Urteil in Stuttgart:Gericht spricht Radprofi Schumacher frei

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Freispruch im ersten Strafprozess gegen einen deutschen Dopingsünder: Der Radprofi Stefan Schumacher gewinnt vor dem Landgericht Stuttgart - weil es ihm nicht nachzuweisen war, dass er seinen ehemaligen Boss betrogen hat. Das Urteil spielt den Befürwortern des Anti-Doping-Gesetzes in die Karten.

202 Tage dauerte der Prozess, verhandelt wurde an 19 Tagen - und nun ist das Urteil gefällt worden. Der geständige Dopingsünder Stefan Schumacher hat den Betrugsprozess vor dem Landgericht Stuttgart gewonnen. Es war der erste Strafprozess gegen einen deutschen Dopingsünder. Die 16. Große Strafkammer urteilte, Schumacher habe den ehemaligen Gerolsteiner-Teamchef Hans-Michael Holczer nicht zweifelsfrei betrogen. Damit folgte des Gericht dem Antrag der Verteidigung.

Schumacher wurde vorgeworfen, seinen ehemaligen Boss Holczer um drei Monatsgehälter betrogen zu haben. Schumacher hatte Doping bei der Tour de France 2008 trotz Nachfrage geleugnet, war aber später positiv auf das Blutdopingmittel Cera getestet und gesperrt worden. In den Augen der Staatsanwaltschaft hat er sich deswegen rund 100.000 Euro erschlichen. Die Frage, die das Gericht monatelang beschäftigte, lautete: Wie glaubhaft ist es, dass Holczer in seinem Team nichts von Doping mitbekommen haben kann?

Diese Frage konnte auch in dem Prozess nicht endgültig beantwortet werden. Es stand Aussage gegen Aussage. Kein Zeuge - außer Schumacher - sagte vor Gericht klar: Ja, Holczer wusste, dass gedopt wurde. Auf der anderen Seite legten viele Aussagen den Schluss nahe, dass Doping eben doch ein Thema bei Gerolsteiner war. Zudem ist es schwer vorstellbar, dass Schumacher, Davide Rebellin, Bernhard Kohl oder David Kopp gedopt haben, ohne dass Holczer davon mitbekommen hat.

Prozess gegen Radprofi Schumacher
:Anklage fordert fünfstellige Geldstrafe

Der Betrugsprozess gegen den Radprofi Stefan Schumacher steht kurz vor dem Ende. Während die Anklage eine fünfstellige Geldstrafe für den geständigen Doping-Betrüger fordert, plädiert die Verteidigung auf Freispruch. Schumacher selbst gibt sich optimistisch.

Ungeklärt blieb in den Verhandlungen zudem, welche Rolle die Teamärzte spielten. Die als Zeugen vernommenen Ernst Jakob, Achim Spechter und Mark Schmidt stritten Doping-Hilfe ab. Spechter behauptete, er habe den Fahrern einfach ein Placebo gegeben. Kopp und Schumacher berichteten, man habe sich mit den Ärzten über alles Dopingrelevante unterhalten können. Aus ihrer Sicht, um das Wissen auch anzuwenden. Aus Sicht der Ärzte aber waren das vorbeugende Gespräche nach dem Motto "Das tut man aber nicht".

Der Freispruch im Fall Schumacher hat jedoch nicht nur Auswirkungen auf den Radfahrer und das Team Gerolsteiner, sondern könnte nun auch den Anti-Doping-Kampf in Deutschland beeinflussen. Denn die Interessengruppen, die für und gegen ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland sind, werden versuchen, das Urteil in ihrem Sinne zu nutzen.

Wäre er schuldig gesprochen worden, hätte dies als Argument dienen können, man braucht kein Anti-Doping-Gesetz, denn dopende Sportler könnten auch mit den bestehenden Gesetzen bestraft werden.

Der Doping-Bekämpfer Werner Franke hatte sich bereits im Vorfeld geäußert und auf einen Freispruch des Dopingsünders gehofft: "Eine Verurteilung wäre hinderlich für ein Anti-Doping-Gesetz in Deutschland", sagte Franke der Nachrichtenagentur dpa. Eine Verurteilung sei gleichbedeutend mit dem Schluss, dass Ärzte, die Dopingmittel verabreichten, sich nicht strafbar machten. "Der Arzt würde nicht bestraft werden, aber das Opfer - das ist Schumacher, der die ganzen Nebenwirkungen nicht wissen kann - das wird bestraft", sagte Franke.

Baden-Württembergs Justizminister Rainer Stickelberger (SPD) forderte nach der Urteilsverkündung erneut, die strafrechtliche Dopingbekämpfung zu verbessern. "Der Prozess hat klar gezeigt, dass dopende Berufssportler derzeit mit den Mitteln des Strafrechts kaum zu belangen sind", sagte Stickelberger. Am Handlungsbedarf gebe es für ihn keinen Zweifel. "Wie viele Dopinggeständnisse sind noch nötig? Wir müssen das Thema jetzt endlich konsequent angehen."

Sylvia Schenk, frühere Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer und ehemaliges Vorstandsmitglied bei Transparency International sagte: "Es gilt der Spruch: Im Zweifel für den Angeklagten. Dieser Grundsatz fand sicher auch Einlass in das ergangene Urteil. So naiv konnte Holczer nicht sein. Dass er nie etwas mitbekommen hat, habe ich ihm nie abgenommen. Er war doch im Team immer dicht dran."

Nach 202 Tagen und 19 Verhandlungstagen ist der Prozess in Stuttgart nun zu Ende gegangen. Der Fall Schumacher wird jedoch weiter diskutiert werden.

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