VfB Stuttgart:Neue Legenden gesucht

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Beim VfB herrscht Vorfreude auf die kommende Spielzeit - doch sein Selbstverständnis zieht der Verein aus den Erfolgen aus der Vergangenheit.

Von Anna Dreher, Stuttgart

Als sich Jürgen Klinsmann, Guido Buchwald, Hansi Müller, Timo Hildebrand und Giovane Elber gerade in weißen und roten Trikots aufwärmten, wussten sie noch nicht, dass ihr exklusiver Kreis in diesem Moment einen weiteren Mitgliedsantrag erhalten hatte. Mario Gomez lag auf einem Bett im Mannschaftshotel, er hatte seinen Laptop vor sich und eine Entscheidung getroffen. Am Sonntag, an dem der VfB Stuttgart sein 125-jähriges Bestehen feierte, gab er seinen schon lange überlegten Rücktritt aus der Nationalmannschaft bekannt, nach 78 Länderspielen und 31 Toren. Mit einem Klick war sein selbstverfasster Brief nachmittags in der Welt und Gomez einen Schritt näher dran an der Aufnahme in den Klub der Legenden, die mit dem noch in der Zukunft liegenden Karriereende dann offiziell werden dürfte.

VfB-Trainer a.D.: Meistercoach Armin Veh, Junge-Wilde-Coach Felix Magath, Meistercoach Christoph Daum, Aufstiegscoach Jürgen Sundermann (v. li.). (Foto: Marijan Murat/dpa)

An dem vom VfB ausgerufenen "Tag des Brustrings", an dem ehemalige prägende Profis erst über ihr Zugehörigkeits- und Familiengefühl zu diesem Verein sprachen, dann im sogenannten Spiel der Legenden zurückliegende Erfolgsjahre aufleben ließen, um dann wieder über die Besonderheit dieser Feier und dieses Klubs zu sprechen, an diesem Tag also musste sich der im Legenden-Vorstadium befindende Gomez vor allem zu sich selbst äußern. Nach Mesut Özil ist der 33-Jährige der zweite Nationalspieler, der diesen Sommer seinen Rücktritt erklärt hat - so unterschiedlich die Motive dafür waren, am Ende hingen sie doch zusammen. "Ich wollte mich einfach nicht eingliedern in die Reihe derer, die nach der WM große Töne angeschlagen haben", sagte Gomez, der den Populismus in der Debatte kritisierte. Viele hätten nur Aufmerksamkeit erregen wollen: "So bin ich nicht und so werde ich nie sein."

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(Foto: Alexander Keppler/imago)

Knapp am Ball vorbei: Hansi Müller (re.) und Kevin Kuranyi (li.) gegen Marcelo Bordon.

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(Foto: Julia Rahn/imago)

Mit Fritzle: Guido Buchwald.

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(Foto: Marijan Murat/dpa)

Fröhlich in der Hitze: Giovane Elber.

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(Foto: Marijan Murat/dpa)

Weniger fröhlich in der Hitze: Jürgen Klinsmann (li.) und Guido Buchwald.

Was er nun auch nicht mehr ist, ist Stuttgarts einziger Nationalspieler im Kader von Joachim Löw, selbst einst Spieler und Trainer in Bad Cannstatt und als Pokalsieger von 1997 einer der Helden des VfB. Und so ging ausgerechnet an jenem der Tradition gewidmetem Tag ein Stück Tradition verloren: konstant eine auf den ersten Blick erkennbare, schwäbische Note in die Nationalmannschaft zu bringen. Im Moment kommt der VfB eher verdeckt in der Nationalmannschaft vor, mit früheren VfB-Jugend- und Profispielern wie Timo Werner, Joshua Kimmich, Sebastian Rudy oder Sami Khedira. Auch um ihn ging es an diesem Jubiläumstag, als auf den Stadionleinwänden Filme zu den besonderen Momenten der Geschichte des VfB gezeigt wurden und sich Nostalgie ausbreitete: fünf deutsche Meisterschaften, drei DFB-Pokalsiege, zwei Finalteilnahmen im Europapokal, Wiederaufstieg in die Bundesliga 2017. Bernd Förster, Asgeir Sigurvinssson, Fredi Bobic, Krassimir Balakov oder eben der bei Juventus Turin angestellte Khedira, sie alle waren in Szenen zu sehen, aus denen der Klub noch heute sein Selbstvertrauen und sein Selbstverständnis zieht.

Im Tor: Der Österreicher Franz Wohlfahrt, zuletzt Sportdirektor bei Austria Wien. (Foto: Marijan Murat/dpa)

Der letzte Titelgewinn aber ist jener in der zweiten Liga, was nicht unbedingt dem Selbstverständnis des VfB entspricht. Zuletzt hatte der Traditionsverein weniger mit sportlichen Erfolgen auf sich aufmerksam gemacht, eher mit Fehlgriffen in der Trainerbesetzung, Wechseln im Präsidentenamt, damit einhergehenden Querelen und der Diskussion um die später vollzogene Ausgliederung der Fußballsparte vom Hauptverein in eine Aktiengesellschaft.

Am Sonntag aber war jene Stimmung zu spüren, die in diesem Sommer in der Stuttgarter Luft liegt: In dieser Saison könnte vieles besser werden, vielleicht sogar gut. Die Mannschaft setzt sich aus bewährten Spielern zusammen, aus Zugängen mit noch nicht allzu bekannten Namen wie dem Spanier Pablo Maffeo oder dem Argentinier Nicólas González - für die der VfB immerhin 17,5 Millionen Euro ausgegeben hat - und aus Rückkehrern wie Daniel Didavi, Andreas Beck und Mario Gomez. So soll Moderne wieder mit Tradition verbunden werden, und das Testspiel gegen Europa-League-Sieger Atletico Madrid vor 59 112 Zuschauern (1:1) brachte am Sonntag dann immerhin die Art von Gegner in die Stuttgarter Arena, die der VfB dort gerne wieder öfter begrüßen würde. Die Vereins-Legenden saßen da schon wieder oben auf der Tribüne oder gaben Interviews. Nur Mario Gomez nicht, er wurde noch gebraucht.

© SZ vom 07.08.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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