TSV 1860 München:Die Antwort

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Mölders-Ersatz auf der Mittelstürmer-Position: Torschütze Marcel Bär (links) bejubelt mit Dennis Dressel seinen Treffer zum 2:0. (Foto: Marco Steinbrenner/Kirchner-Media/imago)

Ohne Sascha Mölders, dafür mit einem Betonsystem und großem Kampf, kommt der TSV 1860 München zu einem 2:0 bei Borussia Dortmund II. In Stefan Lex und Marcel Bär treffen die beiden Stürmer.

Von Christoph Leischwitz

Robert Reisinger stand während der ersten Spielhälfte bei den Fans, doch im zweiten Durchgang saß er bei den Offiziellen auf der Haupttribüne. Und so konnte, wollte oder musste der Präsident des TSV 1860 München nicht mitsingen, als sich kurz nach der Pause die Anhänger zum ersten Mal zur Causa Sascha Mölders äußerten. Bis dahin war es überraschend still geblieben in dieser Angelegenheit. Man würde insbesondere Sechzig-Fans zutrauen, nach Bekanntwerden der Suspendierung des Kapitäns das Vereinsgelände zu stürmen oder dort zumindest Banner aufzuhängen. Nichts von alledem war passiert in einer Woche, die der Mittelfeldspieler Richard Neudecker später mit "turbulent", "anstrengend" und "ungewöhnlich" betitelte. Doch nach dem Tor zum 2:0 der Löwen im Stadion Rote Erde positionierten sich die Fans. Nicht lautstark, aber hörbar sangen sie: "Siehst du, Sascha, so wird das gemacht." Dann war damit aber wieder Schluss.

Beim erlösenden 2:0-Auswärtssieg gegen Borussia Dortmund II gaben sich alle Beteiligten größte Mühe, diesen Moment ohne Sascha Mölders zu feiern, ohne an Sascha Mölders zu denken. Weder im Positiven noch im Negativen. Das hatte schon vor der Partie begonnen, als Trainer Michael Köllner im Einstimmungsinterview bei Magentasport konkrete Nachfragen zu den Vorfällen seit dem Mölders-Rauswurf schlicht ignorierte. "Es wäre fatal, sich jetzt hinter Sascha Mölders zu verstecken", sagte er.

"Jeder muss ein Stück weit mehr Verantwortung übernehmen", sagt Lex, "ich glaube, das ist gelungen."

Nach dem Spiel trafen sich alle unten auf dem Rasen, als wollten sie sich in jenem Glücksmatsch suhlen, der zu diesem richtungsweisenden Sieg beigetragen hatte - Köllner hatte die Mannschaft taktisch passend auf die äußeren Begebenheiten und den Gegner eingestellt, mit einem 5-2-1-2-Betonsystem, das sich aber auch gut für schnelle Gegenstöße eignete. Und kämpferisch sowieso. "Jeder muss ein Stück weit mehr Verantwortung übernehmen", sagte der neue Kapitän Stefan Lex nach dem Spiel, "ich glaube, das ist gelungen."

Nun erschien der Investorenvertreter Anthony Power unten auf dem Rasen und umarmte den Trainer herzlich, Power stand anschließend sogar mit im Mannschaftskreis, um sich dann auch noch demonstrativ lang mit Präsident Reisinger und Geschäftsführer Günther Gorenzel zu unterhalten - die Frage nach Gorenzels Zukunft ist nach der turbulenten, anstrengenden, ungewöhnlichen Woche offenbar auch noch nicht geklärt. Sein Vertrag läuft Ende des Jahres aus und müsste erst noch verlängert werden.

Rein sportlich hatte die Partie zu Beginn fast genauso ausgesehen wie zuletzt in der 0:5-Horrorhälfte gegen Magdeburg: große Unsicherheit bei hohen Bällen in den Sechzehner, Gegenspieler, die im Strafraum frei zum Schuss kommen. Entscheidend für den Spielausgang waren die beiden Paraden von Torwart Marco Hiller in der vierten Minute, als er die Schüsse von Immanuel Pherai und Richmond Tachie bravourös abwehrte. Danach wurde der Unterschied zu den vorigen Spielen deutlich: Die Mannschaft ließ sich diesmal nicht einschüchtern, die Abwehr geriet nicht weiter ins Schwimmen.

Köllner kann sich den Luxus erlauben, in Milos Cocic einen Debütanten einzuwechseln

Es dauerte eine Viertelstunde, ehe sich die Sechziger vors gegnerische Tor kämpften, doch fortan hatten sie die Partie fast immer im Griff. Und gerade dann, wenn ein Mittelstürmer mit 1,85 Meter Körpergröße plötzlich weg ist, trifft natürlich ein Stürmer mit 1,78 Meter Körpergröße per Kopf zur Führung, nach einer vermeintlich harmlosen Flanke aus dem Halbfeld: Stefan Lex setzte den Ball platziert ins linke Eck (25.), die 150 Fans feierten, und in Wahrheit waren es sogar ein wenig mehr: 960 Zuschauer waren gekommen, und auf der Haupttribüne war schnell deutlich geworden, dass viele Löwen-Anhänger es geschafft hatten, das Heim-Kontingent abzugreifen.

Gewonnene Zweikämpfe, viele eroberte zweite Bälle, die Stärke bei Standards - all dies sind Indizien, dass die Mannschaft einsatzbereiter war als in vorigen Spielen. Auch das 2:0 fiel per Kopf, in Marcel Bär traf auch noch der zweite Angreifer. Fabian Greilinger und vor allem Richard Neudecker spielten besonders auffällig, und wenn Belkahia in der 84. Minute per Kopf nach einem Eckball getroffen hätte - der Ball wurde auf der Linie von Christian Viet geklärt -, wäre das Selbstvertrauen wohl ins Unermessliche gestiegen. Der Frust der Dortmunder mündete dann in einer roten Karte für Tachie (88.). Köllner konnte sich kurz vor Schluss sogar noch den Luxus erlauben, in Milos Cocic einen Debütanten einzuwechseln. "Glückwunsch. Es war sicher keine einfache Woche, sie haben die richtige Antwort gegeben" - das sagte dann Dortmunds Trainer Enrico Maaßen.

Der Bus der Sechziger, der sie anschließend zum Flughafen brachte, stand im schmalen Zwischenraum zwischen dem Stadion Rote Erde und der Dortmunder Bundesliga-Arena zum Beladen bereit. Dort sind altgediente BVB-Spieler auf der Wand verewigt. Und so sah, direkt neben dem Bus, ausgerechnet ein dribbelnder Siggi Held zu, wie die Löwen einstiegen und zufrieden abfuhren. Held stand 1966 auf dem Platz, als die Löwen im selben Stadion mit einem Sieg am vorletzten Spieltag den Grundstein für ihre einzige deutsche Meisterschaft legten. Sie werden diesen Ort auf jeden Fall in guter Erinnerung behalten. Es war für die Sechziger der erste schöne Tag seit Langem.

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