Tiger Woods in Schottland:Fürs Erste ein Abschied

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Kein Goodbye, vorerst bloß ein "Auf Wiedersehen": Tiger Woods in St Andrews. (Foto: Ross Kinnaird/Getty Images)

"Woods +9" steht auf der Anzeigetafel, der berühmteste Golfer scheitert bei der British Open deutlich am Cut. Das Ergebnis erzählt aber nur einen kleinen Teil der Geschichte von Tiger Woods' emotionaler Rückkehr nach St Andrews.

Von Felix Haselsteiner, St Andrews

Matthew Fitzpatrick und Max Homa wussten, was sie auf dem 18. Loch zu tun hatten. Zwei Tage lang hatten beide nun an der Seite von Tiger Woods gespielt. Sie hatten ihm aus nächster Nähe dabei zugesehen, wie er sich von Loch zu Loch gekämpft hatte - manchmal leicht humpelnd, aber immer mit dem gewohnt aufrechten, konzentrierten Gang, der Woods immer schon ausgezeichnet hat. Fitzpatrick und Homa als Experten dürften aber auch zu einem recht frühen Zeitpunkt während der ersten 36 Löcher der British Open erkannt haben, dass Woods nicht die Form hat, um sportlich eine Rolle beim Turnier zu spielen.

Es brauchte aber zugegebenermaßen nicht allzu viel Expertise, um zu dieser Erkenntnis zu kommen - ein einfacher Blick auf das Leaderboard reichte aus. Fitzpatrick und Homa waren nur näher dran als der Rest.

Auf dem Stand am Ende, klassisch in dunkelblau auf gelb: "Woods +9". Ein Ergebnis, das das vorzeitige Turnierende für den 46-Jährigen bedeutete, das man als sportliche Enttäuschung wahrnehmen könnte und das Woods, den Ehrgeizigen, natürlich nicht zufrieden stellte. "Woods +9" erzählt aber nur einen kleinen Teil der Geschichte von Tigers Rückkehr nach St Andrews - es ist möglicherweise auch der unwichtigste.

Die gesamte Anlage hielt inne und gehörte in diesen Sekunden Tiger Woods und seinem Abschied aus St Andrews - möglicherweise für immer

Als Fitzpatrick und Homa am Freitagnachmittag auf dem 18. Loch erkannten, welche Rolle sie nun spielen müssten, ließen sie sich ein wenig zurückfallen und überließen somit die Bühne im golferischen Amphitheater des Old Course allein Woods. Der schritt über Swilkan Bridge, die kleine, legendäre Steinbrücke über das einzige Wasserhindernis des Platzes.

Dann nahm Woods seine Kappe vom Kopf, er hatte Tränen in den Augen und winkte den Zuschauern zu, zu denen sich auch die Spieler gesellt hatten, die am gegenüberliegenden ersten Loch gerade ihre Runde begonnen hatten. Rory McIlroy zog ebenfalls seine Kappe, Spieler, Caddies, Ehrengäste, Ordner, Journalisten und vermutlich sogar die Möwen auf dem Dach des Clubhauses applaudierten. Die gesamte Anlage hielt inne und gehörte in diesen Sekunden Tiger Woods und seinem Abschied aus St Andrews, auf jeden Fall für einige Jahre - und möglicherweise für immer.

"Die Menschen haben keine Idee davon", sagt Woods, " was ich durchmachen und wieviel Arbeit ich in meinen Körper stecken muss, um das zu machen, was ich hier getan habe."

"Es hat sich für mich angefühlt, als wären das für mich vielleicht die letzten British Open in St Andrews", sagte Woods nach seiner Runde. Er erinnerte daran, dass er die Abschiede von Arnold Palmer (1995) und Jack Nicklaus (2005) am selben Ort mitbekommen hatte: "Ich habe mich ein wenig so gefühlt wie sie damals." Palmer und Nicklaus hatten sich genauso wie Tom Watson 2010 als alte Männer verabschiedet, Woods ist im Vergleich dazu erst Mitte 40. Die Umstände jedoch sind ernst, wie er erneut betonte: "Die Menschen haben keine Idee davon, was ich durchmachen und wieviel Arbeit ich in meinen Körper stecken muss, um das zu machen, was ich hier getan habe."

Drei Turniere hat Woods in diesem Jahr gespielt, dreimal war sein Leiden erkennbar, weshalb nicht damit zu rechnen ist, dass es im kommenden Jahr mehr werden. Er habe keine Pläne für 2023 gemacht, sagte Woods, bislang sei alles nur auf diese Open Championship ausgerichtet gewesen. Aber er trete hier auch nicht zurück: "Ich werde weitere Open spielen, aber bis sie wieder hier stattfinden, vermutlich 2030, weiß ich nicht, ob mein Körper mitspielt."

Woods hob insbesondere die Rolle der Zuschauer hervor, die ihn über die 36 Löcher begleitet hatten. An nahezu jedem Loch wurde er auch am Freitag mit Standing Ovations und langem Jubel empfangen, es war eine ergreifende Stimmung, wie sie dieses Turnier in seinen 150 Jahren noch selten miterlebt hat. "Die Menschen wussten, dass ich mit meinem Ergebnis den Cut nicht schaffen würde", sagte Woods: "Aber die Ovationen wurden lauter und lauter, als es Richtung Klubhaus ging." Er habe immer den Respekt der britischen Zuschauer geschätzt, "aber auch diese Wärme und dieses Verständnis", die man ihm entgegenbrachte.

Sein Mitspieler Fitzpatrick berichtete im Nachhinein davon, dass er ebenfalls Gänsehaut gehabt habe: "Ich werde diesen Moment sicher nie vergessen." Der Engländer ist weiterhin aussichtsreich mit sechs Schlägen unter Par im Turnier, Homa verpasste wie sein großes Vorbild Woods den Cut, erlaubte sich aber am letzten Loch noch einen Scherz: "Er hat zu mir gesagt, ich wäre ganz schön nahe neben Tiger gewesen auf der 18 und hätte das Bild gestört - da habe ich kurz Panik bekommen."

Woods ist mittlerweile Ehrenmitglied des ältesten Golfvereins der Welt, was ihm einige Privilegien einbringt

Seinen Mitspielern schüttelte Woods nach dem Ende der Runde noch formell die Hand, er gratulierte Fitzpatrick zum guten Ergebnis und schritt am Klubhaus vorbei. Woods ist mittlerweile Ehrenmitglied des ältesten Golfvereins der Welt, was ihm einige Privilegien einbringt - etwa einen eigenen Spind und Priorität bei der Startzeitenbuchung, während Normalsterbliche an einem Losverfahren teilnehmen müssen, um spielen zu dürfen. "Das ist ganz praktisch", weil sein Sohn bestimmt mal mit ihm hier spielen wollen würde, sagte Woods zum Abschluss mit einem Lächeln auf den Lippen.

Um 15.35 Uhr stieg er in eine wartende Limousine und fuhr in Richtung seines Privatjets. Wann er wieder bei einem Golfturnier auftauchen wird, ist offen.

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