Tischtennis:Debatten um ein Doppelspielrecht

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Der Pokalerfolg des TTC Neu-Ulm, hier Dimitrij Ovtcharov, zieht nun eine Reihe von Debatten nach sich. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Nach seinem Pokalerfolg trifft der TTC Neu-Ulm auch im Halbfinale der Champions League auf Düsseldorf - und denkt weiter über einen Ausstieg aus der Bundesliga nach. Dort wird nun über sehr Grundsätzliches diskutiert.

Von Andreas Liebmann

Die Freude war riesig Anfang Januar. Neu-Ulms Topstars lagen sich in den Armen, als wäre der 3:0-Pokalsieg gegen Borussia Düsseldorf der erste Titel ihrer Laufbahn. Dimitrij Ovtcharov stemmte vor 5000 Fans in der Neu-Ulmer Arena seinen Klubchef in die Höhe, die Konfettikanone verschoss Glitzerregen.

Vielleicht hat Tomokazu Harimoto all das im Livestream verfolgt, denn der Japaner, der mit 19 Jahren schon die Nummer vier der Tischtennis-Weltrangliste ist, fehlte bei diesem Triumph im Pokal-Final-Four - er ist beim TTC Neu-Ulm nämlich nur für Spiele in der Champions League lizenziert. Aus seiner Sicht trifft es sich also gut, dass es auch dort im Halbfinal-Hinspiel an diesem Mittwoch (19 Uhr) wieder gegen Düsseldorf geht.

Ähnliche Gänsehautmomente sind aber nicht zu erwarten. Es stehen ja noch Rückspiel und Finale aus, außerdem hakt es an der Kulisse: Klubchef Florian Ebner ist es nicht gelungen, für das Kräftemessen mit dem Rekordmeister um Timo Boll und Europameister Dang Qiu eine größere Halle zu organisieren als die kleine Bundesliga-Heimstätte in Pfaffenhofen an der Roth. Nur 150 Karten gingen in den Verkauf.

Tischtennis
:Neu-Ulm droht mit TTBL-Ausstieg

Die Bundesliga hat eine harte Strafe gegen Truls Moregardh verhängt, weil sich der Schwede nach Rückrundenstart einem neuen Verein anschloss. Sein bisheriger Klub, der Pokalsieger TTC Neu-Ulm um Dimitrij Ovtcharov, will das nicht akzeptieren.

Von Andreas Liebmann

Der aktuelle Disput seines deutschen Vereins mit der Tischtennis-Bundesliga (TTBL) dürfte Harimoto weniger beschäftigen. Aber natürlich überlagert er das Duell und steigert die Aufmerksamkeit, die diese Partie in Deutschland auf sich zieht. Denn seine Ursache liegt ja im Pokalfinale von damals und der Frage, ob das im Nachhinein alles so in Ordnung war mit dem Titelgewinn und dem, was danach passierte.

Kurz nach dem Erfolg hatten der Schwede Truls Moregardh und der Taiwanese Lin Yun-ju bei der Liga wegen einer Auflösung ihrer Lizenzverträge angefragt, weil der TTC für den Rest der Saison keine TTBL-Einsätze mehr für sie plante. Da der Tischtennissport in Deutschland aber keine Mehrfach-Spielberechtigungen zulässt, die Wechselfrist zur Rückrunde längst vorbei war und Moregardh dann trotz einer Ablehnung der TTBL für einen schwedischen Verein antrat, verhängte die Liga vor wenigen Tagen eine Strafe von 10 000 Euro und eine Zehn-Spiele-Sperre für kommende Saison. Ähnliches wird nach dessen jüngstem Einsatz in der japanischen Liga auch auf Lin zukommen.

Im Prinzip sind diese Fälle eindeutig. Hätten die beiden ihre Wechsel fristgerecht zur Rückrunde beantragt, hätten sie im Pokalfinale nicht mehr mitwirken dürfen - so aber sind sie nun mal für den Rest der Saison an die TTBL gebunden, die als eigenständige GmbH für die Liga und den Pokalwettbewerb zuständig ist. Der nachträgliche Wechsel sei also ein Regelverstoß mit Ansage gewesen, bekräftigte TTBL-Geschäftsführer Nico Stehle.

Nach Einschätzung befragter Juristen hält Ebner die Grundlage der Sanktionen für wacklig

Möglicherweise nicht ganz so eindeutig könnte es juristisch werden, denn zumindest Ebner, der den Verstoß als solchen zugibt, hält die Grundlage für die harten Sanktionen nach Einschätzung befragter Juristen für wacklig. Er sei "vorsichtig optimistisch", die hohen Strafen vor dem ständigen Schiedsgericht für Lizenzspieler noch abwehren zu können.

Daran wiederum hingen die weiteren Pläne des Vereins, wie Ebner am Dienstag erläuterte. Den möglichen Ausstieg aus der TTBL will der Verleger nicht als Drohung verstanden wissen, aber da das Strafmaß so bemessen sei, dass Moregardh und wohl auch Lin am nächsten Pokal-Final-Four nicht teilnehmen dürften, würde deren Verpflichtung für TTBL-Spiele aus Ebners Sicht in der kommenden Saison kaum Sinn ergeben - weshalb ein Ausstieg aus der Liga denkbar wäre.

Hier feiern sie den ersten Titel der Klubgeschichte: Lin Yun-ju, Truls Moregardh - die beide kurz darauf neue Vereine suchten - und Dimitrij Ovtcharov. (Foto: Hafner/Nordphoto/Imago)

Auf eine erste Anfrage, ob ein Champions-League-Start mit seinem Weltklasse-Ensemble auch ohne TTBL-Platz möglich wäre, habe er eher positive Signale erhalten, sagt Ebner. Allein die Personalie Harimoto zeigt ja, wie eigenständig diese beiden Ligen organisiert sind, in die der TTC sich jeweils mittels Wildcard eingekauft hat, also ohne sportliche Qualifikation. Allerdings gäbe es bei einem tatsächlichen TTBL-Ausstieg wichtige Folgefragen: was zum Beispiel Ovtcharov von alldem halten würde. Und was dann mit den drei russischen Jungprofis aus der Trainingsgruppe von Dmitrij Mazunov geschehen würde, die zurzeit den Ligaalltag bestreiten. Hierzu sagt Ebner: "Die haben für uns oberste Priorität." Man würde "auch denen zuliebe weiter TTBL spielen, wenn es für sie das Beste wäre".

DTTB-Präsidentin Claudia Herweg hat Verständnis für die Strafen

Ungeachtet all dieser Unwägbarkeiten ist in der eigenständigen Profiliga eine Debatte entbrannt, die auch den nicht unmittelbar zuständigen Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) beschäftigt. Für das Vorgehen der TTBL äußert die DTTB-Präsidentin Claudia Herweg "volles Verständnis". Ebner habe die Regeln gekannt, und wenn die TTBL ihre Werte schützen wolle, müsse sie nach einem vorsätzlichen Regelverstoß "eine Strafe verhängen, die Gewicht hat".

Gemischte Gefühle habe sie trotzdem, und dabei geht es ihr um Grundsätzliches: um die fehlende Möglichkeit einer doppelten Spielberechtigung nämlich. Die sei in Deutschland nie gewollt gewesen, um die Identifikation mit den Vereinen hochzuhalten, andererseits werde es angesichts des internationalen Terminkalenders immer schwieriger, Topspieler zu verpflichten, wenn diese dann in einem umfangreichen Ligabetrieb durchspielen müssten. Den aktuellen Fall sieht Herweg daher als Anlass, "zeitnah" eine Debatte zu führen, ob diese Haltung noch zeitgemäß sei und nicht zum Beispiel die Hürden für eine Pokalteilnahme etwas gesenkt werden könnten.

Auch der andere bayerische Erstligist, der TSV Bad Königshofen aus Unterfranken, hatte sich in der Vergangenheit schon mal für einen Antrag eingesetzt, der eine doppelte Spielberechtigung in der TTBL ermöglichen sollte, damals aber keine Mehrheit bei den Klubs fand. "Mit unseren guten Kontakten nach Japan hätte uns das manchmal helfen können", erläutert Manager Andreas Albert. Inzwischen sähe er eine solche Option allerdings eher als Gefahr für die Liga an, weil sie vor allem den finanzstärksten Klubs zugute käme und damit den Wettbewerb verzerren würde.

Bis diese Debatte fortgeführt wird, werden Neu-Ulm und Düsseldorf noch mindestens dreimal aufeinandertreffen (auch in der Liga fehlt noch das Rückspiel). Und je nach Aufstellung könnte es schon am Mittwoch zum seltenen Duell zwischen Ovtcharov und Boll kommen. Die Vorfreude darauf will man sich auch in Neu-Ulm unbedingt bewahren.

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