Tennisturnier in Stuttgart:In der Püppchenstube

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Handtaschen, Edelsteine und ein Hund namens Rolexx: In Stuttgart dürfen Tennis-Größen längst aus der Mode gekommene Posen üben, die Krise spielt offenbar anderswo.

René Hofmann

Swetlana Kuznetsowa hat eine sehr schöne Handtasche. Das Teil war teuer, das ist sofort zu sehen. Die Russin zeigt ihr Täschchen gerne. Wie einen Schild behält sie es auf den Knien bei der Fragerunde, auf die sie so überhaupt keine Lust hat. Swetlana Kuznetsowa war einmal die Nummer zwei der Tennis-Weltrangliste, im Moment ist sie auf Position fünf abgesackt. Aber angeblich kümmert sie das wenig. "Ich weiß gar nicht, wo ich stehe, oder wer wie viele Punkte hat", sagt sie und lässt einen verächtlichen Laut hören. Ihr gehe es einfach nur um den Spaß am Spiel.

Mit diesen Schuhen dürfte es Jelena Jankovic auf dem Center Court eher schwer haben. (Foto: Foto: Getty)

Nun gibt es neben Spaß am Spiel bei dem Turnier, zu dem sie in dieser Woche in Stuttgart antritt, aber auch einen Sportwagen zu gewinnen. 2009 durfte Kuznetsowa den mit nach Moskau nehmen. Was sie dort mit dem Flitzer treibt? "Ich fahre damit zum Training und zum Shoppen", sagt die 24-Jährige und hängt noch einen schnippischen Satz an: "Was normale Menschen halt mit einem Auto machen."

Die Frage, wie viele normale Menschen Swetlana Kuznetsowa zu kennen glaubt, bleibt ungestellt. Nach drei Minuten und zwei Sekunden schnappt sie sich ihr Täschchen und stapft davon, gefolgt von einer Begleiterin der Frauen-Tennistour WTA, deren Aufgabe es eigentlich ist, dem Sport ein gutes Image zu verpassen, und die wegen des Auftritts der Szenegröße deshalb etwas in Aufregung sein müsste, die stattdessen aber nur servil lächelt.

Zugegeben, es ist bloß eine Momentaufnahme, aber sie dokumentiert, wie es zugeht im kommerziell mit erfolgreichsten Frauen-Sport: Die Hauptdarstellerinnen bewegen sich in einem golden ausgekleideten Käfig, in dem alles nach ihren Wünschen arrangiert ist. Die Geschichte ist nicht ganz neu, aber im Licht der weltweiten Wirtschaftskrise wirkt das Stück noch absurder als in den Jahren, in denen Peter Graf das Antrittsgeld für seine Tochter Steffi tütenweise davontrug.

Vier bedeutende Frauen-Tennisturniere hat es in Deutschland einst gegeben. Die Veranstaltungen in Leipzig, in Hamburg und in Berlin sind abgewandert, geblieben ist der Tennis-Grand-Prix, der lange in Filderstadt gespielt wurde und nun seit Jahren in Stuttgart in der Halle, die den Namen des Hauptsponsors trägt. Der Porsche-Tennis-Grand-Prix in der Porsche-Arena ist ein Schmuckstück. Das Turnier ist perfekt organisiert, vom feinen, nicht staubenden Sandplatz mit den Dimensionen der French-Open-Plätze bis zum Pressezentrum mit dezent indirekter Beleuchtung und stets butterweichem Rinderbraten. Aber: Gerade weil alles so perfekt ist, ist es das beste Beispiel dafür, woran es der Schau mangelt, wie weit der Sport sich vom Massenpublikum entfernt hat.

Das Turnier ist extrem beliebt bei den Spielerinnen. Vom Hotel zur Halle sind es nur ein paar Meter, die sich bequem über einen abgezäunten Parkplatz zu Fuß zurücklegen lassen. Wer mag, darf trotzdem gerne den Fahrdienst nutzen. Es warten stets ein halbes Dutzend dunkler, schneller, teurer Karossen. Wer mag, darf auch selbst ans Steuer. Sportwagen-Verleih und Shopping-Touren zu nahegelegenen Luxus-Schneidern gehören zum selbstverständlichen Angebot, über das Turnierdirektor Markus Günthardt sagt, es sei vor allem für die Entourage der Spielerinnen wichtig.

Offizielle Zahlen gibt es nicht

In diesem Jahr hätte Günthardt fast ein Problem bekommen. Beinahe wären mehr Top-Ten-Spielerinnen gekommen, als der mit 700.000 Dollar dotierten Veranstaltung nach den WTA-Regularien zustehen. Dann wäre eine Strafe fällig geworden. Günthardt ist gegen die Regel, aber mit seinen Luxussorgen steht er weltweit ziemlich alleine da. Der Kartenverkauf ist seit Jahren stabil gut, einige namhafte Partner stehen ebenfalls auf den Werbebanden.

Wirklich kostendeckend aber lässt sich so ein Sportfest wohl kaum ausrichten. Offizielle Zahlen gibt es nicht. Aber eine Gewissheit: Das Turnier gehört Porsche. So lange die Firma es sich leisten will, wird es weiterexistieren. Michael Macht, der neue Vorstandsvorsitzende des Autobauers, wird im Programmheft mit dem Satz zitiert: "Ein Edelstein will gepflegt und poliert sein." Kein Wunder, dass dabei eine Kulisse entsteht, die bis in den letzten Winkel geleckt wirkt, und in der sich die Protagonistinnen mit einer blasierten Selbstverständlichkeit bewegen. Der Tennis-Grand-Prix ist eine Püppchenstube.

Die Dänin Caroline Wozniacki ist als Nummer zwei der Weltrangliste in diesem Jahr die top-gesetzte Spielerin. Die 19-Jährige trägt einen polierten Edelstein am Finger, als sie zu ihrem Interviewauftritt zu Turnierbeginn erscheint. Solche Runden sind für Sportler eigentlich eine Chance: Sie können sich einem Publikum präsentieren, das sie noch nicht kennt. Aber wer Wozniacki bei dieser Gelegenheit begegnet, der will sie gar nicht näher kennenlernen. Wie es ihrem zuletzt verletzten Sprunggelenk geht? "Oh, viel besser." Ob sie das noch behindern könnte? "Es sind viele guten Spielerinnen hier. Das wird nicht leicht."

Nur einmal beginnen Wozniackis Augen zu leuchten: Als sie davon erzählt, was sie am Vormittag getrieben hat. Da durfte die Cabrio-Fahrerin und Luxus-Uhren-Repräsentantin mit ihrer Freundin Victoria Azarenka, die ein Hündchen namens Rolexx ihr eigen nennt, in einem Rennwagen ein paar Kreise drehen. Die 20-jährige Weißrussin verkündete im Internet anschließend: "Das war mit die beste Erfahrung meines Lebens!" Es klang, als würde sie das tatsächlich ernst meinen.

© SZ vom 28.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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