Torrekord in Leverkusen:Schicks Ketchup-Coup

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Die letzte Pointe seines lustigen Viererpacks: Leverkusens Stürmer Patrik Schick (links) erzielt das 7:1 gegen Greuther Fürth. (Foto: Wolfgang Zink/Sportfoto Zink/imago)

Leverkusens tschechischer Mittelstürmer stellt einen Vereinsrekord auf: Er erzielt beim 7:1 gegen die naive SpVgg Greuther Fürth vier Treffer - bei vier Versuchen.

Von Milan Pavlovic, Leverkusen

Jeremie Frimpong lief los, als wären seine Beine motorisiert. Zum x-ten Mal ließ er seinen Fürther Gegenspieler Jamie Leweling peinlich berührt stehen, so dass dieser sich am Leverkusener festklammerte, als wollte er unbedingt huckepack genommen werden. An der Seitenlinie stand Gästetrainer Stefan Leitl - und entschuldigte sich mit einer kleinen Geste für den plumpen Vortrag seines Spielers, der die einzige gelbe Karte des Nachmittags sah. Das hatte vor allem damit zu tun, dass die Fürther nicht mehr in die Nähe eines Gegners kamen, den sie hätten foulen können.

Bezeichnend dafür war die letzte Szene der ersten Halbzeit. Denn noch bevor Leverkusens Stürmer Patrik Schick zum Hauptdarsteller dieser Partie avancierte, genoss der 25-jährige Stürmer am gegnerischen Strafraum Freiheiten, wie man sie so im Profibetrieb so gut wie nie sieht. Schick nahm den Ball beim Stand von 2:1 an, er drehte sich um die eigene Achse, realisierte, dass ihn keiner der sechs Fürther attackierte, sah, dass der direkte Weg zum Tor zum Tor verbaut war, legte quer zum besser postierten Linksverteidiger Piero Hincapie, der zum 3:1 traf.

Als er eine Stunde später seinen Nachmittag zusammenfassen sollte, schaute Patrik Schick ein wenig ungläubig. "Vor der Pause habe ich kaum einen Ball bekommen", sagte der Tscheche, "und ich habe nicht einen Torschuss abgegeben." Das änderte sich zwischen der 49. und der 76. Minute, als ihm etwas gelang, das bis dahin kein Spieler von Bayer Leverkusen geschafft hatte, weder Ulf Kirsten noch Stefan Kießling noch Rudi Völler: Schick erzielte vier Tore in einer Partie, ja sogar in einer Halbzeit. Er sorgte dafür, dass aus der 3:1-Halbzeitführung gegen die SpVgg Greuther Fürth ein 7:1 wurde. "Es war wie bei einer Ketchup-Flasche", sagte der 25-Jährige: "Zunächst kam nichts - und dann hörte es gar nicht mehr auf." Es war zugleich der zweitschnellste Viererpack der Bundesliga-Geschichte. Flotter war nur Robert Lewandowski, dem 2015 beim 5:1 gegen den VfL Wolfsburg bekanntlich einmal sogar fünf Treffer in neun Minuten gelangen.

Schick, der nun schon auf zwölf Saisontore kommt, benötigte für seine vier Treffer exakt vier Versuche, das erklärt das Fazit von Bayer-Trainer Gerardo Seoane, der sagte: "Meine Mannschaft hat aus wenig viel rausgeholt." Das klingt seltsam nach einem Kantersieg, aber bis zum 3:1 war Fürth - kein Witz! - fast ebenbürtig und kurz davor, eine hochnäsige Phase der Werkself zu bestrafen. Doch im letzten Drittel des Terrains war der Aufsteiger harmlos. Was man unter "extremer Effektivität" (Seoane) versteht, demonstrierte der Favorit: Für die sieben Tore gegen den Tabellenletzten brauchte Leverkusen bloß neun Chancen. "Die erste Halbzeit war ausgeglichen", gab Seoane zu. "Wir hatten lange Mühe, uns zu entfalten. Wir haben zum richtigen Zeitpunkt das 3:1 gemacht."

Der 18-jährige Florian Wirtz ist an fünf Toren beteiligt.

Schick durfte sich bei zwei Fraktionen bedanken: bei der Fürther Abwehr, die unglaublich naiv und luftig agierte, nun schon 46 Gegentore kassiert hat und aussieht, als könnte sie scheinbar ewige Minusrekorde von Tasmania Berlin locker unterbieten; und bei einem Leverkusener Trio, das zu den flinksten der Liga gehört und seinem Mittelstürmer das Toreschießen am Samstag sehr leicht machte: Die blitzschnellen Außenspieler Jeremie Frimpong und Moussa Diaby liefen den Fürthern nach Belieben davon, und der 18-jährige Florian Wirtz war bei fünf Toren entweder direkt beteiligt oder vor(vor)letzter Passgeber. Wie er Diaby und Schick auf die Reise schickte, war sogar noch schöner als die Tore, für die der Tscheche mehrmals nur den Fuß (und einmal das Köpfchen) hinhalten musste.

Das muss man freilich auch erst einmal können, und genau das hatte Leverkusen in den Wochen gefehlt, als Schick im November verletzt aussetzen musste und sein Team kurzzeitig vom zweiten auf den sechsten Platz purzelte. "Wir haben immer betont, dass wir einen Mittelstürmer brauchen, der die Innenverteidiger fixiert", sagte Seoane. "Dann entfaltet sich auch unser Mittelfeld besser." Und damit hatte der Schweizer die Essenz dieses kalten, nassen, rekordträchtigen Nachmittags in seiner traditionellen Nüchternheit auf den Punkt gebracht.

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