VfB Stuttgart:Die Fantastischen Zwei

Lesezeit: 3 min

Stuttgarts erfolgreicher Ochsensturm: Simon Terodde und Daniel Ginczek (rechts) (Foto: REUTERS)
  • Mit 25 Toren hat sich Simon Terodde in die Herzen der VfB-Fans gespielt und mitgeholfen, dass Stuttart in die Bundesliga zurückkehrt.
  • Nun denkt der 29-Jährige daran, den Klub zu verlassen. Wegen Daniel Ginczek?
  • Kapitän Christian Gentner sagt: "Wir müssen uns in jedem Fall verstärken."

Von Matthias Schmid, Stuttgart

So furchtlos wie Alexandru Maxim kann man sich dem Ansturm der Massen auch entziehen. Der Mittelfeldspieler kletterte auf das Dach der Auswechselbank und begegnete dem ekstatischen Treiben um ihn herum mit archaischen Schreien, nachdem die Fans des VfB Stuttgart nur Sekunden nach dem Ende den Rasen geflutet hatten. Die meisten Spieler flohen vor dem Platzsturm, er machte ihnen Angst. "Ich kriege da immer ein bisschen Panik", gab Daniel Ginczek zu.

Auch Simon Terodde ging dem Gedränge und Gezerre wie bei einem Heavy-Metal-Konzert aus dem Weg, er ist niemand, der sich wie Maxim in den Mittelpunkt drängen würde. Terodde, 29, fällt lieber mit seinen Toren auf, auch gegen die Würzburger Kickers am letzten Spieltag traf er wieder doppelt, sodass er nun mit 25 Treffern die Spielzeit beendete - so viele Saisontore waren in der langen Historie des VfB noch nie einem Stuttgarter Stürmer gelungen.

Fußball
:Was die Absteiger von Stuttgart lernen können

Es gibt ein Leben nach dem Abstieg: Das Beispiel des VfB Stuttgart zeigt, dass man sich in der zweiten Liga tatsächlich erneuern kann.

Von Christof Kneer

Dass Terodde sie nur in der zweiten Liga anhäufte, konnte man angesichts Hunderttausender begeisterter Fans, die im und um das Stadion den Wiederaufstieg feierten, leicht vergessen. Sein besonderes Gespür für Tore einfacher Bauart ist in der ersten Liga aber dennoch nicht verborgen geblieben. Borussia Mönchengladbach und der 1. FC Köln, für den Terodde einst kickte, sollen bereits erste Gespräche mit ihm geführt haben. Verlässt der Volksheld also tatsächlich nach nur einer Saison wieder den Klub, dem er gerade erst zum Aufstieg verholfen hat? Eine Ausstiegsklausel, heißt es, solle ermöglichen, dass er für sechs Millionen Euro gehen darf. Zumindest die VfB-Fans, die ihn wegen seiner offenen und nahbaren Art verehren, würde den Glauben an das Gute im Profifußball verlieren, nachdem sie sich gerade erst wieder mit ihrem Klub versöhnt haben.

Zwischen den Zeilen ist jedenfalls herauszuhören, dass ein Abschied nicht abwegig erscheint. "Ich möchte dazu nichts sagen", betonte Terodde selbst. Auch VfB-Manager Jan Schindelmeiser hatte am Sonntag inmitten der Feierlichkeiten wenig Lust, etwas zu diesem in Stuttgart hoch emotionalen Thema zu sagen. Niemand spricht schon vor dem Rausch gerne über den möglichen Kater danach.

Ein Wechsel Teroddes würde die ambitionierten Pläne der Stuttgarter deutlich erschweren. Schindelmeiser und Cheftrainer Hannes Wolf sind angetreten, um den VfB zu erneuern, sie wollen den zuvor so trägen Klub von 1893 von seinen alten, verkrusteten Verhaltensmustern und Denkweisen befreien. "Es muss auch in Zukunft in der Kultur dieses Vereins verankert sein", hebt Schindelmeiser hervor, "nicht zufrieden zu sein nach zwei guten Ergebnissen, sondern dranzubleiben."

In dieser Hinsicht war Terodde in den vergangen Monaten ein Vorbild. Er war der Antreiber, der alle mitriss und für das Projekt Wiederaufstieg emotionalisierte. Er wollte unbedingt zurück in die Bundesliga, die für ihn bisher nur eine kurze Episode geblieben war. Fünfmal hat er für Köln gespielt, insgesamt eine halbe Stunde lang. Das zerrte lange an seinem Selbstvertrauen. Deshalb war es ihm auch so wichtig, dass der VfB mit dem Sieg gegen Würzburg die Meisterschaft sicherte. "Ich wollte nicht in die erste Liga stolpern, sondern überzeugend aufsteigen", sagt Terodde.

Dass er sich mit einem Wechsel beschäftigt, könnte aber auch an der internen Konkurrenz liegen. Der VfB hat ja auch noch Daniel Ginczek, einen wuchtigen Spieler, der schon kurz vor einer Berufung in Joachim Löws Nationalelf stand, bis er plötzlich mehr Zeit in Arztpraxen als auf Trainingsplätzen verbringen musste. Nach seinem vorerst letzten Kreuzbrandriss ist er inzwischen aber so fit, dass er zuletzt schon mit Terodde um den Platz in der Startelf konkurrierte. Gegen Würzburg spielten sie gemeinsam, sie erzielten nicht nur drei der vier Tore, sondern legten sich die Bälle auch noch gönnerhaft auf.

"Wir müssen uns in jedem Fall verstärken"

Ob ein Ochsensturm, wie er liebevoll genannt wird, auch in der ersten Liga funktionieren würde? Das sind Fragen, die Hannes Wolf beantworten muss - falls Terodde bleibt. "Wir müssen uns in jedem Fall verstärken", sagt Kapitän Christian Gentner - nicht nur, weil sie beim VfB davon ausgehen, dass der Außenstürmer Carlos Mané wegen eines Knorpelschadens länger als ein halbes Jahr ausfallen wird.

Simon Terodde jedenfalls will in der Spätphase seiner Karriere unbedingt noch mal die Bundesliga rocken; und womöglich sieht er bei einem anderen Klub sogar mehr Chancen als beim VfB, wo er am Sonntag auf die große Bühne gezerrt wurde und mit den Fantastischen Vier rappte.

© SZ vom 23.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

VfB Stuttgart
:Stuttgart lechzt nach dem großen Ding

Tabellenführung, die Bundesliga in Sicht: Beim VfB schwärmen nach dem 3:1 gegen Union Berlin sogar die notorischen "Bruddler" auf der Tribüne - das liegt auch an der starken Offensive.

Von Matthias Schmid

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: