Chiles Fußball hatte in den vergangenen Jahrzehnten etwas Schwierigkeiten, Standards zu setzen, abgesehen von der einen oder anderen bizarren Affäre. Unvergessen, wie sich die halbe Nationalmannschaft 2011 inklusive des vormaligen Leverkuseners und späteren FC-Bayern-Profis Arturo Vidal am Vorabend eines WM-Qualifikationsspiels die Lampen bei einer Tauffeier der Tochter von Spielmacher Jorge Valdivia ausschoss. "Ich schenke halt gut ein", sollte Jahre später Valdivias Frau entschuldigend einwerfen.
Oder wie Vidal während der Copa América 2015 einen fabrikneuen Ferrari nach einem zapfenstreichsprengenden Casinobesuch im Straßengraben versenkte. Offenbar glaubte Vidal, seine Strähne am Black-Jack-Tisch stehe in Zusammenhang mit dem Konsum eines Mischgetränks, das neben Bitter Lemon und Eiswürfeln auch gehörige Portionen Wodka enthielt.
Nun stieß Chiles Fußball jedenfalls in neue Dimensionen vor: in der Sparte "offizielle Spielerpräsentationen", aus Anlass der Rückkehr Vidals zum Stammklub Colo Colo.
Am Donnerstag füllte sich das Estadio Monumental in Santiago de Chile mit mehr als 30 000 Menschen, die bei 35 Grad im Schatten Schlange gestanden hatten. Die Wartezeit vertrieben sich ein paar Vidal-Fans mit Raufereien, dann war dafür keine Zeit mehr, denn es wurde eine große Show geboten.
Vidal, 36, kam im Helikopter eingeflogen und entstieg diesem im Mittelkreis in voller Fußballermontur. Selbst das war nur ein Präludium.
Vidals erster Trainer, Hugo González, hängte "Rey Arturo", König Artur also, ein Cape über die Schultern, dann wurden ihm ein Schwert gereicht und eine Krone aufgesetzt. Selbst das erfuhr eine Steigerung. Rennpferdeliebhaber Vidal stieg auf einen Vollblüter, ritt eine Ehrenrunde über den Rasen und winkte in die Menge. Sorgen um das Herz des Platzwarts sind übrigens vergebens, die vorerst letzte Meniskusverletzung erlitt Vidal im September ebendort, im Estadio Monumental, das ein veritabler Acker ist.
Dass Vidal bei seiner Rede ans Volk noch weinte und den Gewinn des Kontinentalwettbewerbs Copa Libertadores versprach, versteht sich von selbst. Offen blieb nur eine Frage: Was veranstaltet Colo Colo, wenn die nächste Personalie Realität werden sollte? Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Colo Colo es Chile, weiß der Volksmund, und das bedeutet: ziemlich verrückt.
