Tischtennis:Pingpong-Diplomatie

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Flug in die Quarantäne: Timo Boll nimmt strenge Einreisebedingungen auf sich, um in Macau zu spielen. (Foto: MaJo/Imago)

Der Deutsche Tischtennis-Bund schließt Frieden mit dem Weltverband - und bewirbt sich um ein hochdotiertes WTT-Champions-Turnier.

Von Ulrich Hartmann, Macau/München

Eine Weltmeisterschaft ist das nicht, wofür Dimitrij Ovtcharov, Timo Boll und Patrick Franziska die Mühen der chinesischen Quarantäne nun doch auf sich nehmen. Auf die Mannschafts-WM in Chengdu hatten die drei deutschen Tischtennisspieler kürzlich noch verzichtet, doch beim 800 000-Dollar-Turnier in Macau im Rahmen der World-Table-Tennis (WTT)-Serie geht es diese Woche um viel Geld und massenhaft Weltranglistenpunkte. Das Teilnehmerfeld beim so genannten Champions-Turnier liest sich wie WM und Olympia zusammen. 8500 Dollar hat jeder Profi sicher, die Sieger heimsen 35 000 Dollar ein.

Auch beim lange skeptischen Deutschen Tischtennis-Bund (DTTB) verzeichnete der Weltverband ITTF mit der Etablierung seiner neuen Turnierserie jüngst einen Erfolg. Statt um die WM 2025 bewirbt sich Deutschland nun um genau solch ein jährliches WTT-Champions-Turnier - das erste davon wohl mit einer deutschen Rekorddotierung in Höhe von einer halben Million Dollar im Herbst 2023. Der Austragungsort steht noch nicht fest.

Mit diesem Turnier wollen sich der deutsche Verband und der Weltverband endgültig versöhnen nach zwei konfliktreichen Jahren im Zank um genau diese WTT-Veranstaltungen, die in ihrer Anzahl mal derart inflationär geplant waren, dass man sich in Deutschland nicht nur um die ordentliche Durchführung des Bundesliga-Spielbetriebs sorgte. Der DTTB unter der damaligen Leitung des Präsidenten Michael Geiger hatte den Zwist im November 2020 durch einen Offenen Brief provoziert, in welchem er die Rechtmäßigkeit der WTT-Aktivitäten anzweifelte und juristisch überprüfen ließ. Heute erklärt der Verband das damalige Vorgehen so: "Die Gründung von World Table Tennis und die weitreichende Veränderung der Turnierserie bedeuteten für den DTTB Unsicherheiten für die Zukunft und vor allem die Sorge um seine finanzielle Stabilität."

Im August nun wurde der Konflikt für beendet erklärt. Um Frieden zu schließen mit dem Weltverband unter der neuen Präsidentin Petra Sörling aus Schweden und um wieder Turniere nach Deutschland zu holen, veröffentlichte der DTTB auf seiner Homepage eine Art Büßerbrief, in dem es heißt: "Der DTTB bedauert den scharfen Ton des Schreibens. Der DTTB bedauert, dass er das Schreiben vom 18. November 2020 an alle Mitglieder der ITTF versandt hat, ohne es zunächst dem ITTF-Präsidium als zuständigem Gremium zur Stellungnahme zuzuleiten." Und weiter: "Der DTTB möchte sich dafür entschuldigen und erklärt sich bereit, sich an den Kosten des beiderseitig entstandenen Streitfalls in angemessener Weise zu beteiligen."

Wie hoch diese Beteiligung ist, wollte die seit Ende 2021 amtierende neue DTTB-Präsidentin Claudia Herweg auf Anfrage nicht beantworten. Nur so viel: "Wir haben uns an Kosten beteiligt, die der ITTF durch ein Gutachten entstanden sind, das durch von uns angebrachte Kritik erstellt wurde - deshalb geht eine Beteiligung für uns in Ordnung." Die Versöhnung mit dem Weltverband findet Herweg ohnehin unumgänglich. "Ein neues Miteinander mit dem Weltverband war an der Zeit; nicht zu unterschätzen ist auch, dass man bei künftigen Bewerbungen für eine WM oder auch bei politischen Entscheidungen auch auf das Votum der Mitgliedsverbände angewiesen ist. Hier ist ein Konflikt kontraproduktiv."

Nach Klärung der Meinungsverschiedenheiten ist das deutsche Tischtennis nun bereit, sich an den WTT-Aktivitäten zu beteiligen. "Wir wollen den deutschen Sportfans endlich wieder regelmäßig Weltklassetischtennis mit allen internationalen Stars bieten", sagt Herweg. Aber warum verzichtet man deshalb auf eine WM-Bewerbung? "So eine Bewerbung ist kosten- und arbeitsintensiv", antwortet sie, "man hat aufgrund starker Mitbewerber jedoch nie eine Garantie, die WM im beabsichtigten Jahr auch zu erhalten - im Gegensatz dazu kann man die Austragung eines WTT-Turniers verhandeln und auch Verträge über längere Laufzeiten abschließen."

In Macau in dieser Woche gibt es zwei 32er-Felder: Männereinzel und Fraueneinzel. Wegen der hohen Qualität geht es für die sieben Deutschen in den beiden Tableaus sofort ans Eingemachte. Dang Qiu muss sich mit dem indischen WM-Schreck Sathiyan Gnanasekaran messen und träfe in Runde zwei auf den chinesischen Olympiasieger Ma Long. Ovtcharov spielt zu Beginn gegen den Südkoreaner An Jaehyun, Boll gegen den Taiwaner Lin Yun-ju und Franziska gegen den Portugiesen Joao Geraldo. Allen dreien steht ein chinesischer Gegner spätestens im Viertelfinale gegenüber. Den drei deutschen Frauen, Han Ying (gegen Jeon Jihee/Südkorea), Shan Xiaona (gegen Jieni Shao/Portugal) und Nina Mittelham (gegen Chen Szu-yu/Taiwan), droht sogar bereits in Runde zwei die chinesische Mauer.

Kommende Woche findet im chinesischen Xinxiang gleich ein weiteres lukratives Turnier statt: die mit einer Million Dollar dotierten WTT Finals, bei denen die 16 besten Spielerinnen und Spieler des Jahres im K.-o.-System antreten. Für Deutschland sind bislang Qiu und Ovtcharov qualifiziert, bei den Frauen ist es Han.

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