Tour de France 2009:Allen entwischt

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Alberto Contador, der nächste fragwürdige Tour-Sieger, schmiedet unbehelligt Pläne - ohne seinen bisherigen Teamkollegen Lance Armstrong.

Andreas Burkert

Vier Übersetzer sitzen neben Alberto Contador, zwei des Veranstalters, sein persönlicher Sprecher und der seiner derzeitigen Arbeitgebers. Der Mann von Astana, ein durchaus freundlicher Belgier, muss aber nichts sagen in der kommenden halben Stunde, sondern nur ein bisschen in sich hineinschmunzeln. Das ist schade, denn man wüsste gerne, ob jetzt, da der Spanier Contador für den kasachischen Rennstall die Tour de France gewonnen hat, die Menschen in der Hauptstadt Astana in Autokorsos rund um den Bajterek-Turm unterwegs sind. Vermutlich ist das aber nicht der Fall, denn die Tour spricht in diesem Jahr spanisch, was nicht unbedingt Gutes bedeutet für das Rennen und den Radsport. Zum Glück sagt Contador aber "bueno", immer wieder, jede seiner Einlassungen, die kaum eine der Fragen beantworten, beginnt so: gut.

Ganz in Gelb: Alberto Contador. (Foto: Foto: AFP)

Der traditionelle Besuch des Toursiegers vor der internationalen Presse am dritten Samstag der Rundfahrt ist seit einigen Jahren schon ein sonderbarer Termin. 2005 gewann Lance Armstrong das siebte Mal, danach trat er in den Ruhestand, was aber gar nicht stimmte, wie man heute weiß, da er zurück ist und diesmal Dritter hinter dem Luxemburger Andy Schleck geworden ist. Sechs der ersten Zehn von 2005 sind inzwischen des Dopings überführt, Armstrong, bei dem in Nachtests Epo gefunden wurde, nicht mal eingeschlossen.

2006, nach dem Eklat um Jan Ullrich und Ivan Basso, gewann Floyd Landis, und am letzten Toursamstag fragte man ihn, wofür er in diesem schweren Moment seines Sports stehen wolle. Da kam nichts. Ein paar Tage später war auch er überführt. 2007 siegte Contador, auch weil Michael Rasmussen kurz zuvor suspendiert worden war, und 2008 Carlos Sastre, ein 33-jähriger Spanier. Wieder kam nichts außer bueno.

In Gelb bis zu den Socken

Nun sitzt Alberto Contador, 26, neben seinen vier Dolmetschern, "bueno", sagt er und entgegnet zu den jüngsten Stimmen auch von Wissenschaftlern, die sich über seine physischen Rekordwerte erstaunt gezeigt hatten: Das interessiere ihn nicht sonderlich, "ich habe jede Kontrolle passiert und stehe auch 365 Tage im Jahr für welche zur Verfügung".

Contador bleibt einstweilen unbehelligt, seine Kundschaft beim Dopingarzt Fuentes, die Gerüchte über Ausnahmegenehmigungen im Gesundheitspass, sein zweifelhaftes sportliches Umfeld, aus dem er stammt, dies alles überstrahlt seine gelbe Montur. Die Hose, die Socken, selbst das Logo auf seiner Kappe, eine Hand in Schusshaltung, jene Geste, die er bei seinem Sieg in Verbier gezeigt hatte, dies alles ist in der Farbe des Maillot Jaune gehalten. "Bueno", sagt Contador dann noch, eine schwierige Tour sei das gewesen, und das stimmt wohl.

Er ist ja der Fremde im Team Astana gewesen, das Armstrong dominierte; der mobbte den Madrilenen mehr oder weniger, weil er selber gewinnen wollte. Komplizierte Sache, sagt Contador, "es war immer davon abhängig, wie die Dinge für ihn liefen". Aber für ihn sei es ja klasse gelaufen, gute Vorbereitung, tolles Training. Demnach alles bueno.

Die Wege trennen sich jetzt natürlich, Armstrong fährt 2010 für das neue US-Team RadioShack, sein Team. "Ich werde in einem anderen Projekt sein", sagt Contador, "vielleicht in einer Mannschaft, die um mich herum gebaut wird." Es dürfte nun recht interessant sein zu sehen, wie sich diese Umbauten vollziehen. Als seinen Trainer nennt Contador ja Pepe Martí, einen geheimnisvollen Mann aus Valencia - der seit zehn Jahren für Armstrongs Teams arbeitete, US-Postal, Discovery und nun Astana.

Das nächste Duell, die Revanche hat wohl schon begonnen, aus Armstrongs Entourage verlautete, erster Zugang sei Heimar Zubeldia, ein Spanier, der sich bei der Tour offen auf die Seite Contadors stellte. So oder so, man sieht sich wieder, nächstes Jahr, auch Astana wird ja kommen, gern mit Dopingsünder Alexander Winokurow, der Sonntag die kasachische Delegation auf den Champs-Élysées begleitete.

Um den Toursieg dürfte sich aber auch Andy Schleck bewerben, der neueste Wunderknabe aus dem Stall des Dänen Bjarne Riis, dem Großonkel des Sportbetrugs. Armstrong nicht zu vergessen, "ich werde nächstes Jahr stärker sein", sagte der 37-Jährige, der auf dem Mont Ventoux alle Angriffe der Schleck-Brüder kontern konnte. Den prestigeträchtigen Tagessieg holte Juan Manuel Garate, ein, nunja, 33-jähriger Spanier. Es war der vierte iberische Sieg im Hochgebirge bei dieser Tour. Tony Martin, der deutsche Debütant, mit dem Garate noch 4:40 Minuten Vorsprung am Fuße des "irdischen Mondes" (NZZ ) auf die Favoriten besaß, konnte dem erfahrenen Spanier im Spurt nicht folgen.

Auch Alberto Contador ist wieder allen entwischt, nicht nur am Berg. Am Ende der halben Stunde pariert er auf seine Art auch die Frage, ob er an ein sauberes Feld glaube. "Es gab hier keinen Dopingskandal", sagt er, "das ist ein großer Sieg für den Radsport."

© SZ vom 27.07.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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