Tennis:Zverevs Wut verpufft

Lesezeit: 3 min

Alexander Zverev zerstört seinen Schläger auf dem Platz von Miami. (Foto: AFP)
  • Alexander Zverev macht beim Masters-Finale in Miami gegen John Isner viele Fehler und verliert 7:6, 4:6, 4:6.
  • Der deutsche Tennisprofi verpasst es, weiter in eine Lücke vorzustoßen, die die Big-Four-Spieler um Roger Federer vermehrt preisgeben.
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Von Max Ferstl

Alexander Zverev brauchte nur einen Versuch, einen entschlossenen Wurf. Dann war sein Tennisschläger Schrott. Zverev rammte den deformierten Rahmen noch ein zweites Mal auf den Centercourt von Miami, die Zuschauer pfiffen. Sie sehen es nicht gerne, wenn jemand respektlos mit seinem Spielgerät umgeht. Manche Spieler behandeln ihren Schläger daher wie ein wertvolles Musikinstrument. Andere nutzen ihn hingegen, um ihre Wut auszudrücken. Zu dieser Gruppe gehört Zverev.

An guten Tagen schöpft er aus diesen zerstörerischen Momenten neue Kraft. Dann zerrt er eine verloren scheinende Partie auf seine Seite. Doch der Sonntag in Miami war kein solcher Tag, das Finale gegen den Amerikaner John Isner keine dieser Partien. Kurz nachdem Zverev den Aufschlag im dritten Satz verloren und seiner Wut Ausdruck verliehen hatte, beendete Isner das Match mit einem Ass zum 6:7, 6:4, 6:4. "Ich habe heute mehr Fehler gemacht als im gesamten Turnier", klagte Zverev. Im Umkehrschluss bedeutet das aber auch: Zverev muss im gesamten Turnier sehr wenige Fehler gemacht haben. Sonst wäre er seinem dritten Titel bei einem Masters-Turnier nicht so nahe gekommen.

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In den vergangenen zwei Wochen hat Zverev seine bislang eher triste Saison 2018 in ein freundliches Licht gerückt. Er verbesserte sich in der Weltrangliste auf Platz vier. Im Race to London, das die Punkte der laufenden Saison zählt, sprang er auf Position sieben. Vor allem ist es ihm gelungen, bei einem wichtigen Turnier mehrere Siege aneinanderzureihen. Nicht dass Zverev vorher auffallend schlecht gespielt hätte. Bei den Australian Open erreichte der 20-Jährige die dritte Runde. In Acapulco verlor er erst im Halbfinale gegen Juan Martin del Potro, den viele gerade für den weltbesten Spieler halten. Zverev hat bis Miami doppelt so viele Matches (acht) gewonnen wie verloren (vier). Das ist eine passable Bilanz. Einerseits.

Andererseits ist Zverev mehr als ein passabler Spieler. Er ist im vergangenen Jahr in die Top Ten eingedrungen und hat in Rom und Montreal zwei Masters-Turniere gewonnen, der zweitwichtigsten Kategorie nach den Grand Slams. Viele halten ihn für eine künftige Nummer eins. Deshalb wird genau hingeschaut, wenn Zverev bei Turnieren gegen relativ unbekannte Gegner früh ausscheidet. Wenn der als Trainer verfügbare Ivan Lendl in seiner Nähe gesichtet wird. Oder wenn sich Zverev wie Anfang des Jahres geräuschvoll von seinem damaligen Trainer Juan Carlos Ferrero trennt. Unter anderem, weil Ferrero aus dem emotionalen Zverev einen "ruhigen, balancierten Kerl machen" wollte. So sagte es zumindest der Spieler in der FAZ.

Zverevs Spiel fehlt Druck und Sicherheit

Zverev selbst schien das alles wenig zu stören. "Der Beginn jeder Saison ist sehr hart für mich", sagte er in Miami. Er habe in der Winterpause hart gearbeitet und vier Kilo zugelegt. "Ich muss mich erst an meinen neuen Körper gewöhnen." Der neue Zverev ähnelte zuletzt wieder dem alten. Wie so oft tat er sich in den ersten Runden schwer, wie so oft steigerte er sich mit fortschreitendem Turnierverlauf. In Miami war vielleicht das zähe Drittrundenmatch gegen David Ferrer entscheidend. "Da habe ich meinen Rhythmus gefunden", sagte Zverev bei Sky. Danach zog er sein dominantes Spiel auf, druckvoll und gleichzeitig sicher. Bis zum Finale gab Zverev keinen Satz mehr ab. "Ich fühle mich wieder wohl auf dem Platz."

Doch gegen Isner schien ihm das gute Gefühl entglitten zu sein. Zverev spielte nicht druckvoll und sicher, sondern abwartend und fehlerhaft. Selbst der Gewinn des ersten Satzes half nicht. Am Ende produzierte er 24 unerzwungene Fehler und nur 22 Gewinnschläge. "Ich habe schlecht von der Grundlinie gespielt", gab Zverev zu. Gegen manche Gegner lässt sich das kompensieren. Gegen Isner, einen der besten Aufschläger der Welt, nicht.

Nach dem Matchball hüpfte der Amerikaner wie ein Flummi über den Centercourt im Crandon Park. "Das ist der beste Moment meiner Karriere", staunte Isner. Ein Moment, mit dem nicht unbedingt zu rechnen gewesen war. Vor Miami hatte Isner in dieser Saison nur ein einziges Match gewonnen. Nun ist er plötzlich mit 32 Jahren der älteste Spieler, der zum ersten Mal bei einem Masters-Turnier siegte. Seine Geschichte ist wohl die unwahrscheinlichste der bisherigen Saison, und eine exemplarische.

Drei Mal hatte Isner vor Miami ein Finale bei einem Masters erreicht. Drei Mal war er gescheitert - an Roger Federer, an Rafael Nadal, an Andy Murray. Sein Weg zu großen Titeln schien auf ewig blockiert von den sogenannten Big Four, zu denen auch Novak Djokovic gehört. Lange Jahre haben diese Vier ein striktes Regiment geführt, die großen Titel untereinander aufgeteilt. Doch die Machtverhältnisse scheinen sich zu verschieben, in dieser Saison stärker noch als in der Vergangenheit.

Murray ist verletzt, Djokovic sucht seine Form. Nadal hat nur ein Turnier gespielt, ist aber wieder die Nummer eins. Federer, in Miami erschöpft ausgeschieden, hat sich für die komplette Sandplatzsaison abgemeldet. In das entstandene Vakuum stoßen andere vor. Zum einen Etablierte wie Isner, die im fortgeschrittenen Alter ihre Karriere veredeln. Zum anderen die junge Generation um Zverev, die immer häufiger bei den großen Turnieren in den späten Runden auftaucht. "Es gibt definitiv mehr Chancen, wenn die großen Jungs fehlen", sagte der 21-jährige Borna Coric bei ESPN. Er hat in Miami das Viertelfinale erreicht und hatte zuvor im Halbfinale von Indian Wells beinahe Roger Federer bezwungen.

Das Männertennis im Jahr 2018 ist so unberechenbar wie lange nicht mehr. Viele können einen Lauf hinlegen, keiner kann dominieren. Es herrscht ein bisschen Anarchie.

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