TV-Ereignis Olympia (2):Mit dem Ofenrohr ins Gebirge

Lesezeit: 3 min

Manchmal möchte man den Ton einfach ausdrehen. Wenn das Wetter in Vancouver schon ärgerlich ist, sind es die Fernsehexperten umso mehr.

Carsten Matthäus

Es ist nicht viel los bei Olympia im deutschen Fernsehen. Da blenden sie einfach Bilder von schlafenden oder kekskauenden Kindern in Vancouver ein. Gerade kämpfen sich die letzten Teilnehmer des Biathlon-Sprints über die Ziellinie, aber sie haben ja eh keine Chance mehr. Oder "kaane Schaaans", wie ZDF-Experte Herbert Fritzenwenger zum x-ten Mal gesagt hat.

Gefangen in Wind und Schnee: Biathlet Michael Greis. (Foto: Foto: Reuters)

Der Mann weiß einfach alles. Zünftig bairisch redet er daher, ein Gscheidhaferl würde man ihn im Freistaat nennen. Das ist einer, der zu jedem noch so geringen Fakt etwas erzählt, ungefragt natürlich. Bei jedem Schuss sagt Fritzenwenger sofort: "Fehler, rechts tief", oder: "Zwei Rasten mehr nach links!". Verschmitzt bemerkt er dann, dass die Läufer seine wertvollen Tipps jetzt gerade nicht hören. Ach.

Aber dann, mitten im Rennen, hat er sein endgültiges Experten-Verdikt gefunden. Es sei ein "reines Startnummernrennen", sagt er und wiederholt das freimütig wieder und wieder. Die Deutschen mit ihren hohen Startnummern schauen laut ZDF-Experte Fritzenwenger bei so einem Rennen "natürlich mit dem Ofenrohr ins Gebirg", was dem Spruch "ganz blöd aus der Wäsche" entspricht. Wortreich und in Endlosschleife redet er von "stumpfem Schnee" und von Wasser im Zielfernrohr.

Ja, wir Zuschauer haben es verstanden! Wir müssen es nicht von einem Dampfplauderer immer wieder ins Ohr geblasen bekommen. Sieht ja jeder, dass das Wetter bei diesem Biathlon-Rennen für jeden Mist war, der nicht unter den ersten zehn Startern war.

Man kann es auch einmal kurz erklären, dass es mit Langlaufen und Schießen nicht so weit her ist, wenn es erst regnet, dann schneit und schließlich die Sonne rauskommt. Man braucht es aber eigentlich gar nicht sagen, denn es gibt Fernsehbilder mit Regen und Schnee und schlechter Sicht und so.

Wenn das Wetter in Vancouver schon ärgerlich ist, dann sind die mitgereisten Fernsehexperten die echte Pest. Es sieht fast aus, als würden sich die Moderatoren von ARD und ZDF nicht mehr allein vor die Kamera trauen. Immer steht da noch ein ausgedienter Sportler oder Trainer und redet mit bedeutungsvoller Miene - gefragt oder ungefragt - neunmalklug daher.

Was aber wirklich schlimm ist, ist die damit verbundene Relativierung der sportlichen Höchstleistungen. Natürlich hat einer, der gerade beim Langlauf der Nordischen Kombination an allen vorbeiläuft, "einen Superski". Selbstredend haben die deutschen Teilnehmer vorher beim Springen "richtig Pech mit dem Wind" gehabt. Dass ein Konkurrent mit einem perfekten Sprung gewann, fiel im verbalen Windgeschwurbel kaum noch auf.

Gar nicht zu reden von den deutschen Biathleten - die hätten nach einhelliger Expertenmeinung gar nicht erst anzutreten brauchen, so "schaasenlos" waren die. Der Gewinner der Goldmedaille, der Franzose Vincent Jay, musste dann auch sofort bestätigen, dass er nur wegen der niedrigen Startnummer gewinnen konnte. Da zählt beim ZDF die Expertenehre mehr als der Respekt vor der Leistung.

Lesen Sie weiter auf Seite 2

Vom Experten lernt man auch, das Langlaufski "zumachen" können, wenn sie zu "fein geschliffen" sind. Weil man ja offenbar unter sich ist in der gebührenfinanzierten kanadischen Expertenwelt, werden solche Fachbegriffe auch nicht weiter erklärt. Ganz nach der urdeutschen Unart: Als schlau gilt, wer so geschwollen daherredet, dass ihn keiner mehr versteht.

Öffentlich-rechtliche Moderatoren und ihre mitgereisten Experten-Vasallen delektieren sich dermaßen an den Feinheiten des Materials, dass es sogar schon die Sportler nervt. Der deutsche Kombinierer Tino Edelmann blaffte seinen Interviewer bei der ewigen Frage nach dem Skibelag mit den Worten an: "Aufs Material brauchen wir gar nix schieben." Als er damit bei dem vermeintlich hoch kompetenten Mikrofonhalter auf Unverständnis stieß, sagte er: "Ich bin einfach geplatzt. Dann kam der Mann mit dem Hammer". Man sei eben am Anfang etwas zu schnell losgerannt, dann sei einem eben der Saft ausgegangen.

Nichts anderes hat der Zuschauer gesehen, wegen nichts anderem machte es Spaß, das spannende Langlauf-Finale der Kombinierer anzuschauen. Da liefen sich ein paar Athleten auf den letzten Metern die Lunge aus dem Leib. So sehenswert, so einfach.

Was aber sind Experten wert, die einem mit Schnee- und Material-Blabla diesen Spaß verderben.

© sueddeutsche.de - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: