Deutscher Schwimm-Verband:Turbulenzen im Cockpit

Lesezeit: 2 min

Sarah Köhler: Will sich wie eine größere Gruppe von Athleten explizit nicht von DSV-Präsident Troll in Tokio vertreten lassen (Foto: Annegret Hilse/Reuters)

Der neue DSV-Präsident Marco Troll genießt bei vielen Schwimmern kein Vertrauen - will sie aber trotzdem bei Olympia anführen. Athletensprecherin Sarah Köhler führt dagegen nun einen Widerstand an.

Von Claudio Catuogno, München

Lutz Buschkow soll es also noch mal richten für die deutschen Schwimmer, und eines kann man schon sagen: Es wird wieder eine bildhafte Sprache einziehen in die Leistungssportabteilung des Deutschen Schwimm-Verbands (DSV). Von 2008 bis 2016 war Buschkow schon einmal Direktor Leistungssport, einen seiner prägnanten Sätze sagte er am Ende der medaillenlosen Spiele 2012 in London: Man habe vielleicht "mehr Karpfen als Delfine". Da fühlten sich einige angesprochen.

Inzwischen haben sie wieder ein paar Delfine, allen voran die Athletensprecherin und WM-Zweite Sarah Köhler, 26, sowie Weltmeister Florian Wellbrock, 23, der kürzlich über 1500 Meter Freistil eine Weltjahresbestzeit vorgelegt hat Richtung Olympia im Sommer in Tokio. Das Problem ist eher das Becken selbst, in dem die Wellen hochschlagen wie lange nicht: der DSV. Lagerbildung und Nicht-Kommunikation prägen bisher nach Ansicht vieler die Amtszeit des im November 2020 gewählten Präsidenten Marco Troll. Und dazu sagt nun also Buschkow, 63, frisch reaktiviert: "Wenn ein Flugzeug in 10 000 Metern Höhe in Turbulenzen gerät und jemand gesucht wird, der im Cockpit aushilft, kann man sich als Passagier wegducken oder sagen, ich bin den Jumbo schon mal geflogen, ich springe ein."

Jetzt wieder Bundestrainer Wasserspringen und Direktor Leistungssport in Personalunion: Lutz Buschkow (Foto: Georg Ismar/dpa)

Die Turbulenzen mündeten am Freitagabend in eine Präsidiumssitzung, an deren Ende der DSV per Pressemitteilung die Personalie Buschkow verkündete. Der langjährige Chef-Bundestrainer der Wasserschwimmer solle zusätzlich auch die "Koordination der sportlichen und organisatorischen Vorbereitung auf die Olympischen Spiele in Japan anführen", hieß es - interimsweise. Der Posten des Leistungssport-Chefs ist vakant, weil Trolls Vorstand im Februar Thomas Kurschilgen entlassen hatte, ohne bisher intern oder extern über die Gründe zu informieren. Dem Olympiasieger Michael Groß, 56, der von den Bundestrainern um Bernd Berkhahn und Hannes Vitense nachdrücklich als Interims-Sportchef empfohlen worden war, sagte der Vorstand ab. Sicher auch, weil Buschkow billiger zu haben war. Ob er den Sturzflug des Schwimm-Jumbos nun stoppen kann?

Wichtige Zahlen zur Finanzplanung fehlen bisher

Erfahrung hat er. Aber der Riss, der sich durchs Schwimmerlager zieht, wird sogar in der Pressemitteilung offengelegt. Das Präsidium befürworte die Personalie, hieß es, "lediglich Athletensprecherin Sarah Köhler" habe eine abweichende Meinung vorgetragen: "Von der Personalie Lutz Buschkow haben wir erst in der Präsidiumssitzung erfahren", wird sie zitiert, "somit war kein umfassendes Meinungsbild der Athlet*innen einzuholen." Als "mündige Athlet*innen" erwarte man aber, "dass wir in den Entscheidungsprozess einbezogen werden". Und das war nur die rundgeschliffene Version. Nach SZ-Informationen soll Köhler in der Sitzung noch deutlicher geworden sein. Denn während Buschkow ja laut Mitteilung die "Vorbereitung anführen" soll, will offenbar Marco Troll selbst die Delegation der DSV-Sportler in Tokio anführen. Doch eine größere Gruppe von Athleten will sich explizit nicht von Troll und dessen Vize Harald Walter in Tokio vertreten lassen. "Athleten-Aufstand gegen Schwimm-Boss Troll", berichtete bereits die Bild. Wobei auch zur Wahrheit gehört: Am Ende nominiert der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) die Delegationen, und in der Vergangenheit ist schon mancher Ehrenamtler, der doch extra für Olympia Urlaub genommen hatte, am Ende doch zuhause geblieben.

Dass Troll und Walter trotzdem weiter auf Konfrontation setzen, wurde kurz vor der Sitzung deutlich: Da beriefen sie den Anti-Doping-Beauftragten ab, der zuvor in einem Brief kritische Fragen gestellt hatte. So war sichergestellt, dass er die Fragen am Abend in der Sitzung nicht wiederholen konnte. Dass Trolls Vorstand bisher auch wichtige Zahlen zur Finanzplanung schuldig blieb, verunsichert wiederum immer mehr Landesverbände - die im Fall einer finanziellen Schieflage des DSV haften müssten. Das Thema steht am Montag auf der Tagesordnung. Es dürfte wieder turbulent werden.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Krise im Schwimmsport
:Wir leiden!

Chaos, Intransparenz, "Krise zur Unzeit": In einem offenen Brief an den Präsidenten des Deutschen Schwimm-Verbands erheben Bundestrainer und Sportler schwere Vorwürfe. Unterstützt werden sie von Franziska von Almsick und Britta Steffen.

Von Claudio Catuogno

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: