Tischtennis:Vertrauen in einen Sieglosen

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Ist es ein Trauma? Martin Allegro wartet noch immer auf seinen ersten Einzelsieg in der TTBL. (Foto: Revierfoto/Imago)

Martin Allegro hat sein zweites Jahr in der Tischtennis-Bundesliga beendet - und jedes seiner bislang 33 Einzel verloren. Der TSV Bad Königshofen ist trotzdem von ihm überzeugt - und hat den Vertrag mit dem Belgier verlängert.

Von Andreas Liebmann

Der erste Satz, den Martin Allegro ins Telefon spricht, ist nicht gerade der, den man in seiner Situation erwartet. Am vergangenen Sonntag hat der belgische Tischtennisprofi sein zehntes Bundesliga-Einzel in dieser Saison verloren, es war seine zehnte Niederlage im zehnten Versuch. Allegro verbrachte schon einmal eine Saison in der Tischtennis-Bundesliga (TTBL), 2018/19 beim Aufsteiger Jülich. Damals klang seine Bilanz noch verheerender. Wer nun gemein ist und beide Spielzeiten addiert, kommt auf eine ziemlich einmalige Einzelbilanz von 0:33. Allegro beginnt das Telefonat trotzdem mit der Versicherung, dass die nun beendete Saison "wirklich gut" gelaufen sei. Platz fünf für seinen TSV Bad Königshofen sei schließlich das beste Ergebnis in der Erstligahistorie des Klubs.

Der TSV Bad Königshofen hat damit die Playoff-Ränge knapp verfehlt. Allegros Vertrag hat er trotzdem verlängert. Vielleicht steckt in seinem ersten Satz bereits eine Erklärung dafür: Allegro denkt zunächst nicht an sich, sondern an seinen Verein. Auch deshalb hat dessen Manager Andreas Albert gar keine große Diskussion aufkommen lassen um die Weiterbeschäftigung. "Ich halte gerne an Spielern fest", sagt er. Allegro sei ein sympathischer Kerl, der alles gebe und von den Fans gemocht werde. Es sei vielleicht ein Vorteil familiärer Vereine, dass sie sich diese Geduld bisweilen leisten könnten. "Irgendwann", sagt Albert, "wird der Knoten platzen."

Offensichtlich hat der Manager diese Überzeugung nicht alleine. Am Sonntag kam der Impuls, Allegro beim 3:1-Heimsieg gegen Mühlhausen im Einzel einzusetzen, nämlich weder vom Verein noch vom Trainer, sondern von seinen Teamkameraden. Routinier Bastian Steger sei bei Coach Koji Itagaki vorstellig geworden mit der Frage, ob man Allegro diese Chance vor eigenem Publikum nicht ermöglichen könne, erzählt Albert; einen Tag nach dessen 27. Geburtstag, mit seinem Vater als Tribünengast. Filip Zeljko habe dann zugunsten Allegros auf sein Einzel verzichtet.

Was in der Liga nicht klappt, klappt international: In der Weltrangliste ist Allegro höher platziert als seine Teamkollegen

Vielleicht hätte es so tatsächlich klappen können mit dem Happy End zum Saisonabschluss - hätte ihm die gegnerische Aufstellung nicht ausgerechnet den ausgebufften österreichischen Routinier Daniel Habesohn zugedacht, gegen den er mal wieder nur einen Satz gewann. Allegro wollte unbedingt, er riskierte und probierte viel - sein Gegner wirkte ungleich gelassener. Kilian Ort (2) und Steger sicherten mit ihren Erfolgen trotzdem den Heimsieg.

Allegro schwärmt von ihrem Teamgeist, auf Englisch mit französischem Akzent, aber natürlich kommt er auch selbst auf seine Sieglosserie zu sprechen. Man muss seine 0:33-Bilanz wohl etwas detaillierter betrachten, um die Situation zu verstehen. Damals, bei Jülich, "da war ich noch zu schwach", sagt er selbst. Inzwischen aber ist das nachweislich anders. Allegro steht in der Weltrangliste auf Rang 65, er ist aktuell der am besten platzierte Profi im Team der Unterfranken. International schlägt er immer wieder Gegner, die er aus der TTBL kennt - nur dort klappt es nicht. "Er hält gegen alle gut mit, aber am Schluss fehlt irgendwas", stellt Albert fest, "inzwischen ist es eine Art Trauma." Ein Sieg, davon ist der Manager überzeugt, würde alles ändern. Gleich zu Saisonbeginn verlor Allegro in der Verlängerung des Entscheidungssatzes gegen Kirill Gerassimenko (Bremen), ähnlich knapp im Herbst gegen Feng Yi-Hsin (Grenzau) - vielleicht hätte sich die Saison in diesen Momenten drehen können. "Ich denke jetzt sicher zu viel darüber nach", sagt Allegro, "dadurch lastet immer mehr Druck auf meinen Schultern. Ich bin sehr glücklich darüber, dass der Klub mir trotzdem weiter vertraut."

Auch an Zeljko, dem bisherigen Präzedenz-Härtefall, hat der TSV unbeirrt festgehalten

Es gibt eine Art Präzedenz-Härtefall beim TSV, nämlich den Kroaten Zeljko. Auch an dem hielt Albert fest, als ihm viele nachsagten, der werde nie ein Erstligaprofi, selbst als Zeljko vorübergehend seine internationale Karriere abbrach. Zwischen 2017 und 2020 kam er in drei Spielzeiten auf eine 3:24-Bilanz. Heute ist Zeljko in der TTBL etabliert.

Vielleicht hält der Verein auch einfach zu Allegro wegen des Bildes, das er mit Krücken abgab. Mitten in der Saison hatte er an der Hüfte operiert werden müssen, trotzdem war er danach zu den Spielen gereist, war durch die Hallen gehumpelt und hatte sein Team angefeuert. So etwas kommt gut an. Er ist inzwischen mit der deutschen Nationalspielerin Chantal Mantz liiert, auch darin sieht Albert offenbar ein Indiz dafür, dass sich Allegro heimisch fühlt.

Und dann gab es diesen 3:2-Überraschungssieg Mitte Januar bei Rekordmeister Düsseldorf. Kilian Ort hatte sein lädiertes Team mit zwei Einzelsiegen überraschend ins Schlussdoppel geschleppt, wo mangels Alternativen Steger und Allegro ranmussten - der eine mit steifem Nacken, der andere kurz nach dem ersten Training seit der Hüft-OP - und sie gewannen. Das ist der simpelste Grund für die Treue zu Allegro: In den Doppeln klappt es. Dort steht der Linkshänder bei einer 4:1-Bilanz. Natürlich wolle er dem Team möglichst bald auch in den Einzeln helfen, sagt Allegro. Aber jedes Schlussdoppel entscheidet nun mal automatisch über Sieg oder Niederlage. Wer die vier Erfolge addiert, kommt also auf acht Punkte, die das in der Tabelle ausmacht. Mit acht Punkten weniger hätte der TSV nur auf Rang zehn abgeschlossen - und Allegros erster Satz hätte ganz anders geklungen.

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