Volleyball:"Man muss ja auch sehen, wo wir herkommen"

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Kein Durchkommen: Auch Herrschings Außenangreifer Jordi Ramon Ferragut findet kaum eine Lücke in Lüneburgs starkem Block. (Foto: Andreas Hannig/Lobeca/Imago)

Herrschings Volleyballer befinden sich nach Jahren des Aufschwungs in einer schwierigen Lage. Sportlich könnten sie beide Saisonziele verpassen, wirtschaftlich drückt ihnen der Zuschauerschwund durch die Pandemie ein hohes Minus in den Etat - Trainer Hauser bleibt dennoch optimistisch.

Von Sebastian Winter

Max Hauser war nicht sehr gut gelaunt am vergangenen Wochenende, jedenfalls klang seine Stimme ziemlich gedämpft, als er seine Einschätzung zur recht deutlichen 1:3-Niederlage der WWK Volleys Herrsching bei der SVG Lüneburg wie üblich per Sprachnachricht in die Medienlandschaft versandte. Und der Grund war keineswegs eine FFP-2-Maske, die seine Worte verschluckte. Es war ja ein so genanntes Sechs-Punkte-Spiel gewesen in der Volleyball-Bundesliga, ein Erfolg hätte die Oberbayern an den Niedersachsen vorbei auf Platz eins der Zwischenrunde gespült. Aber vor allem die Angriffe wollten nicht in der gegnerischen Feldhälfte landen. "Unsere Angriffsschwäche war sehr stark, wir haben über die Mitte wirklich desaströse Quoten gehabt", sagte Hauser.

So ein vernichtendes Urteil hat Herrschings Trainer länger nicht mehr über seine Spieler gefällt - allerdings entpuppt sich gerade die Mittelblocker-Achse um Luuc van der Ent und Dorde Ilic in dieser Saison als zu wenig durchsetzungsfähig, anders als noch in der vergangenen Spielzeit. "Einzig über Außen war es okay", sagte Hauser, womit er vor allem Jori Mantha meinte, den so sprunggewaltigen Kanadier mit den dicken Waden, der nach großen Startschwierigkeiten spät, aber noch rechtzeitig in Form gekommen ist.

Aber ein Mantha genügt eben nicht gegen eine Mannschaft, die immerhin ins Pokalfinale eingezogen ist; übrigens nach einem 3:2-Erfolg gegen Herrsching im Dezember.

Es läuft nicht so recht für die eigentlich so selbstbewussten Volleyballer vom Ammersee in dieser Saison, die sich ehrgeizige Ziele gesteckt hatten: Pokalfinale, Playoff-Halbfinale, das war ihre Ambition. Ersteres haben sie bereits verpasst, hauchdünn wie schon in der vergangenen Saison; an Letzteres glauben sie gerade womöglich selbst nicht so recht nach ihrer bisher durchwachsenen Spielzeit, mit lediglich fünf Siegen aus 15 Spielen in der corona-bedingt vorzeitig beendeten Hauptrunde. Auch wenn Hauser das naturgemäß anders sieht: "Wir haben schon eine Chance."

Die Mannschaft wirkt aber nicht so geschlossen wie in den vergangenen Jahren, Verletzungen bei den Außenangriffs-Säulen, Tim Peter und dem spanischen Sommer-Zugang Jordi Ramon Ferragut (Handwurzelknochenbruch), kamen hinzu. Und die Pandemie hinterlässt Spuren auch abseits des Feldes: Zu den Spielen im Münchner Audi Dome, wo die Herrschinger in dieser Saison ihr lang ersehntes zweites Zuhause einrichteten, kamen kaum einmal mehr als 1000 Zuschauer. Als im Winter wieder Geisterspiele angekündigt wurden, zog sich der Klub auch wegen des drohenden Minusgeschäfts wieder in seine alte, enge Nikolaushalle zurück. Aufbruchstimmung und ein Imagegewinn ließen sich so kaum erzeugen - finanzielle Polster ohnehin nicht.

"Wir sind heilfroh, dass wir überleben, uns gehen gewaltige Gelder verloren", sagt Trainer Hauser

Im Gegenteil: Das durch die fehlenden Zuschauereinnahmen angehäufte Minus nähert sich "einem sechsstelligen Betrag", wie Hauser es einschätzt, ohnehin sei sein Klub neben den Netzhoppers aus Königs Wusterhausen und Lüneburg "ganz hinten in der Liga", was das Budget angeht. "Es ist eine schwierige Saison, wir sind heilfroh, dass wir überleben, uns gehen gewaltige Gelder verloren", sagt Hauser, der sportlich gesehen keineswegs unzufrieden ist: "Man muss ja auch sehen, wo wir herkommen." Von ziemlich weit unten nämlich. Hätten Herrschings Verantwortliche jedenfalls vor zehn Jahren Gedanken an ein mögliches Pokalfinale verschwendet, man hätte sie für größenwahnsinnig gehalten.

Die Herrschinger hielten sich zwar schon damals für den "geilsten Club der Welt", spielten allerdings noch in der Bayernliga. Dann stiegen sie 2011 in die Regionalliga auf, direkt danach in die dritte Liga, am Ende der nächsten Saison in die zweite Liga - und direkt ins Oberhaus: Herrsching gelang mit einer verschworenen Mannschaft - inklusive des Spielertrainers Hauser - ein kleines Volleyball-Märchen: der Durchmarsch in die erste Liga. Und ihr Aufschwung ging dort seit dem Aufstieg 2014 weiter. Platz acht, sieben, sechs - in der vergangenen Spielzeit dann Platz vier. Herrsching hatte sich zum ernst zu nehmenden Verfolger der Großen Vier - Berlin, Friedrichshafen, Düren und Frankfurt - entwickelt.

Doch dann verließ Zuspieler Johannes Tille nach der vergangenen Saison den Klub in Richtung Frankreich, sein Nachfolger Luke Herr konnte bislang kein wirkliches Vertrauen zu manchen Angreifern fassen. Diagonalmann Samuel Jeanlys, als sprunggewaltiger Rohdiamant auf dieser Schlüsselposition eingekauft, wechselte gar vor der Zwischenrunde zurück in seine Heimat Frankreich. Ersetzt wurde er eher notdürftig durch Philipp Schumann, dem Hachinger, dessen Klub die Saison als Neunter und Letzter bereits beendet hat - was diesen Wechsel erst ermöglichte.

Nun sind die Herrschinger Gruppenzweiter hinter den enteilten Lüneburgern. Hausers Mannschaft versucht, diesen Platz zu verteidigen. Am Samstag (17.30 Uhr) steht sie in Giesen unter Druck, womöglich entscheidet erst das direkte Duell gegen Königs Wusterhausen am letzten Zwischenrunden-Spieltag am 27. Februar - im Audi Dome. "Es sieht so aus, als würde es dann ein kleines Finale geben", sagt Hauser. Doch wo führt dieses mögliche Zwischenrunden-Finale hin?

Das ist noch kaum absehbar, denn in der Gruppe der besten Vier ist Friedrichshafen momentan das Schlusslicht, wer hinter Berlin Zweiter wird, ist noch völlig offen. Herrsching könnte im Playoff-Viertelfinale im Überkreuz-Vergleich noch auf Frankfurt, Düren oder Friedrichshafen treffen. "Frankfurt wäre uns am liebsten", sagt Hauser. Er weiß zugleich, dass in dieser Saison die meisten seiner Wünsche unerfüllt geblieben sind.

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