Türkgücü München:Am Ende des Geduldsfadens

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"Die Situation ist nicht einfach": Türkgücü-Geschäftsführer Max Kothny kämpft an allen Ecken und Enden mit Problemen. (Foto: Ulrich Gamel/kolbert-press/imago)

Türkgücü München hat nach der Beurlaubung von Peter Hyballa noch immer keinen neuen Trainer gefunden. Der DFB macht dem Drittligisten klar: Je länger es dauert, desto höher fällt die Strafe aus. Und es droht weiteres Ungemach.

Von Christoph Leischwitz

Am Dienstagvormittag war Max Kothny gerade irgendwo angekommen, er könne nicht sagen wo, schließlich würde das Rückschlüsse ermöglichen auf den Trainer, mit dem er sich treffe. Der Geschäftsführer von Türkgücü München ist zusammen mit dem Sportlichen Leiter Roman Plesche gerade sehr viel in Deutschland unterwegs (so viel verriet er schon mal), noch mehr als sonst. Kothny sagt, er wolle sich "ein ganz breites Bild machen", und: Es gebe genügend Kandidaten für die freie Trainerstelle.

Aber er hat es eben auch eilig, denn der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat dem Drittligisten in den vergangenen Tagen schon recht deutlich mitgeteilt: Je länger ihr braucht, umso höher fällt die Strafe aus. Kothny sagt, das Ziel sei, noch vor Weihnachten einen neuen Trainer präsentieren zu können. Eher unwahrscheinlich ist, dass der Neue schon am kommenden Samstag an der Seitenlinie im Olympiastadion steht, wenn Türkgücü zu Beginn der Rückrunde und zum Ende des Kalenderjahres sein erstes echtes Abstiegskampf-Duell bestreitet: Der 16. empfängt den 17., den SC Verl. Für einen neuen Verantwortlichen wäre das ohnehin ein ziemlich undankbares Spiel.

Türkgücü hatte nach der Beurlaubung von Peter Hyballa keinen neuen Pro-Lizenz-Trainer verpflichtet, obwohl dies laut Statuten innerhalb von 15 Werktagen vorgeschrieben ist. So musste sich auch der Verband erst einmal schütteln: Wie soll die Strafe ausfallen? Auf Nachfrage erklärt der DFB seinen möglichen Handlungsspielraum: "Als mögliche Vertragsstrafen sind im Zulassungsvertrag der 3. Liga unter anderem festgehalten: Verwarnung, Geldstrafen bis zu einer Höhe von 250 000 Euro, eine befristete Sperre des Teilnehmers bis zu höchstens zwei Monaten, Aberkennung von Punkten, Platzsperre."

Wenn eine Geldstrafe ausgesprochen wird - und davon ist auszugehen -, dann werde man auch berücksichtigen, "wie lange das betreffende Kriterium nicht erfüllt war". Es ist allerdings damit zu rechnen, dass der DFB von anderen Maßnahmen wie einem Punktabzug absieht, wenn der Trainer noch dieses Jahr präsentiert wird - und das stellt Kothny ja in Aussicht.

Ausgerechnet jetzt muss der Klub auch noch für den Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit nachsitzen

Diese Trainerfrist-Überschreitung ist der erste Fall seit zwölf Jahren - der FC Bayern München II musste 2009 für U23-Trainer Mehmet Scholl 7500 Euro zahlen, weil er nur die B-Lizenz besaß. Türkgücü gilt bei vielen schon jetzt als Klub, der gerne über die Stränge schlägt. So hatte sich etwa die Stadt München, gelinde gesagt, unter Druck gesetzt gefühlt, weil der Verein ein eigenes Klubgelände braucht - die Stadt hat bislang noch kein Grundstück ausfindig machen können, und man fragt sich, ob das vielleicht zumindest teilweise am falschen Ton lag, der angeschlagen wurde. Der Migrantenklub hatte dann öffentlich damit geliebäugelt respektive gedroht, in ein anderes Bundesland zu ziehen, wohl wissend, dass auch dies laut Statuten nicht möglich ist. Und mit dem Bayerischen Fußball-Verband ist das Tischtuch sowieso zerschnitten, nachdem Türkgücü sich im vergangenen Jahr in den DFB-Pokal klagen wollte.

Aus dem Umfeld der Verbände ist einhellig zu hören: Türkgücü hat den Geduldsfaden schon jetzt arg strapaziert und sollte aufpassen, dass er nicht reißt. Immerhin gab sich Kothny einsichtig: Er verstehe, dass es die Statuten gebe, er sei auch "proaktiv auf den Verband zugegangen", so der 25-Jährige, "aber die Situation ist eben nicht einfach". Bis Freitag muss Kothny auch noch eine zusätzliche schriftliche Stellungnahme beim Verband abgeben.

Kothny hätte auch ohne die Trainersuche genug zu tun. Der geplante Börsengang muss vorbereitet, potenzielle Geldgeber müssen akquiriert werden, der Kader soll nach SZ-Informationen auch wieder umgebaut werden. Bisweilen wird Türkgücü auch von alten Problemen eingeholt. So hatte der Verein bis vor Kurzem auch noch einen Rechtsstreit mit Reiner Maurer auszufechten, der bis Mai 2020 Trainer Türkgücüs war und vor dem Arbeitsgericht eine nicht bezahlte Prämie für den Drittliga-Aufstieg einklagte. Wie die SZ erfuhr, einigte man sich erst Ende November, anderthalb Jahre später, außergerichtlich. Der Streit hatte sich allerdings auch deshalb so lange hingezogen, weil eine Arbeitsgerichtskammer monatelang nicht besetzt war. Maurer ist heute Co-Trainer beim Bundesligisten FC Augsburg.

Und es gibt neue Aufgaben. So muss Türkgücü für den vom Verband verlangten Nachweis der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit erst noch nachsitzen. Wie Max Kothny auf Anfrage mitteilte, müssten Ausfälle auf der Einnahmenseite ausgeglichen werden. Bis zum 20. Januar hat man Zeit für den Nachweis einer Kapitalerhöhung. Nun muss er hoffen, dass die Strafe für die Trainerfrist-Überschreitung nicht auch noch die Ausgabenseite übermäßig belastet.

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