Ukrainische Olympia-Mannschaft:Isoliert in Sotschi

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Ukraines Fahnenträger bei der Eröffnungsfeier: Langläuferin Valentina Schewtschenko. (Foto: Jonathan Nackstrand/AFP)

Die Opposition in der Heimat hätte sich ein Zeichen gewünscht - doch die ukrainische Olympia-Mannschaft bleibt in Sotschi. Dort untersagt ihnen das IOC gar, einen Trauerflor in Gedenken an die Opfer zu tragen.

Von Johannes Aumüller, Sotschi

DNS, so steht das jetzt in der Startliste hinter dem Team mit der Nummer 17. Did not start - nicht gestartet. Für das ukrainische Langlaufduo Marina Lisogor/Katerina Serdjuk war diese Nummer vorgesehen, doch als die beiden am Mittwochmittag beim Team-Sprint an den Start gehen sollten, verzichteten sie. Wegen der Vorgänge und der Toten auf dem Maidan in Kiew, hieß es in der Ukraine sofort. Schlicht wegen einer Erkrankung, teilte der Trainer Jewgenij Kolupajew mit, eine Athletin habe sich nicht wohl gefühlt.

Straßenschlachten in Kiew
:IOC untersagt ukrainischen Athleten Trauerflor

Kein Platz für Trauer: Wegen der Auseinandersetzungen in ihrer Heimat wollen die ukrainischen Sportler in Sotschi einen Trauerflor tragen. IOC-Präsident Thomas Bach bekundet sein Beileid, den Antrag auf den Flor lehnt das Internationale Olympische Komitee aber ab.

Sport und Politik haben nichts miteinander zu tun, das erzählt das Internationale Olympische Komitee (IOC) so gerne. Doch die politischen Vorgänge in der Ukraine und Sotschi, die Eskalation auf dem Maidan und die Olympischen Spiele, sind sich in diesen Tagen ganz nah.

Der Sport in der Ukraine ist hoch politisiert. Die besten Fußball-Klubs des Landes wie Schachtjor Donezk oder Metallist Charkow gehören reichen Geschäftsmännern, die enge Weggefährten des umstrittenen Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch oder dessen Sohn Alexander sind. Der Box-Weltmeister Vitali Klitschko kämpft als einer der Anführer der Oppositionsbewegung darum, Janukowitsch aus dem Amt zu jagen. Und wenn nun in der heimatlichen Hauptstadt die Lage so eskaliert, dann ist auch jedes Zeichen, jedes Wort der ukrainischen Starter bei den Olympischen Spielen von Interesse.

Aus Kiew ist zu hören, dass zumindest Teile der Opposition sich einen Rückzug von den Spielen wünschen würden; als Zeichen der Solidarität mit dem ukrainischen Volk. Viele Beobachter können sich auch nicht vorstellen, dass sich die Athleten angesichts der Bilder noch richtig auf den Wettkampf konzentrieren können. Doch nach Angaben des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) bleibt die 43 Teilnehmer umfassende Mannschaft erst einmal in Russland; zumindest diejenigen davon, die noch Wettkämpfe zu bestreiten haben. Manche sind ja bereits abgereist.

Das gefällt dem IOC, dessen Präsident Thomas Bach daraus die Botschaft abliest, Sport könne Brücken bauen und Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund friedlich zusammenbringen. Es dürfte auch Russlands Staatspräsident Wladimir Putin gefallen, dem Herrn dieser Spiele, der auch in der Ukraine so viele politische Interessen hat. Eine Abreise der ukrainischen Mannschaft hätte einen Schatten auf sein Prestigeprojekt geworfen.

Zeitgleich mit dem Beschluss, in Sotschi zu bleiben, stellten die Ukrainer den Antrag, mit Trauerflor ihre Wettkämpfe zu bestreiten. Aus Kreisen des ukrainischen NOK ist zu hören, dass Präsident Sergej Bubka - einflussreiches IOC-Mitglied mit Sitz in dessen Exekutive und im Herbst 2013 sogar bei der IOC-Präsidentschaftskür gescheitert - diesbezüglich Gespräche geführt habe. Doch diese Bitte lehnte das IOC ab. "Wir haben die Antwort erhalten, dass das nicht mit der Olympischen Charta zu vereinbaren ist", hieß es.

IOC-Präsident Bach sprach lediglich sein Beileid aus, nahm aber keinerlei Stellung zum Trauerflor-Verbot. "Unsere Gedanken und unser Mitgefühl sind in diesen schweren Zeiten beim ukrainischen Team", sagte er. Das IOC teilte mit, dass es informelle Gespräche über die Trauerflor-Idee der Ukrainer gegeben habe; doch man sei übereingekommen, dass "andere Wege angemessener seien, um auf die tragischen Ereignisse in der Ukraine hinzuweisen". Schon in der ersten Woche der Olympischen Spiele war die norwegische Mannschaft gerügt worden, weil deren Langläuferinnen mit schwarzen Armbändern gestartet waren, um an den verstorbenen Bruder von Astrid Jacobsen zu erinnern.

Statt die ukrainische Mannschaft nach Hause zu schicken, publizierte Bubka eine lange Stellungnahme. "Ich bin schockiert über die Vorfälle in meiner Heimat, vor allem, weil sich die Gewalt während der Olympischen Spiele ereignet, dem friedlichsten und demokratischsten Großereignis der Welt", sagte er. "Ich appelliere noch einmal eindringlich an alle Parteien, die Gewalt zu stoppen, die mein Land an den Rand einer Katastrophe bringt."

Bubka genießt allerdings nicht gerade den Ruf eines überparteilichen Schlichters. Der frühere Weltrekordler im Stabhochsprung hat zwar kein politisches Amt mehr, war aber früher eng verbunden mit den aktuellen Machthabern. Er kommt aus dem ostukrainischen Donezk - wie so viele heute einflussreiche Politiker und Oligarchen, angefangen bei Präsident Janukowitsch. Von 2002 bis 2006 saß Bubka für dessen Partei der Regionen im Parlament. Später firmierte er als Berater für Janukowitsch, und auch bei der Bewerbung für die Winterspiele 2022 in Lemberg arbeiten sie eng zusammen.

Ob es angesichts der aktuellen Entwicklungen in der Ukraine zu dieser Olympiabewerbung kommt, ist so fraglich wie noch nie seit der Abgabe der Unterlagen. Das IOC wies darauf hin, dass die Spiele erst 2015 bei der Session in Kuala Lumpur vergeben werden: "Von da an wären es noch sieben Jahre. Wir sollten jetzt nicht spekulieren." Allerdings müssen die Kandidaten bis März ihre endgültigen Bewerbungsunterlagen einreichen, und schon im Juli entscheidet das IOC auf seiner Exekutiv- Sitzung, welche Städte auf die sogenannte "Short List" kommen. Außer Lemberg haben sich auch noch Oslo, Peking, Almaty und Krakau um die Spiele beworben.

Bubka sagte, dass seine Athleten alles unternehmen, "damit die ukrainische Fahne über dem olympischen Podium weht und die Landeshymne zu Ehren unserer Siege ertönt". Bisher hat die Ukraine eine Medaille bei den Spielen gewonnen, gleich am ersten Wochenende im Biathlon-Sprint durch Vita Semerenko.

© SZ vom 20.02.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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