VfL Wolfsburg:Bekenntnis zum Kombinationsfußball

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Bleibt weiterhin im Amt: VfL-Coach Florian Kohfeldt (Foto: Sebastian Räppold / Matthias Koch/Imago)

Wolfsburgs Trainer Florian Kohfeldt kann mit dem 4:1-Sieg gegen Greuther Fürth seinen Job retten. Das verdankt er allerdings auch dem Reichtum seines Klubs.

Von Thomas Hürner, Wolfsburg

Dem Fußballtrainer Florian Kohfeldt wurden bereits viele Fähigkeiten nachgesagt. Er sei progressiv, heißt es, er sei überdies lernwillig und giere immer nach Erfolg. Ein talentierter Rhetoriker ist er sowieso, was in der Branche keineswegs von Nachteil sein dürfte. Was Kohfeldt, 39, aber auch ist: ein höchstens mäßig begabter Schauspieler, den sie wohl bei jedem Laientheater von der Bühne schicken würden, weil jede seiner Gefühlsregungen wie eine Flutwelle übers Ufer tritt.

Insofern war es erstaunlich, wie beherrscht der Coach des VfL Wolfsburg am Sonntagabend wirkte, als er sein jobbedingtes Pflichtprogramm absolvierte. Ein Lächeln hier, ein Lächeln da, am Ende der Interviewschleifen und der obligatorischen Pressekonferenz ergab sich der Eindruck, Kohfeldt habe die vergangenen Tage mit viel Achtsamkeitstraining und Meditation hinter sich gebracht. Dabei, so hatte es der VfL-Sportchef Jörg Schmadtke formuliert, wohnte der Heimpartie gegen die SpVgg Greuther Fürth ja der Charakter eines "Endspiels" inne, und das konnte in dieser sprachlichen Absolutheit eigentlich nur eines bedeuten: eine letzte Chance für Kohfeldt, seine Arbeitsstelle sowie sein angekratztes Image als verheißungsvolles Trainertalent zu retten.

Die Wolfsburger haben im Winter 20 Millionen Euro für neue Spieler ausgegeben

Dass die Mission glückte, mit einem in dieser Höhe schmeichelhaften 4:1-Sieg für die Wolfsburger, sei laut Kohfeldt für den VfL dann aber nur "ein wichtiger erster Schritt" gewesen - so klingen wohl nur Männer, die gerade einen Seiltanz über dem sportlichen Abgrund aufgeführt haben. Trotz des ersten Erfolgs seit Anfang November bleibt die Werkself nur zwei Zähler vom Relegationsplatz 16 entfernt, also in unmittelbarer Nachbarschaft zu Mitbewerbern wie Borussia Mönchengladbach, Hertha BSC oder dem VfB Stuttgart.

Das untere Tabellendrittel setzt sich somit in je gleichen Teilen zusammen aus potenten und ambitionierten Klubs, die nach dem eigenen Selbstverständnis nichts zu tun haben sollten mit dem fußballerischen Überlebenskampf - sowie aus den Augsburgs, Bielefelds und eben den Fürthern, bei denen es quasi zur Vereinsräson gehört, sich mit viel Engagement und Ellenbogeneinsatz gegen den Sturz in die Zweitklassigkeit zu wehren. Die Wolfsburger sind also auf einem zwar ungewohnten Terrain unterwegs, sie sind aber auch in der privilegierten Position, selbst im Winter größere Umbaumaßnahmen im Kader durchführen zu können.

Auch dank der Subventionen eines ortsansässigen Autobauers konnten der VfL-Sportchef Jörg Schmadtke und Sportdirektor Marcel Schäfer ein mehr als 20 Millionen Euro teures Rettungspaket zusammenstellen, das unter anderem die am Sonntag sofort in die Startelf beorderten Angreifer Max Kruse und Jonas Wind enthält. Die beiden Zugänge, so die Idee, sollen gemeinschaftlich den nach England veräußerten Stürmer Wout Weghorst ersetzen und der Wolfsburger Offensive ein paar archaische Elemente zuführen.

Kohfeldt baut trotz Abstiegskampf auf "mehr Kombinationsfußball"

Weghorst hatte in den vergangenen drei Jahren zirka ein Drittel der VfL-Tore erzielt, es hing in dieser Saison aber auch mit seiner Launenhaftigkeit zusammen, dass dem Wolfsburger Räderwerk etwas Gewichtiges in die Speichen geraten ist. Kruse und Wind hingegen, sagte Kohfeldt, würden dem zuletzt statischen VfL-Angriff jetzt "mehr Tiefe" verleihen und seien überdies ein klares Bekenntnis zu "mehr Kombinationsfußball". In der Tat zeigte sich im Spiel gegen Fürth, dass diese für den Abstiegskampf ungewöhnliche Strategie aufgehen könnte, allerdings noch nicht durch Tore des neuen Duos, sondern in Form von mehr Teilhabe einiger zuletzt unscheinbarer Akteure.

So gab etwa der 19-jährige Doppeltorschütze Aster Vranckx erfreut zu Protokoll, dass es durch den neuen VfL-Angriff mehr Räume und Momente für seine offensiven Vorstöße gegeben habe; der Mittelfeldmotor Maximilian Arnold, der mit einem Freistoß zum vorentscheidenden 3:1 traf, erwähnte nur zu gerne das zurückgekehrte "Spielglück", womit er unter anderem einen Fürther Torwartfehler und den abgefälschten Treffer des Angreifers Maximilian Philipp gemeint haben dürfte - und der Stürmer Renato Steffen apostrophierte den erst siebten Wolfsburger Saisonsieg folgendermaßen: "Das macht etwas mit dem Kopf, dieses Gefühl zu haben, hey, wir können doch noch gewinnen."

Wie nachhaltig der Effekt sein wird, wird sich freilich erst noch zeigen. Zum Beispiel am kommenden Wochenende, wenn die Wolfsburger für ein Auswärtsspiel zur vom Österreicher Oliver Glasner trainierten Frankfurter Eintracht reisen werden. Glasner, die Geschichte ist bekannt, hatte sich in der Vorsaison mit dem VfL-Sportchef Schmadtke so sehr überworfen, dass eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr möglich war, trotz eines Zieleinlaufs auf dem vierten Platz. Es gibt durchaus Leute, die finden, dass die Wolfsburger Krise auch etwas damit zu tun haben könnte.

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