitzschnell um, auf der rechten Seite wurde Theodor Gebre Selassie freigespielt, der im Zentrum Maximilian Eggestein fand. Der Ball titschte kurz auf, Eggestein ließ aus 14 Metern einen satten Linksschuss in rechte Eck ab. Der 1:0 Führung gegen die TSG Hoffenheim ging einer jener Angriffe voraus, wie sie Kohfeldts fußballerischer Geisteshaltung entsprechen: kompromisslos, zielstrebig nach vorne, in hohem Tempo, aus einer dichten defensiven Staffelung heraus.

Kohfeldt brüllte, brodelte und schimpfte immer weiter, was jedoch nicht gegen die Leistung seiner Spieler sprach. Dass es am Ende 1:1 stand, darf aus Werder-Sicht durchaus als Achtungserfolg gelten. Und unverdient war das nicht, da die Bremer Spieler ähnlich aufopferungsvoll agierten wie ihr Trainer an der Seitenlinie.

Ohnehin sind gerade besondere, harte Zeiten, und was bleibt den Menschen anderes übrig, als zumindest neben dem Platz eine gewisse Lockerheit zu wahren? Auf der Pressekonferenz vor der Partie hatte Kohfeldt noch lächelnd darüber berichtet, welch Vergnügen es ihm bereitetet hat, dass er sich am Donnerstag ausnahmsweise in die Küche stellen konnte und seiner Familie ein deftiges Bauernfrühstück zubereiten durfte. Dieses habe "hervorragend" geschmeckt, versicherte Kohfeldt - und auch die weitere Vorbereitung auf das Spiel gegen die TSG erforderte gewisse Improvisationskünste: Die Mannschaft hatte sich komplett in Isolation begeben, da am Mittwoch in Felix Agu der erste Corona-Fall des SV Werder bekannt geworden war.

Kohfeldt delegierte sein Team also erst mal aus dem Home-Office, bis eine neue Testreihe für den Rest des Werder-Kaders Entwarnung brachte: Kein weiterer Werder-Spieler hatte sich infiziert, der Spielbetrieb wie auch die Gesundheit aller Beteiligten an der Weser war sichergestellt.

Kohfeldt hatte daraufhin betont, dass die suboptimale Vorbereitung keinesfalls als Ausrede gelten dürfe, zumal seinen Trainerkollegen Sebastian Hoeneß ja ähnliche Sorgen umtreiben: Bei der TSG verblieben auch dieses Mal Kasim Adams und der in dieser Saison bislang herausragende Angreifer Andrej Kramaric in Quarantäne, nachdem sie schon am vergangenen Spieltag aufgrund positiver Coronatests ausgefallen waren. Ebenso wenig dabei war der Verteidiger Pavel Kaderabek, weil er Kontakt zu einem Infizierten hatte - die Quarantäne von Bremens Thahith Chong hingegen, der sich zuletzt ein Doppelzimmer mit Agu geteilt hatte, wurde vom örtlichen Gesundheitsamt wieder aufgehoben.

Das Spiel jedenfalls war durchaus aufregend: Eine Dreierkette in der Werder-Abwehr, bestehend aus Milos Velikovic, Niklas Moisander und Marco Friedl, verdichtete das Spielfeld rigoros, nach Balleroberungen ging es schnurstracks mutig Richtung gegnerisches Tor. Dass die Bremer in der ersten Hälfte eine engagierte Leistung darboten, ließ sich auch an einigen Statistiken ablesen: Werder wies größere Laufleistung und eine höhere Ballbesitzquote aus.

Das wurde prompt mit dem Führungstreffer durch Eggestein belohnt, doch die favorisierten, streckenweise aber etwas inspirationslosen Hoffenheimer trafen in der 22. Minute trotzdem zum Ausgleich: Werder war in der Defensive unsortiert, über Umwege kam ein Pass von Sebastian Rudy zu TSG-Mittelfeldmann Dennis Geiger, der wuchtig unter die Querlatte traf.

Wenig erfreulich war für Kohfeldt dann auch, dass Stürmer Niclas Füllkrug, der erst vor wenigen Wochen von einer schweren Knieverletzung zurückgekehrt war, in der 37. Minute in Richtung Seitenlinie humpelte und ausgewechselt werden musste. Werder fehlte jetzt der Zielspieler im Sturmzentrum, weshalb es von nun an etwas an Stringenz in den Offensivbemühungen mangelte. Dennoch war die zweite Hälfte quasi ein Ebenbild der ersten. Hoffenheim hatte zwar jetzt Feldvorteile, wurde in der zunehmend hitzigen Partie aber selten richtig gefährlich. Und Kohfeldt tat sich kurz vor Schluss doch noch als Zen-Meister hervor: Er ging lässig zur Hoffenheimer Bank und beruhigte den wild protestierenden Hoeneß.

© SZ vom 26.10.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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