Tischtennis: Boll/Süß Europameister:Zu Gold gehechtet

Lesezeit: 2 min

Spektakulär und gesund: Timo Boll und Christian Süß holen sich vor 6000 begeisterten Zuschauern zum dritten Mal hintereinander den EM-Titel im Doppel.

Sebastian Krass, Stuttgart

Der erste Gedanke kreiste unwillkürlich um Timo Bolls körperliche Unversehrtheit: Ob das dem Rücken gut tut? Auch Richard Prause zuckt bei solchen Szenen kurz. "Aber so lange er wieder aufsteht, kann ich damit leben", sagt der Männer-Bundestrainer.

Timo Boll (l.) und Christian Süß sind zum dritten Mal in Serie Europameister im Doppel geworden. (Foto: Foto: dpa)

Und Boll stand wieder auf, sehr schnell sogar. Mit einem spektakulären Hechtsprung plus tückischem Topspin hatte Deutschlands bester Tischtennisspieler den Ball im Spiel gehalten. Ein, zwei, drei Mal sauste der Ball noch hin und her. Dann hatten die Deutschen den Punkt sicher.

Nach einem beunruhigenden 7:9-Zwischenstand aus Sicht von Boll und seinem Doppelpartner Christian Süß hatte sich der fünfte Durchgang nun zu einem 10:9 gedreht. Danach unterlief dem gegnerischen Duo Wang Zeng Yi/Lucjan Blaszczyk (Polen) ein leichter Rückschlagfehler, und plötzlich hatten Boll/Süß eine beruhigende 3:2-Satzführung zu Buche stehen. Damit war die Vorentscheidung gefallen. Der sechste Durchgang endete 11:6 - und die Deutschen waren zum dritten Mal hintereinander Doppel-Europameister.

"Ich habe Timo selten so oft auf dem Boden gesehen. Aber als er sich hat hinfallen lassen, da war er so beweglich, wie man sich das nur vorstellen kann", sagte Prause über Boll, dessen ständige Rückenprobleme seine Karriere schon häufig unterbrochen haben.

Boll selbst dachte gleich in einem größeren Rahmen, als er auf die Szene angesprochen wurde: "Es war ein Klassespiel. So schöne Ballwechsel, das braucht unser Sport." Die Genugtuung über seinen insgesamt zehnten Europameistertitel wuchs dadurch ungemein, dass das Doppelfinale dieser Tischtennis-EM in Stuttgart nicht nur bei prächtiger Stimmung vor 6000 Zuschauern in der Halle stattgefunden hatte, sondern auch live im öffentlich-rechtlichen Fernsehen übertragen worden war.

Und nun, sagte Bundestrainer Prause, sei endgültig bewiesen, dass die beiden, die 2005 auch schon WM-Silber gewonnen haben, "das beste Doppel Europas sind".

Auch im Einzel erhielt Boll sich die Chance, zum zweiten Mal seinen Status als Europameister zu verteidigen. Im Viertelfinale besiegte er Par Gerell (Schweden) ohne große Umschweife 4:0. Am Sonntag trifft er auf Michael Maze (Dänemark), der Boll im Mannschaftsfinale die bisher einzige Niederlage bei dieser EM beibrachte. Ruwen Filus hingegen verpasste den Sprung in die Vorschlussrunde. Der 21-jährige Abwehrspezialist von der TG Hanau unterlag Fedor Kuzmin (Russland) 2:4. Der Schüler-Europameister von 2003 durfte sich aber trotzdem über den bisher größten Erfolg seiner Karriere bei den Erwachsenen freuen.

Medaille für Wu Jiaduo

Im Schatten der Männersparte des Deutschen Tischtennis-Bundes (DTTB) feierten auch die Frauen einen großen Erfolg. Deutschlands Nummer eins, Wu Jiaduo, erreichte durch ein 4:0 über die von einer Oberschenkelverletzung eingeschränkten Krisztina Toth (Kroppach) das Halbfinale und hatte damit die erste EM-Einzelmedaille ihrer Karriere sicher.

"Es war nicht schön, gegen sie zu spielen", sagte Wu. Sie und Toth kennen einander nicht nur spielerisch in- und auswendig, weil beide für den Bundesligisten FSV Kroppach spielen. Sie sind auch gut befreundet. Und wie sich das gehört, hatte Toth dem Geburtstagskind Wu Jiaduo vor dem Spiel ein Geschenk übergeben: eine Packung Schokopralinen.

Die gebürtige Chinesin hat eine Schwäche für Süßigkeiten. Das Präsent wollte sie aber erst einmal unangetastet lassen. Schließlich stand nun am Sonntag das Halbfinale gegen Wiktoria Pawlowitsch (Weißrussland) an.

Im Frauen-Doppel dagegen vergaben Zhenqi Barthel und Kristin Silbereisen die Chance auf den ganz großen Auftritt. Dass sie es ins Halbfinale geschafft und damit Bronze sicher hatten, war an sich ein großer Erfolg. Allerdings gaben sie in der Vorschlussrunde gegen Wenling Tan-Monfardini/Nikoleta Stefanova (Italien) eine 3:0-Satzführung noch aus der Hand und verloren schließlich 6:11 im siebten Durchgang. "Gestern haben wir ein 0:3 umgedreht, heute war es eben andersrum", sagte Silbereisen. "Allerdings waren die drei Sätze, die wir heute gewonnen haben, auch alle hauchdünn. Danach haben sie taktisch umgestellt und uns nicht mehr ins Spiel kommen lassen. Am Ende war es ein Nervenspiel - und wir hatten die schwächeren." Ihre Partnerin stellte einen Lerneffekt in Aussicht: "Nächstes Mal", sagte Barthel mit einem leisen Lächeln, "machen wir es besser - hoffe ich."

© sueddeutsche.de/segi - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: