TV-Ereignis Olympia (14):Mannomann und Ojeoje

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"Buckel in der Bahn", "Fehler in der Fünf": Bobfahren ist gefährlich, zumindest in Kanada. Das verlangt nicht nur den Piloten alles ab - sondern auch dem Fernsehzuschauer.

Hans von der Hagen

Gerade noch huschten die Biathleten bei der ARD durch "den dichten Flockenwirbel", schon führt uns die lustige Zwischenmoderatorin Valeska Homburg zur gefährlichsten Bahn der Welt - dem Eiskanal im Whistler Sliding Center. Fünf Teams wollen da gar nicht erst mitfahren beim ersten Lauf des Vierer-Bob, verkündet Homburg aufgeregt.

Kurve elf, Kurve zwölf und dann die 13. Die Fifty-Fifty, die so heißt, weil sie in den Anfangstagen der Bahn nur die Hälfte der Teilnehmer ohne Sturz überstand. Kaum ein Wort nutzt Kommentator Eik Galley an diesem Abend öfter. Fifty-Fifty - das soll für die wohlig-teilnahmslose Angst sorgen, die nur das Fernsehen vermitteln kann.

"Hier, wo sich der Kanadier zwei Mal überschlug", "rein in die Elf", und "wieder die Fifty-Fifty, wo es den Bob direkt an die Wand nagelt" und jetzt 153,4 Stundenkilometer. So leicht lässt es sich bei dieser Kurverei in Rage reden, auch wenn eigentlich nicht viel passiert. Zunächst.

Bob USA I mit dem Piloten Steven Holcomb - das war der mit den 153,4 Stundenkilometern - hat jedenfalls alle Schwierigkeiten mühelos gemeistert und gleich mit 50,89 Sekunden eine Bestzeit vorgelegt, die von keinem der weiteren Teams im ersten Lauf getoppt werden kann.

Auch Deutschlands Bob-Hoffnung, André Lange, der sein fünftes Olympiagold holen möchte und dessen Fahrten im Vierer-Bob von der ARD zum "letzten Kampf einer Legende" verklärt werden, bleibt im ersten Lauf 25 Hundertstel zurück. Genauso wie der Bob von Thomas Florschütz, der, so behelligt uns der Moderator, "es immer krachen lassen will".

Immerhin erfahren wir in der Zwischeneinspielung von Langes Kollegen Kevin Kuske, dass es bei André Lange noch Reserven gibt. Für den zweiten Lauf. Doch dann schiebt sich auch noch Bob Kanada I zwischen die USA und Deutschland: Rush Lyndon ist zwei Hundertstel schneller als André Lange.

So ist es im Eiskanal: Während im Startbereich einige Athleten mit "ideomotorischen Kopffahrten" die Rennen zunächst noch im Geiste durchgehen, huschen die Bobs realiter in einem Höllentempo durch die Kurven. Es schrappt und rumpelt, und die Teamfahrer verbergen sich unter ihrem Helm, nachdem sie in vier bis fünf Sekunden den Bob den Berg hinunter beschleunigen. Bobfahren ist ein Materialsport.

Kommentator Galley senkt die Stimme. "Die Russen, das wird jetzt ein Fingerzeig". "Fehler in der Fünf, nimmt den Buckel mit, der da so gefährlich in der Bahn steht." Am Ende heißt es Platz acht für Dmitrij Abramowitsch, Pilot im Bob Russland I. Und gleich erneut die Russen. Wieder senkt Galley die Stimme: "4,78 Sekunden - für sie kein guter Start."

Es geht auch nicht gut weiter für den Piloten Alexander Subkow: Der Bob stürzt um, "Schürfwunden auf dem Rücken inklusive" - aber "sie bewegen sich alle vier", ruft der Moderator erregt. "Was ist los, was ist da passiert?" fragt er sich. "Alexander Subkow. Das wird er als Demütigung wahrnehmen. Subkow, der so ein toller Pilot ist. Kopfüber ins Ziel. Ojeoje. Alexander Zubkow. Mannomann! ER würde sich am liebsten ins Eis eindrehen und verschwinden."

Bobfahren ist ein harter Sport - klar. Und die Bahnreiniger müssen ran. Es schneit stark. Sie haben Besen und fegen wie Curler in Zeitlupe.

Lesen Sie auf Seite 2, warum es keinen Olympiasieger im Vierer-Bob geben sollte

Vor dem zweiten Lauf stellt Homburg klar, dass im ersten Lauf zwei weitere Bobs gestürzt sind. Konnte man nicht sehen, weil die Übertragung so kurz war. So viele Stürze? Da muss der Mann an ihrer Seite ran. Das ist Wolfgang Hoppe, Bundestrainer der deutschen Bobfrauen.

Er ist empört. Natürlich. "Das Rennen avanciert zur Farce, es gab noch nie so viele Stürze in einem solche kurzen Zeitraum", sagt er. Der zweite Lauf bringt viele weitere. Es trifft auch John Napier mit seinem Bob USA II. "Was für ein verrücktes Rennen, es erwischt auch die Besten", japst Galley. "Napier ist schon mit acht Jahren in der Olympiabahn von Lake Placid heruntergefahren, natürlich nicht von oben." Aha.

Und immer das gleiche Bild danach: Die Helfer in ihren blauen Jacken strecken ihre Haken aus, damit die umgestürzten Bobs im Bahnauslauf nicht zurückrutschen und der Moderator beeilt sich festzustellen: "Alle bewegen sich." Er meint die Bobfahrer.

Hoppe empört sich unterdessen weiter: "Das ist eines olympischen Rennens unwürdig, was hier passiert. Wenn es die Besten der Welt nicht schaffen, wenn es Zubkow nicht schafft, dann ist schon die Frage zu stellen, was hier für eine Bahn gebaut wurde. Im Training hat es funktioniert, jetzt im schnelleren Wettbewerb nicht mehr."

"Warum sind jetzt alle schneller?", hakt Homburg ein. "Weil sie motivierter als im Training sind", sagt Hoppe. "Was wäre eine saubere Lösung?" "Das Rennen abbrechen, dann gibt es eben keinen Olympiasieger im Vierer-Bob."

Der Beste des ersten Laufs kommt allerdings auch im zweiten Lauf ohne Probleme nach unten. Steven Holcomb mit seinem Bob USA I, der mangels Lackierung Night Train genannt wird, führt das Rennen im Vierer-Bob weiterhin an.

Es ist ein harter Abend für die Zuschauer. So viele Stürze. Aber Maria Riesch hat ja nebenbei noch Gold geholt. Und Kanadas hübsche Curlerin Cheryl Bernard, die mit den Augen eines Huskies, spielt im Finale gegen Schweden. Zeit, sich zu erholen.

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