Weltranglistenerster bei der Tennis-WM:Nadals Sieg über sich selbst

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Beendet das Tennisjahr zum dritten Mal als Nummer eins der Welt: Rafael Nadal (Foto: REUTERS)

Sieben Monate war Rafael Nadal verletzt und hatte große Zweifel, ob er jemals wieder auf die Profi-Tour zurückkehren würde. Dann spielt der Spanier, als sei er nie weg gewesen. Das Geheimnis? Nadal hat gelernt, seinem eigenen Körper zu gehorchen.

Von Matthias Schmid

Sobald Rafael Nadal bei Pressekonferenzen spanisch sprechen darf, ist er ein anderer Mensch. Er lächelt dann viel, gestikuliert und wenn er auf die Fragen der Journalisten antwortet, redet er so lange und ausführlich, dass seine englischen Ausführungen einem vorkommen müssen wie Überschriften langweiliger Regierungserklärungen. Dem 27-jährigen Spanier mag vielleicht die weltmännische Gelassenheit eines Roger Federers fehlen, auch die spitzbübische Frechheit eines Novak Djokovic'. Aber man kann Nadal nicht vorwerfen, dass er nicht zum Entertainer taugt. Er ist authentisch - und der beste Tennisspieler der Welt.

Nachdem in dieser Saison der ATP-Computer seine bemerkenswerten Leistungen lange Zeit nicht honorieren wollte, steht seit dem Gruppensieg am Mittwoch beim Saisonfinale in London gegen den Schweizer Stanislav Wawrinka fest: Rafael Nadal wird zum dritten Mal in seiner Karriere nach 2008 und 2010 das Tennisjahr als Klassenbester abschließen. Und es gibt niemand, der ihm diese Leistung nicht gönnen würde. "Nadal hat fast alles gewonnen, was er gespielt hat. Deshalb hat er es verdient, der Beste zu sein", sagt der Weltranglistenzweite Djokovic.

Es ist in der Tat erstaunlich, wie stark und vor allem weitgehend beschwerdefrei Nadal auf die Profi-Tour in diesem Jahr zurückkehrt ist. Sieben Monate hatte er wegen chronischen Knieschmerzen pausieren müssen. Er hatte es immer wieder probiert, Tennis zu spielen. Zunächst vergeblich. Jeder Schritt, jeder Schlag war eine Qual. Die Probleme waren zu gravierend. "Jeden Morgen zu versuchen, ob es dir besser geht und festzustellen, dass das nicht der Fall ist - das ist kein schönes Gefühl", sagt Nadal über seine Leidenszeit.

Tennis-WM in London
:Rafael Nadal erreicht Halbfinale

Das Match gegen Stanislas Wawrinka wird zum Krimi, doch Rafael Nadal erreicht als erster Spieler das Halbfinale der Tennis-WM in London. Damit bleibt der Spanier auch bis zum Jahresende die Nummer eins der Welt. Thomas Berdych wahrt seine Chance auf die Runde der letzten Vier.

Er hatte sich während der langen Pause vom schnelllebigen Profibetrieb weit entfernt. Es gab nicht wenige, die sein Karrierenede voraussagten. Nadal ist ein Spieler, der sehr kraftraubendes Tennis spielt, mit viel Wucht und hoher Intensität. Seine Grundschläge mit dem extremen Vorwärtsdrall sind ohne entsprechender Fitness und Beweglichkeit nicht möglich.

Nadal hat in der tennislosen Zeit sehr mit sich gehadert, es ist ihm schwer gefallen zu akzeptieren, dass seine härtesten Gegner nicht mehr Federer, Murray oder Djokovic, sondern sein Körper waren. "Zweifel", sagt der Linkshänder, "sind Teil des Lebens. Wer nicht zweifelt, ist entweder arrogant oder dumm."

Falls er sich ernsthaft damit beschäftigt haben sollte, die Profi-Tour zu verlassen, hatte er das zumindest gut versteckt, als er im Februar dieses Jahres wieder begann, bei den Turnieren mitzuwirken. Er spielte so, als habe es die lange Verletzungspause nicht gegeben. Er gewann in der Folge nicht nur die Grand-Slam-Turniere in Paris und New York, er gewann fast alle Partien, die er bestritt: 73 von 79 Matches. Sogar auf dem Bodenbelag, auf dem er sich am wenigsten wohlfühlt: auf Hartplatz. Dort holte er vier seiner zehn Turniersiege. Es war erst Djokovic, der Nadals Siegesserie von 17 Spielen ohne Niederlage in Peking vor ein paar Wochen beendete.

Rafael Nadal wäre nicht Rafael Nadal, wenn er über sein herausragendes Jahr viele Worte verlieren würde. "Ich bin glücklich wieder da zu sein", sagt er in London beim Zusammentreffen der besten acht Spieler der Saison. Was klingt, als sei es einfach so dahingesagt, ist mehr als die übliche Floskel. Er ist einfach nur froh darüber, wieder das tun zu können, was er am besten kann: Tennis spielen.

Karriere von Rafael Nadal
:Kraftpaket mit Knieproblemen

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Ob er dabei das Jahr als Weltranglistenerster beendet oder vielleicht zum ersten Mal das Abschlussturnier für sich entscheiden kann, scheint ihn nicht mehr groß zu interessieren. "Die Nummer eins zu sein, ist für mich kein Ziel mehr. Es war für mich 2008 ein Ziel, als ich begann, überall zu gewinnen", sagt der Spanier: "Heute will ich nur noch gesund und konkurrenzfähig sein."

Um das zu erreichen will er künftig schonender mit seinem Körper umgehen, ihm längere Ruhephasen gönnen. Er will noch längere Zeit um den Globus tingeln und Tennis spielen. Ziele? Ziele hat der 13-malige Grand-Slam-Turniersieger natürlich auch noch. "Die Olympischen Spiele in Brasilien sind in meinem Kopf", sagt Nadal. Die sind im Jahre 2016.

So lange soll sein anfälliger Körper also durchalten. Der Kopf war ja noch nie das Problem von Rafael Nadal - und den größten Sieg seiner Karriere hat er schon errungen, den über sich selbst nämlich.

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