Tour de France:Grand Départ ins Ungewisse

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Dicht gedrängt wird es auch bei der Tour 2020 zugehen. (Foto: REUTERS)

Der Starttermin der Tour de France rückt näher. Doch kann die Rundfahrt wie von den Machern geplant durchgeführt werden?

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

In etwas mehr als einer Woche will sich die Radszene in Nizza versammeln. Der Grand Départ steht an, der Auftakt für die dreiwöchige Schleife durch Frankreich - und schon abseits von allen Fragen des Corona-Themas gibt es vielerlei ungewöhnliche Aspekte. Erstmals seit langer Zeit geht es schon am ersten Wochenende ins Hochgebirge. Nach Jahren unter dem Diktat vom Team Sky/Ineos dürfte der sportliche Wettkampf ausgeglichener werden - auch wenn sich die Kader gerade noch schütteln und nach den früheren Tour-Champions Chris Froome und Geraint Thomas auch der Vorjahresdritte Steven Kruijswijk (Schulterbruch) nicht dabeisein wird, wie sein Jumbo-Team am Donnerstag mitteilte. Und dass Etappensieger und Ehrentrikotträger auf dem Podium von zwei Hostessen beglückwünscht werden, wird es auch nicht mehr geben. Stattdessen ist eine Flankierung durch eine Frau und einen Mann vorgesehen.

Aber wie ungewöhnlich das Rennen wird, das liegt vor allem an der Corona-Situation und ihrer Entwicklung. Je näher der Starttermin rückt, umso mehr ist die Frage, ob diese Tour, wie von den Machern geplant, durchgeführt werden kann.

Das Infektionsgeschehen in Frankreich verändert sich gravierend

Im April war die Rundfahrt vom klassischen Juli-Termin auf die Zeit vom 29. August bis zum 20. September verlegt worden. Doch kurz vor dem Start verändert sich nun das Infektionsgeschehen in Frankreich gravierend. Zuletzt wurden täglich mehr als 3500 Menschen am Tag positiv getestet - der höchste Wert seit dem Frühjahr. In verschiedenen Städten gilt auch in der Öffentlichkeit eine Maskenpflicht, darunter in Nizza und anderen Kommunen, deren Durchfahrt der Streckenplan vorsieht. Die Hauptstadt Paris, wo die Tour traditionell mit einem Rundkurs endet, wird von der Gesundheitsbehörde als besonders gefährdet eingestuft.

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Auch im Radsport und speziell für die Tour haben sich die Verantwortlichen ein umfangreiches Konzept ausgedacht, wobei das natürlich besonders schwierig ist angesichts der Rahmenbedingungen: Die Tour ist ja normalerweise ein großes Straßen- und Volksfest, die Zuschauer kommen ganz nah ran an die Pedaleure.

Die Antwort darauf soll sein, dass die knapp 200 Fahrer und die Teambetreuer in einer abgeschlossenen Blase agieren. Zu niemandem außerhalb sollen sie Kontakt haben. Zudem sollen sie oft getestet werden, zweimal in der Woche vor dem Rennen und bei der Tour zusätzlich noch an den Ruhetagen. Der Umfang der traditionellen Werbekarawane wird reduziert, die Podiumszeremonie abgespeckt, und manche Anstiege, wo die Zuschauer normalerweise besonders eng an die Fahrer kommen können, werden gesperrt.

Aber an den meisten Abschnitten der insgesamt 3470 Kilometer durch Frankreich dürfen Zuschauer stehen - auch wenn sie nach dem Willen der Tour-Veranstalter von der Amaury Sport Organisation (Aso) mit Maske erscheinen sollen. "Der gesunde Menschenverstand sagt, dass man eine Maske tragen muss", sagte Tour-Boss Christian Prudhomme bei einer Pressekonferenz. Aber entscheiden müssten die Präfekten der 32 Departements, durch welche die Tour fährt. Die ganze Anordnung widerspricht allem, was normalerweise zur Rundfahrt gehört. Diverse Fahrer stellen bang die Frage, ob sich das Publikum auch wirklich an die Vorgaben hält.

Was ist, wenn es trotz aller Schutzvorkehrungen Positivfälle im Fahrerfeld gibt?

Es erscheint in der Tat kaum vorstellbar, dass das alles funktioniert. Deshalb müssen sich die Verantwortlichen in diesen Tagen noch mit einigen heiklen Szenarien beschäftigen. Was ist zum Beispiel, wenn es trotz aller Schutzvorkehrungen Positivfälle im Fahrerfeld gibt? Nach den bisherigen Plänen der Aso müssen nur die positiv Getesteten das Event verlassen. Es ist auch die Frage, ob es tatsächlich notwendig sein soll, dass der komplette Rad-Tross nach Paris kommt, wenn Paris als Bezirk mit einem erhöhten Risiko gilt.

Eine Frage dazu beantwortet die Aso am Donnerstag nicht. Aber wahrscheinlich würde sie sich selbst über ein Szenario freuen können, bei dem die Tour nicht in der Hauptstadt Paris endet, sondern schon einen Tag zuvor mit dem geplanten Bergzeitfahren. Das würde ja im Ziel bedeuten, dass die Tour weitgehend durchgeführt werden konnte.

© SZ vom 21.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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