TSV 1860 in der Einzelkritik:Stoisch im Kühlschrank

Der TSV 1860 trotzt der Kälte und gewinnt gegen Energie Cottbus 2:0. Ein Löwen-Schweinsteiger organisiert dabei das Spiel, Benjamin Lauth reichen zwei Tore, ein Winterzugang erhält sogleich ein Sonderlob und die Fans ätzen gegen Investor Ismaik. Der TSV 1860 in der Einzelkritik.

Jonas Beckenkamp, Fröttmaning

TSV 1860 in der Einzelkritik

Gabor Kiraly

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(Foto: imago sportfotodienst)

Der TSV 1860 trotzt der Kälte und gewinnt gegen Energie Cottbus 2:0. Ein Löwen-Schweinsteiger organisiert dabei das Spiel, Benjamin Lauth reichen zwei Tore, ein Winterzugang erhält sogleich ein Sonderlob und die Fans ätzen gegen Investor Ismaik. Der TSV 1860 in der Einzelkritik. Von Jonas Beckenkamp, Fröttmaning. Gabor Kiraly Trug mit seiner gewohnt schlabberigen, grauen Turnhose als einziger Akteur auf dem Feld angemessene Kleidung gegen die Kälte. Musste sich trotzdem fortwährend den Frost aus den Händen Reiben, denn: viel zu tun bekam er nicht. Wollte in der ersten Halbzeit mit einem ewig weiten Abwurf einen auf Manuel Neuer machen und das Spiel von hinten ankurbeln - schmiss den Ball aber formschön dem Gegner vor die Füße. Wirkte insgesamt ruhig und aufmerksam, was bei derartiger Unterbeschäftigung schon eine Leistung ist. Wurde von den Fans gefeiert und klatschte artig zurück - vielleicht auch, um sich warm zu halten.

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Antonio Rukavina

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(Foto: dpa)

Der Serbe (Bild, ganz rechts) drohte in der ersten Halbzeit zunächst festzufrieren, denn die Cottbuser verzichteten komplett auf Vorstöße über seine rechte Abwehrseite. Probierte es dann immer öfter mit mutigen Läufen entlang der Linie und stieß beherzt bis zur Grundlinie vor. Beeilte sich dann, zurückzusprinten - und wirkte somit um einiges agiler als sein Gegenüber Stefan Buck auf der linken Löwen-Seite. Nach der Pause zurückhaltender, nach hinten aber weiter sicher und umsichtig. Wird sich gefreut haben, dass der Gegner über links kaum etwas zustande brachte - auch wenn das nicht unbedingt an ihm lag.

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Necat Aygün

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Gab in der Innenverteidigung den robusten Turm, der vor allem im Luftkampf häufig herausragte. Ansonsten etwas steif in seinen Bewegungen und mit unterkühlt-altmodischem Aufbauspiel. Rumpelte zwar oft kernig dazwischen, wenn es eng zuging - verzichtete jedoch auf elegante Lösungen im Sinne moderner Verteidigerkunst. Ließ in der zweiten Halbzeit als Einziger die Handschuhe in der Kabine, nachdem er vor der Pause mehrfach irritiert an den Dingern herumgezupft hatte. Immerhin machte er es damit besser als zuletzt FCK-Verteidiger Rodnei: Der Brasilianer schleppte seine Überzieher gegen Köln eine komplette Halbzeit übers Spielfeld ohne sie anzuziehen.

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Christopher Schindler

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Im Vergleich zu seinem Nebenmann Aygün deutlich gelenkiger, dafür aber immer wieder mit verwirrenden Standschwierigkeiten: Rutschte, schlitterte und purzelte mehr als er lief - und schaffte es dennoch, bei den wenigen Cottbuser Offensivaktionen aufmerksam dazwischenzupoltern. Für seine 21 Jahre schon erstaunlich resolut. Das bestätigte er auch direkt nach Schlusspfiff: Schnappte sich erleichtert den verdutzten Aygün und herzte seinen Defensivpartner ausgiebig. Ob ihm dadurch wärmer wurde?

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Stefan Buck

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(Foto: dpa)

War lange verletzt und bekam von Trainer Maurer nach engagierter Vorbereitung gleich hinten links das Vertrauen. Verbrachte dort insgesamt einen unglücklichen Abend: Wirkte zu Beginn fahrig und mutlos, stand zu weit von seinem Gegenspieler entfernt und ließ sich ein ums andere Mal ausspielen als wäre er eine Slalomstange und Gegenspieler Jules Reimerink Alberto Tomba. Lud die Cottbuser mit seiner Konzeptlosigkeit zu einigen ungestörten Offensivmätzchen ein, hatte dabei Glück, dass nicht mehr passierte. Steigerte sich später etwas, wobei vor allem ein rasanter Sololauf bis in den Energie-Strafraum in Erinnerung blieb.

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Kai Bülow

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(Foto: dapd)

Agierte in dieser Saison bereits als Innenverteidiger, ist nun aber ein Stückchen nach vorne gerückt. Interpretierte seine Rolle vor der Abwehr seltsam ungestüm: Zu seinem durchaus bemerkenswerten Biss im Zweikampf gesellten sich allzu oft haarsträubende Passfehler. Veranstaltete sein ganz privates Bogenlampen-Festival, indem er gleich drei Bälle in Serie senkrecht in den tiefschwarzen Münchner Nachthimmel drosch. Vielleicht erhoffte er sich von den vielen Kerzen ein wenig Wärme. Versuchte es danach weiter mit langen Bällen - die segelten aber mitunter ziellos zu den Balljungen.

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Daniel Bierofka

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(Foto: dapd)

War einst ein quirliger Außenstürmer, der es sogar auf drei Länderspiele brachte. Hat sich nach vielen Verletzungen als eine Art Löwen-Schweinsteiger neu erfunden - und macht seine Sache gut. Übernahm chefmäßig jeden ruhenden Ball, kommandierte seine Kollegen lautstark herum und verteilte als Taktgeber klug die Kugel. So auch vor dem 1:0, als er punktgenau auf Benjamin Lauths Kopf flankte. Stand nach dem Spiel als Erster mollig eingepackt vor den Reportern und überraschte mit der Erkenntnis: "Mit der Kälte ging es eigentlich. Wenn man auf dem Platz herumläuft, merkt man das nicht so." Blieb in sportlichen Belangen aber realistisch: "Wir brauchen jetzt keine Luftsprünge machen - zur Spitze fehlen uns noch einige Punkte."

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Stefan Aigner

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(Foto: dapd)

Vertändelte gleich zu Beginn eine gute Schusschance, rackerte aber fleißig weiter und erkämpfte sich über rechts einige Bälle. Wollte mit seinen wuseligen Dribblings Löcher reißen, rannte sich aber ein ums andere Mal fest. War jedoch stets anspielbar, was ihn regelmäßig zum Ausgangspunkt gefährlicher Aktionen des TSV werden ließ. Umkurvte in der 68. Minute bei einem Konter Gäste-Keeper Kirschbaum und servierte Kevin Volland die wohl simpelste Einschussgelegenheit seines gesamten Stürmerlebens - doch der junge Angreifer traf den Pfosten. Als Aigner kurz darauf ausgepumpt vom Feld trabte, brandete aus der Fankurve wohlwollender Applaus auf.

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Djordje Rakic

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(Foto: dapd)

Kam für den weiter verletzten Daniel Halfar auf der linken Seite zum Einsatz und erfüllte seine Aufgabe mit wechselhaftem Erfolg. Hielt zunächst zu lange die Bälle und verirrte sich im Dickicht der Cottbuser Abwehrbeine. Glänzte dafür als einzig Unerschrockener in kurzärmeliger Arbeitskleidung, als wolle er sagen: Einen echten Löwen haut doch die Saukälte nicht um - so passte es ins Bild, dass er Mitte der zweiten Hälfte auch noch seine Handschuhe wegwarf. Verstolperte in der Schlussminute das 2:0, als er Maximilian Nicus Vorlage aus kürzester Distanz nicht über die Linie brachte. Bekam beim Nachschuss von Benjamin Lauth gezeigt, wie das geht: Einfach voll drauf.

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Kevin Volland

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(Foto: dapd)

Gehört zum Leidwesen der Sechziger bereits der TSG Hoffenheim und verbringt auf Leihbasis noch ein halbes Jahr bei den Löwen. Dass er bald in der Bundesliga spielt, ist nachvollziehbar: Imponiert als giftiger, spielstarker Stürmer, der immer in Bewegung ist und allem hinterherrennt, was in seine Richtung fliegt. Malte kurz nach dem 1:0 Offensiv-Spezi Lauth eine präzise Hereingabe auf den Fuß, die der knapp verpasste. Harmonierte auch sonst prächtig mit Lauth, indem er geschickt Bälle ablegte oder sich in den freien Raum davonschlich. Wie er in der 68. Minute alleine vor dem leeren Tor an den Pfosten schoss, wird er noch seinen Enkeln erzählen - und dann lachen hoffentlich alle herzlich.

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Benjamin Lauth

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Besitzt eine eigene Tormusik, die immer dann aus den Boxen dröhnt, wenn er trifft. Sorgte mit seinen Saisontreffern Nummer sieben und acht dafür, dass der Stadion-DJ zweimal auf Play drücken durfte. War in jeder Hinsicht der Mann des Spiels: Erst als Xavi-ähnliche Billardbande, die überlegt Bälle in alle Richtungen abtropfen ließ. Dann als Torschütze des 1:0, als er sich wie ein Helikopter zum Kopfball in die Höhe schraubte. Und schließlich als pragmatischer Vollstrecker zum 2:0, als er einfach trocken abzog. Dass er dazwischen vor dem Cottbuser Gehäuse eine perfekte Volland-Flanke an sich vorbeizischen ließ, amüsierte ihn später selbst: "Zwei Tore reichen doch, oder?" witzelte Lauth.

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Maximilian Nicu

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Betrat nach 70. Minuten für Aigner das Spielfeld und debütierte somit direkt am ersten Rückrundenspieltag. Ist aus Freiburg und Berlin mit reichlich Erstligaerfahrung gesegnet, was man ihm auch anmerkte: Führte sich sogleich mit einem Lattenkopfball ein, tauchte gleich wieder gefährlich vor dem Cottbuser Tor auf und leitete mit einem selbstbewussten Solo das 2:0 ein - bekam dafür von Sportchef Florian Hinterberger ein Sonderlob: "Er hat gezeigt, dass er uns weiterhelfen kann. Mit ihm sind wir nach vorne noch variabler."

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Dominik Stahl

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

Der 23-Jährige (2. v. r.) kam in der 82. Minute für Volland und erhielt auch noch eine Erwähnung von Hinterberger - er verleihe der Bank mehr Tiefe, so der 53-Jährige.

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Reiner Maurer

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(Foto: Bongarts/Getty Images)

War wegen seiner kürzlich erfolgten Vertragsverlängerung vor der Begegnung der meistfotografierte Mensch im Stadion. Meisterte diese Übung ebenso souverän wie die Kälte: Stammt aus dem Allgäu, wo in diesen Tagen einmal minus 28 Grad gemessen wurden. Trotzte den Temperaturen daher mit stoischer Gelassenheit stehend an der Seitenlinie. Klatschte seiner Mannschaft immer wieder aufmunternd zu - vielleicht ist das der Trick der Allgäuer gegen die momentane Eiszeit. Wiegelte nach der Partie gelassen alle Nachfragen in Richtung Aufstiegsrennen ab. "So weit nach vorne schauen wir nicht - wir wollen uns zwischen Platz fünf und neun etablieren. Der Abstand zu den ersten drei ist noch gewaltig."

TSV 1860 in der Einzelkritik

Fans

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(Foto: dapd)

Viele der anwesenden 14.600 (so die gewiss geschönte, offizielle Angabe) erinnerten sich ob der Frostgefühle an die Allgäuer Taktik und klatschten ebenfalls fleißig in die Hände. Hielten sich außerdem mit Hüpfen und Schunkeln warm, was in der Nordkurve ein lustiges Bild ergab: Gutgelaunte Löwenfans, die über den Abend verteilt eine ganze Palette an ziemlich biestigen Bannern zum Besten gaben. Ziel ihrer kritischen Worte: Investor Hasan Ismaik, der einmal sogar als Sohn einer Dame aus dem horizontalen Gewerbe tituliert wurde.

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