Es wäre alles so einfach. Wer Weltfußballer werden will, muss durch faszinierendes Können glänzen. Schöne Tore, idealerweise reihenweise davon. Dutzende Vorlagen, die den Wert fürs eigene Team unterstreichen. Oder eben Paraden, die Punkte und Siege retten. Ginge es rein nach diesen Kriterien, hätte Manuel Neuer bei der Wahl durchaus eine Chance gehabt. Er gewann mit den Bayern das Double und verhalf der DFB-Elf mit seinen Akionen und Feldspieler-Ausflügen zum Weltmeister-Titel. Trotzdem landete der deutsche Nationalkeeper hinter Cristiano Ronaldo und Lionel Messi auf Platz drei.
Nun stellt sich die Frage, wie die Entscheidung für den Besten der Besten überhaupt zustande kommt? Wen wählten die 528 stimmberechtigten Fußballer, Trainer und Journalisten? Und was für Auffälligkeiten ergeben sich beim Durchforsten der Wahllisten. Weil die Fifa zumindest in diesem Punkt eine transparente Organisation ist, hat sie den Ergebniskatalog hier veröffentlicht. So lässt sich etwa ablesen, dass der Kapitän der burundischen Nationalelf Ntibazonkiza Saidi heißt und dass dieser Mann für Ronaldo gestimmt hat. Und es gibt noch eine Menge anderer Informationen. (Wenn Sie die Daten selbst auswerten wollen, ein Dokument mit allen Rohdaten finden Sie hier.)
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- Torhüter schmähen Neuer
Die Stürmer dieser Welt haben Respekt vor Manuel Neuer. Wenn er sich vor ihnen aufbaut, zittern sie - ist ja auch ein Riesenkerl. Die Kollegen im Tor dagegen halten von Neuer offenbar nicht allzu viel. Kein wahlberechtigter Torwart wollte, dass Neuer geehrt wird. Spaniens Nummer eins Iker Casillas präferiert die Madrider Kumpels Ronaldo und Sergio Ramos. Beim französischen Keeper Hugo Lloris und dem Chilenen Claudio Bravo folgt Neuer erst auf Platz drei. Gianluigi Buffon aus Italien wiederum stimmte für Ronaldo, Messi - und Neuer. Dem Italiener ist immerhin zu Gute zu halten: Er lag goldrichtig mit seiner Wahl. Dass erstmals ein Spieler aus seiner Position Weltfußballer wird, verhinderte er trotzdem.
- St. Lucia verehrt Mario Götze
Mario Götze fiel der Welt 2014 eigentlich nur in einem Moment groß auf: Er schoss das deutsche Siegtor im Finale von Rio. Fünf Fifa-Wahlberechtigten imponierte er mit dieser Aktion derart, dass sie den kleinen Münchner prompt zum Weltfußballer wählten. Was dabei auffällt: Gleich drei Stimmen erhielt er aus St. Lucia, alle Wahlberechtigten des Karibikstaates stimmten für ihn. Ein nächster Korruptionsfall bei der Fifa? Oder werden auf St. Lucia mehr Götze-Trikots abgesetzt als an allen anderen Orten der Welt?
- Fußballer fürchten die Bayern-Spieler
Ein Blick durch die Listen verfestigt den Eindruck, dass Ronaldo in der Welt ganz schön beliebt sein muss. Der Freistoß-Cowboy aus Madeira ist nicht nur bekannten Kapitänen wie Englands Wayne Rooney ein Begriff, sondern auch Kirgistans Capitano Baimatov Azamat oder auch Macaos Spielführer Cheang Cheng Ieong Paulo. Die Spieler wählten den Portugiesen mit großem Abstand zum besten Spieler des Jahres - vor Messi und Neuer.
Die Wahl der Kapitäne zeigt aber auch, wie gefürchtet die Bayern-Spieler bei den Konkurrenten sind. Neben Neuer landeten auch Robben, Lahm und Müller unter den ersten Sechs.
- Trainer votieren verstärkt für Neuer
Thomas Müller als Weltfuballer? Aber sicher doch, wenn es nach den Trainern von Aruba oder Usbekistan geht. Auch der Franzose Paul Pogba und der Spanier Diego Costa finden auf den Plätzen zwei und drei erstaunlicherweise Erwähnung. Zudem findet Weißrusslands Nationaltrainer Javier Mascherano offenbar so gut, dass er den Mann aus Barcelona gerne als Weltfußballer gesehen hätte.
Die Nationaltrainer dieser Welt hielten auch Ronaldo für den Besten der Welt. Sie sortierten jedoch Neuer vor Messi ein. Schließlich weiß jeder Trainer, wie wichtig es ist einen guten Torhüter im Team zu haben. Auf einen Exzentriker wie Zlatan Ibrahimovic verzichten die Coaches jedoch offenbar gerne - sie wählten den Schweden nicht in die Top Ten.
- Lewandowski geht fremd
Matthias Sammer wird sich sicherlich mit mahnenden Worten an Robert Lewandowski gewandt haben. Denn die Fifa-Wahlliste zeigt: Der Bayern-Stürmer wählte keinen Teamkollegen zum Spieler des Jahres, sondern ausgerechnet den Neuer-Konkurrenten Ronaldo. Dass Neuer und Bastian Schweinsteiger seine zweite und dritte Option waren, wird Sammer nicht allzu sehr beruhigt haben. Andere Bayern-Spieler waren parteiischer als der Pole: Claudio Pizarro stimmte für seinen Torhüter. Der ehemalige Bayern-Profi Anatoli Timoschtschuk aus der Ukraine trug ebenso den Namen Neuer ganz oben ein. Dass es schon ein wenig länger her ist, dass Roque Santa Cruz in München angestellt war, wird an seiner Wahl deutlich. Er stimmte für Ronaldo. Immerhin gingen bei ihm die folgenden Plätze an Bayern-Spieler: Arjen Robben und Philipp Lahm. Übrigens: Lewandowski bereut seine Wahl inzwischen tatsächlich. "Ich würde heute ganz klar Neuer wählen", sagte er am Dienstag in einem Interview.
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Manuel Neuer kommt bei der Wahl zum Weltfußballer nur auf 15 Prozent Stimmenanteil. Wer sich die Stellenbeschreibung dieses Titels anschaut, muss zu dem Schluss kommen: Cristiano Ronaldo ist der falsche Sieger.
- Sich selber wählen geht nicht
Kein Spieler hat sich selbst zum Weltfußballer gewählt - das erlauben die Regeln nicht. Es dürfte Exzentrikern wie Zlatan Ibrahimovic jedoch ziemlich schwer gefallen sein, andere Namen als den eigenen bei der Fifa anzugeben. Juror Ibrahimovic lag mit seinen drei Finalkandidaten richtig, auch wenn er den kleinen Argentinier ganz vorne sah. Die erfahrenen Weltfußballer Messi und Ronaldo verhielten sich taktisch extrem klug bei der Wahl: Sie stimmten lieber für Teamkollegen anstatt für direkte Konkurrenten: Ronaldo entschied sich für drei Spieler von Real Madrid (Ramos, Bale, Benzema), Messi für Angel Di María (Argentinien), Andres Iniesta (FC Barcelona) und Mascherano.
- Südamerikaner lieben Schweinsteiger
Ob in Australien, Europa oder Südamerika - auf allen Kontinenten sind sich die Wahlberechtigten einig, dass Cristiano Ronaldo der beste Spieler der Welt ist. Die Daten entkräftigen damit das Argument: Neuer habe die Wahl nur verloren, weil so viele kleine Inselstaaten mitwählen durften, die nur die Weltmarken Ronaldo und Messi kennen. Denn auch in Europa war Neuer unterlegen. Unterschiede nach Kontinenten gibt es dennoch. So schafft es Neuer in Australien/Ozeanien, Europa und Nordamerika immerhin auf den zweiten Platz.
Bastian Schweinsteiger dürfte die Fifa-Wahl ziemlich zu denken geben: In Europa landete er nur auf dem 22. Rang - so schlecht schnitt er auf keinem anderen Kontinent ab. Die Südamerikaner haben den WM-Final-Helden dagegen besonders ins Herz geschlossen: Schweinsteiger ist für sie der achtbeste Spieler der Welt. Hinter James Rodriguez - aber sogar vor Neymar.
- Trainer lieben ihre eigenen Spieler
Nationaltrainer sind grundsätzlich von ihren Teams überzeugt, es sind schließlich die besten Spieler des Landes. Dass aber gleich acht Trainer finden, der beste Fußballer der Welt spiele in ihrer Mannschaft, überrascht dann doch. Bei den vier Topspielern Ronaldo (Portugal), Messi (Argentinien), Neuer und Robben (Niederlande) mag das ja noch in Ordnung gehen. Aber dass Neymar, James Rodriguez oder Gareth Bale von ihren jeweiligen Nationalcoaches zur Nummer eins bestimmt wurden, nunja.
Der argentinische Trainer Gerardo Martino und Löw waren übrigens die einzigen Trainer, die auf Nummer sicher gingen und gleich drei eigene Spieler nominierten. Martino wählte Messi, Di María und Mascherano. Löw fand, dass Neuer, Lahm und Schweinsteiger die drei besten Fußballer der Welt seien. Noch ein anderer Trainer entschied sich wie Löw für diese drei Spieler: Niko Kovac aus Kroatien. Der war früher Bayern-Spieler.
- Linktipps:
Wer wen wählte: Fifa-Wahlliste
Für diejenigen, die mit den Daten spielen wollen: Rohdaten als Excel-Dokument