TSV 1860 München:Fuchs schlägt Löwen

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Ab zur Party: Lukas Wenzel (rechts) hat im Elfmeterschießen drei von fünf Versuchen der Sechziger abgewehrt. (Foto: Hilpert/Fotostand/Imago)

"Wir haben es nicht verdient, weiterzukommen": Der TSV 1860 München scheitert im Verbandspokal-Halbfinale am Regionalligisten TSV Aubstadt. Dessen Torwart Lukas Wenzel avanciert mit seinen Paraden zum Dorfhelden.

Von Christoph Leischwitz

Dass sich der TSV 1860 München in dieser Saison im Toto-Pokal schon öfter schwergetan hatte, ließ erahnen, dass es auch im Halbfinale beim TSV Aubstadt zäh werden könnte. Und die vorherigen Probleme gegen die Außenseiter aus der Regionalliga waren jetzt sogar mit ein Grund fürs Ausscheiden: Vergangenen September hatten die Löwen nämlich in Burghausen nur im Elfmeterschießen gewonnen - und die Schüsse in der Wacker-Arena boten jetzt dem Aubstädter Keeper Lukas Wenzel wichtiges Recherchematerial. Zehn Tage nach seinem 23. Geburtstag wurde der Keeper der Unterfranken zum Pokalhelden, weil er erstens in den Schlussminuten der regulären Spielzeit mit zwei Paraden ein 1:1 festhielt. Und zweitens im Elfmeterschießen drei von fünf Schüssen abwehrte.

"Ich bin halt ein Fuchs", sagte er nach dem Spiel schmunzelnd im BR-Fernsehen: Wenzel hatte sich einen Zettel vorbereitet, auf dem die Rückennummern der Sechzig-Spieler standen und jeweils vermerkt war, wohin sie wohl schießen würden. Anschauungsmaterial hatte er ja auch durch das Elfmeterschießen der Löwen im DFB-Pokal gegen Darmstadt 98. Und dass Marcel Bär, der vierte und letzte Sechzig-Schütze, in die Mitte zielen würde, das hatte sich Wenzel offensichtlich aus dessen Elfmeter beim 2:0-Erfolg der Sechziger zwei Wochen zuvor bei Viktoria Berlin abgeleitet.

Beim Abschlusstraining am Donnerstagabend hatte der Zoll beim Amateurklub eine Schwarzarbeit-Kontrolle durchgeführt

"Ich wusste vor dem Spiel, dass er einen Zettel hatte. Ich glaube, er hat ihn in der Pause vor dem Elfmeterschießen erst auf die Flasche geklebt", freute sich Trainer Victor Kleinhenz. Und scherzte: Wenn das jetzt mit dem Gewinnen des Toto-Pokals klappen sollte, wer weiß, vielleicht stellen sie dann die Trinkflasche ihres Torwarts in der Vitrine direkt neben die Trophäe. Seine Mannschaft hatte sich nicht einmal von einer kleinen Razzia aus dem Konzept bringen lassen: Beim Abschlusstraining am Donnerstagabend hatte der Zoll beim Amateurklub eine Schwarzarbeit-Kontrolle durchgeführt.

Die Sechziger verabschiedeten sich wortkarg aus dem Rhön-Grabfeld-Kreis, wobei Trainer Michael Köllner schon auch ein paar deutliche Sätze sagte: "Wir haben es nicht verdient, weiterzukommen", fand er. Da hatte er Recht, auch wenn seine Mannschaft nach der Aubstädter Führung durch einen Kopfball von Tim Hüttl (67.) dann doch noch tonangebend gewesen war. Trotzdem wirkte beim Gegner aber nicht nur der Torwart besser vorbereitet auf dieses Spiel. "Ja, absolut", sagte Aubstadts Trainer Kleinhenz auf die Frage, ob der taktische Plan aufgegangen war, "wir waren von Anfang an gut im Spiel, und was mir besonders gut gefallen hat: Wir haben uns super aus Drucksituationen befreit. Ich habe keinen Klassenunterschied gesehen."

Platz vier in der Liga führt auch in den DFB-Pokal - und wird für die Löwen nun zum Minimalziel

Auch der Führungstreffer geht auf die "akribische Arbeit" zurück, die in dem Verein laut Kleinhenz schon seit Jahren praktiziert wird. "Beide Mannschaften waren ja recht klein aufgestellt", dozierte der 30-jährige Coach, insofern hatte man sich bei Eckbällen auch etwas ausgerechnet. Für die Eckbälle sei der Co-Trainer Christopher Bieber zuständig. Den Aubstädtern gelang ein Verwirrspiel: Vor der Flanke von Ingo Feser, für die einige Zuschauer an der Bande noch einmal ehrfürchtig ihre Bierbecher aus dem Weg zogen, lief direkt am Fünfer der Abwehrspieler Christian Köttler einmal quer, zog mehrere Sechziger auf sich. Hüttl, 23, der laut eigenem Bekunden seit der U19 kein Tor mehr erzielt hatte, kam aus kurzer Distanz frei zum Kopfball und überwand Sechzigs Pokaltorwart Tom Kretzschmar. Das Tor sei ein "Weckruf" gewesen, sagte Köllner, den seine Mannschaft nach 67 Minuten offensichtlich noch nötig hatte. Salger köpfelte an die Latte (69.), dann glich Bär aus, indem er den einzigen groben Aubstädter Abwehrschnitzer ausnutzte: Bei einer eigentlich harmlosen Flanke waren Wenzel und Köttler zusammengeprallt (74.).

Für die Sechziger, denen zehn Spieler verletzungs- oder coronabedingt fehlten, endete der vermeintlich einfachere Weg zum wichtigen Ziel DFB-Pokal-Teilnahme in einer Sackgasse. Dafür ist jetzt schon der vierte Platz in der dritten Liga nötig, der damit auch zum Minimalziel für die Saison wird. Noch in der Halbzeit der Partie hatte sich Sechzigs Geschäftsführer Günther Gorenzel beim BR gar nicht darüber freuen können, dass die eigenen Chancen auf einen Aufstiegsplatz durch den Rückzug von Türkgücü München gestiegen sind. Der Österreicher sprach vielmehr von einer "Katastrophe", vor allem für die Spieler und Mitarbeiter des Stadtrivalen, "ich kann jedem nur wünschen, dass er im kommenden Jahr einen neuen Vertrag irgendwo bekommt". Wobei er dabei auch behilflich sein könnte: Viele dieser Spieler waren zu Türkgücü gekommen, weil sie gerne in München leben und arbeiten. Sechzig zahlt nicht die Gehälter, die bei Türkgücü flossen, ist dafür aber ein zuverlässiger Arbeitgeber. Und das gilt selbst dann noch, wenn die Löwen in der kommenden Saison als Drittligist nicht im DFB-Pokal stehen sollten.

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