Timo Werner:Chelseas neues Wahrzeichen

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Als er noch für Leipzig Tore schoss: Timo Werner (Foto: imago images/opokupix)

Timo Werner kommt als Topspieler in ein Team, in dem viele erst Anfang 20 sind. Der Auftrag des Sprinters ist klar: Er soll den Klub auf ein neues Niveau heben.

Von Sven Haist, London

Eine angenehmere Begrüßung hätte sich Timo Werner kaum wünschen können. Ohne dass er überhaupt den Ball für den FC Chelsea berührt hatte, rollten ihm die Fans des Vereins bereits den blauen Teppich aus. In den sozialen Medien, in denen Werner seine ersten Schritte in London mit ein paar geflügelten englischen Worten dokumentierte, überschütteten ihn die Anhänger mit Komplimenten. Werner machte ihnen die Annäherung allerdings einfach: Seine Vorstellungsrunde am Montag auf dem Klubgelände absolvierte er in den Vereinsfarben. "Erstes Training, zum ersten Mal in Blau", kommentierte er seinen Blaumann-Trainingsanzug - der ihn natürlich nicht in Aktion als Monteur, sondern als Fußballer zeigte.

Bereits tags zuvor hatte Werner die Stamford Bridge inspiziert, die ehrwürdige Spielstätte des Klubs im Stadtteil Fulham. Dort machte er Bekanntschaft mit dem ehemaligen Weltklassetorhüter Petr Cech, der als Spieler mit Chelsea 2012 die Champions League gewann und im Vorjahr als Technischer Direktor zurückkehrte. Die Fernsehkameras mussten nicht mal nach Werner suchen, um ihn zu finden. Im leeren Stadion saß er für jeden sichtbar mittig auf der unteren Haupttribüne: Reihe R, Sitzplatz 104. Hinter einer Gesichtsmaske mit Klubemblem verfolgte er das 2:0 seines neuen Teams gegen Wolverhampton Wanderers. Der siebte Ligaheimsieg in Serie garantierte dem von Frank Lampard gecoachten Tabellenvierten die Qualifikation zur Champions League - und bewahrte Werner vor dem Gau, mit seinem Team zunächst in der unattraktiven Europa League antreten zu müssen. Mit der Unterschrift bei den Blues möchte sich Werner ja auf der ganz großen Bühne präsentieren.

Mit hochkarätigen Transfers soll der Abstand zu Liverpool und ManCity verkürzt werden

Seine kostspielige Verpflichtung für 53 Millionen Euro von RB Leipzig ist Teil des Investmentplans der Londoner in diesem Sommer, mit hochkarätigen Transfers die kriselnden Stadtrivalen Tottenham und Arsenal abzuhängen und den Abstand zu Meister FC Liverpool und zum Zweiten, Manchester City, aufzuholen. Nach dem Kauf von Torjäger Werner und dem marokkanischen Spielmacher Hakim Ziyech von Ajax Amsterdam bietet der für die neue Saison gesicherte Geldfluss aus der Königsklasse die Basis, den ohnehin schon mondänen Kader mit weiteren Spielern der Kategorie "de luxe" aufzumöbeln.

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Die Fans im snobistischen Chelsea sind seit dem Einstieg des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch 2003 verwöhnt, jedes Jahr neue, sündteure Profis präsentiert zu bekommen. Den Medienberichten auf der Insel zur Folge soll Chelsea sich bereits mit dem als Wunderkind gepriesenen Kai Havertz, 21, auf einen Fünfjahresvertrag geeinigt haben - ein Abkommen mit Bayer Leverkusen über die Höhe der Ablöse fehlt allerdings noch. Kolportiert wird ein Betrag zwischen 75 und 100 Millionen Euro. Sofern ein Wechsel zustande kommt, würde das die deutsche Spielertradition bei Chelsea fortsetzen.

Mit Robert Huth und Michael Ballack (die jeweils mit Chelsea die Meisterschaft gewannen) sowie Marko Marin, André Schürrle und Antonio Rüdiger haben bereits fünf deutsche Nationalspieler das Trikot des Klubs getragen. In Kürze, wenn am 12. September die neue Saison in der Premier League startet, rückt auch Werner in diesen Kreis auf. Seine 95 Tore und 40 Vorlagen in 159 Pflichtspielen für Leipzig weckten international Begehrlichkeiten, im Februar trumpfte Werner - vor Chelseas Haustüre - im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Tottenham Hotspur auf und erzielte das Siegtor. Bei Chelsea erhält er einen Langzeitvertrag bis 2025, der ihn hinter dem französischen Weltmeister N'Golo Kanté zum bestbezahlten Spieler des Teams macht: mit einem Wochengehalt von circa 200 000 Pfund. Durch den Abschied des Spaniers Pedro könnte Werner dessen Trikot mit der Nummer 11 übernehmen - diese Ziffer trug er schon in Leipzig auf dem Rücken.

Als sechstteuerster Zugang in der Klubhistorie (nur Kepa, Morata, Pulisic, Torres und Jorginho kosteten mehr) ist der 24 Jahre alte Werner das neue Wahrzeichen des Vereins. Die Interpretation dieser Rolle liefert Marko Marin am Telefon, der 2012 mit 21 Jahren den Sprung von Werder Bremen zu Chelsea wagte und heute beim saudi-arabischen Klub al-Ahli SC unter Vertrag steht. "Unsere Wechsel lassen sich nicht miteinander vergleichen. Für mich hat sich die Möglichkeit geboten, mit den besten Spielern der Welt zusammen zu spielen. Bei Timo ist es anders, weil Chelsea sich im Umbruch befindet. Die großen Stars sind nicht mehr da - Timo kommt jetzt selbst als Topspieler in ein Team, in dem viele erst Anfang 20 sind. Dadurch wird er einen hohen Stellenwert haben. Er muss jetzt das Team führen und ist das Gesicht des neuen Chelsea." Eine Last? "Eine gewisse Bürde ist immer da, aber das ist bei jedem Wechsel der Fall. Als Hazard mit 28 Jahren für 115 Millionen Euro im Vorjahr zu Real Madrid wechselte, war das auch eine große Bürde für ihn."

Während sich Chelsea aktuell auf das Pokalfinalduell mit dem FC Arsenal am Samstag und das eine Woche später in München anstehende Achtelfinal-Rückspiel gegen den FC Bayern in der Champions League (Hinspiel: 0:3) einstellt, beginnt für den erst ab der neuen Saison spielberechtigten Werner die Vorbereitung auf die nächste Ligaspielzeit. Als Speerspitze des Angriffs dürfte ihn die volle Härte der Gegner erwarten. Ein Problem sieht Marin darin nicht: "Er ist ein anderer Stürmertyp als früher Didier Drogba oder jetzt Olivier Giroud bei Chelsea, nicht so kraftvoll und groß, dafür wendiger und wesentlich schneller. Da müssen die großen, starken Verteidiger ihn erst einmal einfangen, wenn er im Vollsprint hinter die letzte Linie rennt." Der Auftrag des Sprinters ist klar: Er soll Chelsea auf ein neues Niveau heben.

© SZ vom 29.07.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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