Ultras im Fußball:Zur Not mit dem Ausweis ins Stadion

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Vermummte zünden beim Pokalspiel Bengalos und brennen Sitzschalen nieder. (Foto: dpa)

Eine Gewaltkultur wie zuletzt in Rostock dürfen die Klubs nicht einmal im Ansatz tolerieren. Sollte der Dialog mit den Moderateren unter den Ultras nichts bringen, müssen härtere Maßnahmen her.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Ist womöglich dieser Neymar schuld? Weil er zu viele Millionen verdient? Helene Fischer vielleicht, weil sie jüngst in der Halbzeitshow des Berliner Pokalfinales auftrat, was nicht wenige als Untergang der Fußballkultur beweinten? Sind die Eintrittspreise zu hoch?

Solche Debatten sind gerade virulent, sie müssen geführt werden, leidenschaftlich, kontrovers. Aber nicht hinter Gesichtsmasken von Rostocker Gestalten, die jenen G20-Figuren ähnelten, die im schwarzen Block marodierend durch Hamburg zogen. Sondern mit offenem Visier. Eine Protestkultur müssen die Klubs aushalten, eine Gewaltkultur, die sich an manchen Orten zu etablieren scheint, dürfen sie nicht einmal im Ansatz tolerieren. Wer die Namen Neymar oder Fischer als Alibi für Kampfansagen gelten lässt, hat in dieser Debatte bereits verloren.

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Die Pokalpartie zwischen Rostock und Hertha wird gleich zweimal unterbrochen. Vermummte brennen Sitzschalen und Banner nieder. Die Polizei kritisiert Rostock für die schweren Krawalle.

Jetzt sind zunächst die Klubs gefordert, sich von jenen Ultras klar zu distanzieren, die sich nicht eindeutig von jedweden Krawall- und Einschüchterungs-Szenarien in und ums Stadion abgrenzen. Sie zu identifizieren, wird nicht leicht, denn auf der Tribüne herrscht eine Art Omertà, das Gesetz des Schweigens. Es gibt aber auch in den Ultra-Kreisen durchaus Strategen, die von den Klubs in den Dialog zu zwingen wären - denen es zu heiß wird in der Kurve, wenn dort Stühle brennen.

Dazu lohnt es sich zudem, jetzt nicht nur mit der Skandal-Keule kollektiv auf den Fußball zu hauen, sondern zu differenzieren: 31 weitere Spiele der ersten Pokal-Hauptrunde mit Hunderttausenden Besuchern wurden am Wochenende ohne ähnlich flackernde Vorkommnisse über die Bühne gebracht. Das wäre eigentlich als starke Leistung aller Beteiligten zu würdigen, da einige Spiele als Hochsicherheitsspiele klassifiziert waren - auch das Nord-Derby von Rostock und Hertha.

Anlass jener Provokation bis fast zum Spielabbruch war dort, so weit offiziell bekannt, ein Ritual wie man es so ähnlich vom Maibaum-Diebstahl kennt. 2014 hatten die Rostocker ein riesiges Banner eines Hertha-Fanklubs geklaut, dieses wurde nun live in der ARD hervorgekramt und abgefackelt - das ging offenbar so manchem verdammt stark an die Ehre. So sah es im Stadion aus wie bei Rammstein, nur dass bei Rammstein-Konzerten das Publikum von einem ausgebildeten Feuerwerker und nicht von den Laien der Pyrotechnik ins Inferno geschickt wird.

Eintrittskarte nur gegen Ausweis

Wie solchen Szenarien zu begegnen wäre? Präventiv dadurch, dass man Fan-Blöcke wie üblich in die entgegengesetzten Stadion-Ecken legt, und nicht wie in Rostock in Raketen-Schussweite nebeneinander. Zudem dadurch, dass man Schiedsrichter weiterhin so gut schult wie Robert Hartmann, der immer zu wissen schien, was er im Qualm zu tun hatte.

Neben dem weicheren Ansatz, mit den Moderateren unter den Ultras weiterhin den Dialog zu suchen, um sie von den Unbelehrbaren zu trennen, gibt es auch den harten Ansatz. Vorgeführt jüngst vom FC St. Pauli. Beim Zweitliga-Risikospiel durften dort nur jene Fans von Dynamo Dresden ins Stadion, die ihre Karte unter Vorlage des Ausweises an der Kasse abholten. Wer im Gefolge reisen wollte, musste sich bekennen; nur 700 der 3000 Gästeplätze waren besetzt. Kaum jemand wird ein Big-Brother-Stadion wollen, aber wenn es anders nicht mehr geht?

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Von Thomas Kistner

In Zusammenarbeit mit Datenschützern könnte ein Modell mit personalisierten Tickets entwickelt werden - passiert beim Spiel nichts, werden die Daten sofort gelöscht. Das würde die Klubs viel Geld kosten, aber das muss es ihnen wert sein, ihr Unterhaltungsprogramm vor mehr als nur dem Feuerwerk zu retten.

© SZ vom 16.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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