EM-Aus für deutsche U21:Torlos, kraftlos, ratlos

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Das tut weh: Die deutsche U21 - links Nelson Weiper - unterliegt England 0:2 und scheidet bei der EM ohne Sieg in der Gruppenphase aus. (Foto: Meusel/Beautiful Sports/Imago)

Die deutsche U21-Nationalmannschaft lässt auch beim 0:2 gegen England die nötige Qualität vermissen und scheidet ohne Sieg bereits nach der EM-Vorrunde aus. Antonio Di Salvo erlebt eine düstere Premiere als Cheftrainer.

Von Ulrich Hartmann

In der georgischen Schwarzmeer-Stadt Batumi sind am Mittwochabend gleich mehrere deutsche Fußballträume zerplatzt. Die U21-Nationalspieler werden nicht Europameister wie ihre Vorgänger vor zwei Jahren und sie werden auch nicht bei den Olympischen Spielen nächstes Jahr in Paris dabei sein. Dazu hätten sie bei der EM ins Halbfinale einziehen müssen, aber sie haben es in einer als sehr vorteilhaft erachteten Vorrunden-Gruppe nicht mal ins Viertelfinale geschafft.

Nach einem 1:1 gegen Israel und einer 1:2-Niederlage gegen Tschechien verloren die am Ende völlig leeren deutschen Nachwuchskicker auch ihr drittes Gruppenspiel gegen England 0:2 (0:2) und müssen bereits nach sieben Turniertagen wieder heimfliegen. Vor allem dieses dritte Spiel gegen bereits qualifizierte und auf acht Positionen veränderte Engländer war eine einzige Enttäuschung. Noch kurz vor dem Anpfiff hatte DFB-Sportdirektor Rudi Völler bei Sat1 über die beiden ersten deutschen Spiele gesagt: "Man hatte das Gefühl, es war ein bisschen mehr drin." Doch nach dem dritten Spiel entpuppte sich das frühe Turnier-Aus als absolut gerechtfertigt. Völler hat mit der kriselnden A-Nationalmannschaft und der enttäuschenden U21 jetzt schon zwei Baustellen.

In der zweiten Halbzeit ergibt sich die deutsche Elf in ihr Schicksal

Zum dritten Mal im dritten Turnierauftritt kam die übervorsichtige deutsche Mannschaft ganz schlecht ins Spiel. Zum dritten Mal geriet sie 0:1 in Rückstand. Cameron Archer von Aston Villa erlief in der 4. Minute einen Steilpass zwischen den deutschen Innenverteidigern Yann Aurel Bisseck und Marton Dardai hindurch und erzielte das 1:0 für sein Team. Für eine Mannschaft, die mit dem Mute der Verzweiflung und einem gewissen Risiko ihre letzte und ohnehin minimale Viertelfinal-Chance nutzen wollte, spielte die deutsche U21 viel zu passiv, ohne Glauben. Das war im ganzen Turnier ihr Problem gewesen. Es fehlte ihr an Tempo und Körpersprache. Als Harvey Elliott vom FC Liverpool bereits in der 21. Minute zum 2:0 traf, war das deutsche Aus so gut wie beschlossen. In der zweiten Halbzeit zeigte die entnervte Mannschaft keinerlei Willen mehr.

Völler bezeichnete die U21 in Batumi als "Spiegelbild" der A-Nationalmannschaft. U21-Trainer Antonio Di Salvo sagte nach seinem ersten Turnier als Chefcoach: "Das hatten wir uns alle ganz anders vorgestellt." Seine Mannschaft sei in allen drei Spielen "nicht konsequent genug" gewesen. Er wirkte ratlos. Der Schalker Mittelfeldspieler Tom Krauß musste zugeben: "Wir hatten in diesem Turnier nicht die Qualität."

"Das hatten wir uns alle ganz anders vorgestellt": Antonio Di Salvo (links) scheitert bei seiner Premiere als U21-Chefcoach gleich in der Vorrunde, sein Gegenüber Lee Carsley applaudiert seinem Team für den souveränen Gruppensieg. (Foto: Sebastian Kahnert/dpa)

Di Salvo hatte im Laufe des Turniers freilich nicht allzu viele Variationsmöglichkeiten. Acht Spieler haben jedes Mal in der Startformation gestanden: der Freiburger Torwart Noah Atubolu; in der Abwehr der Stuttgarter Josha Vagnoman, Yann Aurel Bisseck von Aarhus GF und der Schalker Henning Matriciani; im Mittelfeld der Freiburger Yannik Keitel, der Schalker Tom Krauß und der Hoffenheimer Angelo Stiller sowie offensiv rechts Kevin Schade vom FC Brentford. Auf der problematischen Mittelstürmerposition spielte aus der Not heraus jedes Mal ein anderer: erst Dortmunds Youssoufa Moukoko, und als dieser verletzt ausfiel, im zweiten Spiel der Herthaner Jessic Ngankam und im dritten der Mainzer Nelson Weiper. Keiner schoss ein Tor.

Nachdem sich für die U20-WM kürzlich in Argentinien erst gar keine deutsche Mannschaft qualifiziert hatte, bedeutet das Vorrunden-Aus bei der U21-EM einen weiteren Rückschlag für die deutsche Nachwuchsarbeit. Unter Di Salvos Vorgänger Stefan Kuntz waren U21-Mannschaften zuvor drei Mal nacheinander ins EM-Endspiel eingezogen und hatten 2017 und 2021 den Titel gewonnen. Kuntz wechselte im Herbst 2021 als Cheftrainer zur türkischen A-Nationalmannschaft. Sein langjähriger Assistent Di Salvo übernahm den Chefposten bei der U21.

Schon vor der Ära Kuntz hatte die U21 Erfolge gefeiert. Dafür war als Trainer Horst Hrubesch verantwortlich gewesen, der seine Mannschaften 2009 zum Europameistertitel und 2016 in Rio de Janeiro zu Olympia-Silber führte. Andere U21-Trainer hatten weniger Erfolg: Uli Stielike 2004 bei der Heim-EM, danach Dieter Eilts sowie zwischenzeitlich Rainer Adrion. Unter Di Salvo schied nun erstmals seit 2013 eine deutsche U21 wieder nach der Vorrunde aus.

Die Bedingungen waren allerdings auch nicht optimal gewesen: Die Spieler Jamal Musiala, Florian Wirtz und Malick Thiaw waren bereits fest in die A-Nationalmannschaft befördert worden, Jonathan Burkardt, Ansgar Knauff, Felix Nmecha, Armel Bella-Kotchap, Patrick Osterhage, Jan Thielmann und Jordan Beyer fielen verletzt aus. Mit diesen Spielern wäre vielleicht mehr möglich gewesen.

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