Vergabe der Basketball-EM 2015:"Da kannst du es auch bei Ebay einstellen"

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Empört über die Machenschaften des Kontinentalverband Fiba Europe ziehen Deutschland und seine Partner ihre Bewerbung für die Basketball-EM 2015 zurück. Damit dürfte das Turnier in die Ukraine gehen - in Deutschland stirbt die letzte Hoffnung auf ein Heim-Turnier für Dirk Nowitzki.

Andreas Burkert

Schon im September hat es Ingo Weiss geahnt. Nur, er hat es nicht glauben wollen. Wie bis vor wenigen Tagen noch, so ist er auch am Finaltag der Basketball-EM in Litauen überaus zuversichtlich gewesen, dass der von ihm geführte deutsche Verband gemeinsam mit Frankreich, Italien und Kroatien die Europameisterschaft 2015 ausrichten würde.

Karriereende ohne Heim-EM: Dirk Nowitzki. (Foto: dapd)

In Kaunas hatte der Vierer-Bund seinen interessante Kampagne abermals präsentiert: Die Ukraine, der einzig verbliebene Rivale, war gar nicht vertreten, um den diplomatischen Dienst anzukurbeln. "Ich weiß nicht, was ich denen noch zutrauen kann", urteilte Weiss damals vielsagend. Die Antwort kennt er jetzt: Viel. Vor allem sehr viel Geld.

Am Mittwoch um zwölf Uhr haben Deutschland, Frankreich, Italien und Kroatien, wie in Telefonkonferenzen am Dienstag verabredet, ihre EM-Bewerbung zurückgezogen - vier Tage vor der Ausrichter-Kür, die am Sonntag in München stattfindet. Das Quartett möchte diesen unerwarteten Schritt als Protest gegen den Dachverband Fiba Europe verstanden wissen; es ist empört und angewidert von dem seiner Meinung nach nur auf Profit angelegten Bewerbungsverfahren.

Grund für den Rückzug seien "immense Zweifel ob des professionellen Bewerbungsverfahrens und mangelnde Transparenz des europäischen Verbandes", hieß es in einer Mitteilung der vier Verbände. Wolfgang Brenscheidt, der Generalsekretär des Deutschen Basketball-Bundes (DBB), präzisierte scharf: "Statt strategisch eine Sportart zu entwickeln, geht es offenbar nun darum, wer die meiste Kohle bezahlt", sagte er der SZ. "Da kannst du so ein Ding auch bei E-Bay einstellen."

Die Vorwürfe der Vier, die am Sonntag sicher nicht chancenlos gewesen wären, sind massiv und werden selten offensiv vorgetragen. Gerade der deutsche Frust ist verständlich. Der DBB ist oft dafür kritisiert worden, seinem Weltstar Dirk Nowitzki, 33, kein Heimturnier akquiriert zu haben. Nun dürfte der Würzburger in Kaunas seinen Abschied vom Nationalteam gegeben haben. Dabei wären die Deutschen und ihre Partner auch ins finanzielle Risiko gegangen.

Doch kurzfristig veränderte Bewerbungskriterien, die Verweigerung von Kommunikation und aberwitzige Forderungen seien ganz offenbar darauf ausgerichtet gewesen, den Ausstieg zu provozieren - und den geheimnisvollen Konkurrenten Ukraine zum Zuge kommen zu lassen.

Die Fiba Europe mochte sich zu alledem nicht äußern. Es dürfte wohl auch schwer zu erklären sein, weshalb etwa am 7. Dezember "eine Klarstellung" zum EM-Bewerbungsverfahren verschickt wurde, die neue Forderungen enthielt. Als Garantiezahlung ruft die Fiba acht Millionen Euro auf - plus Steuern, heißt es jetzt, macht 9,2 Millionen.

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Jonas Beckenkamp

Zudem wurden die Bewerber jetzt aufgefordert, am 18. Dezember die Garantie eines Sponsors als offizieller Partner der Fiba Europe vorzulegen. "Wie soll ich den Sponsor präsentieren, wenn ich noch nicht einmal weiß, ob ich die EM überhaupt bekomme?", ereiferte sich Präsident Weiss.

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Gut möglich, dass Fiba Europe den plötzlich verbindlichen Sponsor in ihre Bedingungen eingebaut hat, weil die Ukraine eine entsprechende Garantie hinter den Kulissen avisierte: Nach SZ-Informationen brachte sie die Zusage einer staatlichen Fluggesellschaft ein.

Weitere Ungereimtheiten wie ein Passus, der Fiba Europe angeblich einseitig Änderungen von Vertragsinhalten gestattet, haben nun für den westeuropäischen Rückzieher gesorgt. Zumal schon 2012 eine Vorleistung in Höhe von 2,75 Millionen Euro erfolgen sollte - nicht als Bürgschaft, sondern "cash". "Irgendwann ist mal genug mit Basar", sagt Weiss.

Laut Brenscheidt habe es bereits Zusagen von NRW (mit den geplanten Vor- und Zwischenrunden-Städten Köln und Düsseldorf; Finalort wäre Paris gewesen) sowie Berlin gegeben. Zwei Millionen des gut neun Millionen Euro schweren Start-Etats wären aus Deutschland gekommen. "Das sind Steuergelder, und wir können nicht immer über Dinge wie Transparenz und Compliance reden und dann so etwas unterschreiben." Wolfgang Brenscheidt betont: "Es wäre letztlich bei uns nicht am Geld gescheitert."

Dabei wäre eine Refinanzierung schwer gewesen. Die TV- und Werbe-Rechte liegen bei Fiba World, fast nur über Tickets wäre Geld zurückgeflossen. Volle Arenen wären aber erwartbar gewesen angesichts von vier Heimteams. Aber das war schon in Litauen kein Kriterium.

Der Trend geht gen Osten, wo anstandslos alle finanziellen Wünsche erfüllt werden. Dass die Ukraine bisher weder Hallen noch Hotels bieten kann, wird sich als ebenso unerheblich erweisen wie das belobigte 122-seitige Bid-Book der Konkurrenz und der Umstand, dass die ukrainischen Papiere angeblich nicht mal fristgerecht eingingen.

Franzosen, Kroaten, Italiener und die Deutschen haben nun ein Zeichen gesetzt. BBL-Chef Jan Pommer begrüßte dies in einer Solidaritätsnote: Die vier Verbände dokumentierten, "dass sie das Geschäftsgebaren von Fiba Europa ablehnen. Man kann nicht einfach während des Spiels die Regeln ändern. Ich hoffe, dass diese Fairplay-Notwehr eine sehr kritische Revision der Vorgänge und eine Stoßlüftung bei Fiba Europa auslöst."

Ingo Weiss sprach dem Kontinentalverband Werte wie "Verlässlichkeit, Vertrauen und Ehrlichkeit" ab. "Mit den jetzt handelnden Personen dort wird es keine Bewerbung mehr geben", ergänzte Brenscheidt, vielleicht biete man beim Weltverband für die WM 2018. "Das Zeichen jetzt war wichtig", sagt der Generalsekretär. Aber er fragt sich zermürbt: "Bringt uns das was?"

© SZ vom 15.12.2011 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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