U19 des DFB:Löws Jugend-Schatzkiste

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Zwischen hünenhaft und elegant: DFB-Nachwuchsstürmer Davie Selke. (Foto: Bongarts/Getty Images)

Der Bundestrainer kann sich auf die nächste Sieger-Generation freuen: Nur zwei Wochen nach dem WM-Triumph der Männer steht die deutsche Junioren-Auswahl im Halbfinale der EM in Ungarn. Gegen Österreich soll an diesem Abend ein aufstrebender Bremer für Tore sorgen.

Von Christof Kneer

Vor sechs Jahren gab es sogar ein Stürmertor im Finale. In der 61. Minute traf Richard Sukuta-Pasu, es war das 2:0 für Deutschland, das reichte für den Titel. Am Ende stand ein 2:1 gegen Italien, die deutsche U19-Auswahl war Europameister - mit dem Trainer Horst Hrubesch, dem Torwart Ron-Robert Zieler, den defensiven Mittelfeldspielern Lars und Sven Bender und eben dem Stürmer Sukuta-Pasu, der damals als aussichtsreicher Nachfolger für den schon 30 Jahre alten Nationalstürmer Miroslav Klose galt.

Sechs Jahre später sucht Deutschland immer noch einen Nachfolger für den inzwischen 36 Jahre alten Klose. Wer das außer dem auch schon 29 Jahre alten Mario Gomez werden könnte, ist unklar; klar ist nur: Sukuta-Pasu, 24, wird es eher nicht mehr werden. Er ist in der Zwischenzeit über Leverkusen, Kaiserslautern, Graz und Bochum bei Cercle Brügge gelandet.

Wenn deutsche Junioren-Nationalmannschaften bei Turnieren in Endspielnähe geraten, drängen sich immer die zwei selben Fragen auf. Frage eins: Reicht es mal wieder für einen jener schönen Titel, die es zu Zeiten des DFB-Sportdirektors Matthias Sammer ständig gab, falls man sich richtig erinnert?

Frage zwei: Welchen der vielen Spielernamen muss man sich merken, weil man ihn vielleicht beim nächsten, spätestens beim übernächsten Männer-Turnier auf großer Bühne wieder trifft? Damals, 2008, stand auch Rahman Soyudogru im DFB-Aufgebot unter der Rubrik "Sturm"; er stürmt heute für den Verbandsligisten FC Singen 04.

In diesen Tagen hat es nach längerer Schamfrist mal wieder eine Junioren-Auswahl des DFB in Endspielnähe geschafft, die U19 von Trainer Marcus Sorg steht beim EM-Turnier in Ungarn im Halbfinale gegen Österreich. Für die Welt da draußen muss das bedrohlich klingen, weil das ja nur eines bedeuten kann: dass beim gerade erst gründlich gefeierten Weltmeister schon die nächste Generation darauf wartet, ebenfalls gründlich gefeiert zu werden.

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Zwei Treffer eines jungen Bremers bescheren der DFB-Auswahl einen Sieg gegen die Ukraine, Luis Suarez könnte vor dem Sportgerichtshof ein Eilverfahren bekommen, Kugelstoßer David Storl zeigt sich bei der deutschen Meisterschaft stark, Tennisprofi Benjamin Becker steht in Atlanta im Halbfinale.

Die Deutschen sind die einzige der etablierten Nationen, die ihre U19 in dieses Endturnier durchgebracht hat, alle anderen - Spanien, Niederlande, Frankreich, Italien - sind in der Qualifikation gescheitert. Spanien übrigens an den Deutschen.

Dieser 1995/1996er-Jahrgang ist durchaus auch eine Antwort auf die Frage, warum Joachim Löw als Bundestrainer weitermacht. Zwar kann auch Löw noch nicht sagen, wer es aus diesem Kader demnächst in seinen Kader schafft, aber er kann darauf vertrauen, dass ein paar schon durchkommen werden.

Eine "sehr hohe Qualität" bescheinigt der künftige Sportdirektor Hansi Flick dem 95/96er-Jahrgang, zumindest jenem Teil des Jahrgangs, der Deutschland gerade in Ungarn vertritt; eine sehr, sehr, sehr hohe Qualität ließe sich dem Jahrgang bescheinigen, wenn auch noch Max Meyer, Leon Goretzka (beide Schalke), Timo Werner (Stuttgart), Serge Gnabry (FC Arsenal) und Niklas Süle (Hoffenheim) dabei wären, die aus unterschiedlichen Gründen in Ungarn fehlen.

Goretzka muss verletzt passen, aber bei Meyer und Werner haben die Klubs ihr Veto eingelegt. Auch das wird künftig zu Flicks zentralen Aufgaben zählen: die Bundesligisten zu überzeugen, dass ihre Talente von den Erfahrungen einer solchen Veranstaltung womöglich mehr profitieren als von den Trainingseinheiten im Klub. "Es kann später allen nur helfen, wenn Spieler Turnier-Situationen schon mal erlebt haben", sagt Flick.

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Das deutsche U19-Team kommt in der Nachspielzeit zum Ausgleich gegen Titelverteidiger Serbien. Die deutschen Degenfechterinnen scheiden bei der WM früh aus. Der litauische Biathlet Karolis Zlatkauskas wird wegen Epo für zwei Jahre gesperrt.

Flick weiß, dass ihm das Turnier in Ungarn jetzt praktische Argumente liefert. Zweifelnden Vereinsfunktionären kann er künftig das Selke-Prinzip erläutern, jene Win-win-win-Situation, von der - im Idealfall - alle Beteiligten etwas haben. Der Bremer Stürmer Davie Selke hat in den drei Vorrundenspielen bisher fünfmal getroffen, in den internationalen Medien wird er als die Entdeckung der EM gefeiert, was a) der DFB-Elf hilft, b) dem Spieler selbst und c) dem Verein Werder Bremen, der ein zuletzt etwas stagnierendes Talent als euphorisches Talent zurückbekommt.

Wie sehr sich Spanien, Niederlande, Frankreich, Italien und all die anderen jetzt wegen Selke Sorgen machen müssen, ist aber noch nicht entschieden. Ob Selke zum Sukuta-Pasu wird oder zu einem Anwärter auf den Klose-Job, ist aufgrund seines eigenwilligen Spielstils auch für Experten schwer einzuschätzen. "Er hat sicher das gewisse Etwas, das es im Strafraum braucht", sagt Flick. Selke hat interessante Stürmerbewegungen, er ist schneller, als man es 1,90-Meter-Menschen zutraut, aber seine Ballbehandlung wirkt mitunter etwas, nun ja, hünenhaft. Im nächsten Moment aber wirkt sie fast wieder elegant.

In Bremen werden sie nun zeigen müssen, dass sie die Förderung junger Spieler nicht verlernt haben, Sportchef Thomas Eichin überlegt gerade, wie er Selke am ehesten gerecht wird. Er erwägt offenbar, ihn in die zweite Liga zu verleihen, aber er weiß, dass er vorher den Vertrag verlängern sollte. Der Vertrag seines neuen EM-Helden läuft 2015 aus.

© SZ vom 28.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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