Tennis:Zurück aus der Finsternis

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Sommer 2013, Wimbledon-Finale: Viele hatten mit Sabine Lisicki (rechts) als Siegerin gerechnet, doch Marion Bartoli (links) gewann haushoch. (Foto: Glyn Kirk/AFP)
  • 2013 gewann Marion Bartoli Wimbledon und trat zurück, nun möchte die Französin wieder Tennis spielen.
  • In der Zwischenzeit hat sie eine mysteriöse Krankheit sichtbar geplagt.
  • Ihre Rückkehr könnte der ganzen Tour gut tun.

Von Philipp Schneider, Paris/München

Gut sieht sie aus. Fast zu gut für jemanden, der auf einem Tennisplatz steht. Sie trägt einen eleganten weißen Strickpullover, dazu ein bisschen Schminke, jemand aus der Maske hat sie präpariert für den Auftritt vor der Kamera. Es sieht so aus, als hätte sich da jemand chic gemacht, Abendgarderobe, weil gleich das Licht gedimmt wird, der Vorhang aufgezogen, und dann geht sie los, eine Aufführung auf der Bühne. Nur geht Marion Bartoli nichts ins Theater. Sie steht in einer Tennishalle. Man weiß das, weil im Hintergrund tatsächlich Bälle über das Netz gespielt werden, im Vordergrund indes wirft Bartoli einen Kuss in die Kamera, sie lächelt, sagt irgendwann: "Ich kann es kaum erwarten, euch wiederzusehen und große Gefühle mit euch zu teilen."

Bartoli erzählt das auf Englisch und Französisch, es fehlt eigentlich nur noch Spanisch. Gleich zwei Videos hat sie hochgeladen auf Instagram. Marion Bartoli will die ganze Welt erreichen und womöglich auch überrumpeln mit der Ankündigung ihres Comebacks. Und sie hat ja vollkommen Recht. Was ist allein diese Ankündigung für eine unerhörte Aufführung?

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Vier Jahre war Bartoli, nunmehr 33, verschwunden von der Bühne. Vier Jahren ist es her, dass die Französin aus Le Puy-en-Velay im Département Haute-Loire die Welt zuletzt überrumpelte. Es passiert nicht oft, dass eine Sportlerin in jenem Moment abtritt, von dem man dachte, er sei eher Startpunkt als Ende einer ungewöhnlichen Karriere. Der Formel-1-Weltmeister Nico Rosberg hat es so gehandhabt, ist von der Bühne geplumpst. Bei Bartoli, das wusste nur niemand mit Gewissheit, wogen die Gründe aber sehr viel schwerer.

Lisicki weinte nach zwei Sätzen

Bartoli hatte 2013 gerade erst Wimbledon gewonnen, das wichtigste Tennisturnier der Welt. Es war der erste Grand-Slam-Erfolg ihrer Karriere, nun sollte es der letzte gewesen sein? Und war sie nicht erst 28?

Im Finale hatte die kräftige Französin der bemitleidenswerten Sabine Lisicki beigebracht, dass es zwar komisch aussehen mochte, durchaus aber praktikabel sein konnte, die Bälle nicht nur auf der Rückhandseite, sondern auch mit der Vorhand beidhändig über das Netz zu prügeln. Ende des zweiten Satzes fing Lisicki an zu weinen. Die Berlinerin spürte den Schmerz der vergebenen Chance, auch den der Erniedrigung. Doch der größere Schmerz übermannte Bartoli, sechs Wochen später. Nach einer Zweitrunden-Niederlage in Cincinnati schimmerten ihre Augen vor Feuchtigkeit, dann trat sie zurück.

Sie habe chronische Schmerzen, sagte Bartoli damals. "Ich fühle mich so, als hätte ich sämtliche Energie verloren, die in meinem Körper war. Wenn ich 45 Minuten Tennis spiele, ist der Schmerz überall." Schluss, Ende, fin de carrière. Sie werde sich nun neuen Aufgaben zuwenden. Und nein, es gebe garantiert kein Hintertürchen wie bei anderen Grand-Slam-Siegerinnen, die irgendwann dann doch zurückkehren. Bei ihr sei es anders als bei Kim Clijsters, Justine Henin und Lindsay Davenport. "Ich komme nicht zurück, es ist vorbei", sagte sie 2013.

Jetzt ist sie wieder da, die Energie zurück in ihrem Körper. Das legt ihr Comeback-Filmchen nahe, in dem sie in Aussicht stellt, Mitte März beim Turnier in Miami wieder mitzumischen. Und dass sie darin gut aussieht, das muss ausnahmsweise das Thema sein. Weil es ja auch noch andere Bilder von ihr gibt. Bilder, aufgenommen im vergangenen Jahr, auf denen sie so dünn ist, dass man meint, durch sie durchschauen zu können. Fotos, auf denen keine kräftige Frau mehr zu sehen ist, die das Leben so nimmt wie ihre Vor- und Rückhand, mit Gewalt nämlich. Zu sehen ist Marion Bartoli mit knochigem Gesicht, schimmernden Venen und poröser Haut. Es sind Bilder einer Patientin.

Nach ihrem Karriereende war Bartoli rasant dünner geworden, zunächst hatte sie das mit einer Ernährungsumstellung und einem straffen Fitnessprogramm begründet und Bilder in den Sozialen Netzwerken gezeigt, auf die sie wohl stolz war, die ihre Fans aber erschreckten. "Ich kümmere mich sehr um meinen Körper, ich verwöhne ihn. Ich mache viel Yoga, viel Pilates, viel Stretching und viele Massagen." Ganz genau. Und dann wurde es richtig düster.

Es bleibt ja weiter mysteriös, von wem oder was Madame Bartoli befallen war im vergangenen Lebensjahr. Bartoli selbst sagte, es sei ein Virus gewesen. Nur konnte zunächst kein Arzt in seinem Pschyrembel einen Virus finden, das die von Bartoli beschriebenen Symptome hervorruft. Sie habe sich das Virus irgendwo eingefangen bei ihren Trips um den Globus, beharrte Bartoli. Ihr Körper reagiere merkwürdig, stoße vieles ab, nehme keine Proteine mehr auf. Sie könne keine elektronischen Geräte anfassen. "Ich konnte keine Email mehr schreiben, weil ich den Strom in den Fingern spürte", sagte sie der britischen Times. Sie suchte eine Klinik in Italien auf, dort fanden Ärzte die Lösung. Angeblich war es eine schlimme Variante des H1N1- Virus, auch bekannt als Schweinegrippe, die Bartoli so leiden ließ. Im November 2016 lief sie den New York Marathon. Dann tastete sie sich an das Tennis heran.

Sie wird eine Attraktion sein. Das braucht die Tour dringend

Bartolis Rückkehr könnte guttun, das weiß auch Tommy Haas, der Turnierdirektor von Indian Wells. Wenige Stunden nach ihrer Ankündigung bot er ihr auf Twitter quasi eine Wildcard an. Er glaube, schrieb Haas, Bartoli könne schon bei seiner zwei Wochen vor Miami stattfindenden Veranstaltung mitspielen. Haas kann Bartoli gut brauchen: Maria Scharapowa war nach ihrer Dopingsperre oft verletzt, Serena Williams kehrt nach ihrer Babypause erst wieder zurück - und bei Wiktoria Asarenka weiß niemand, wie oft die Weißrussin während eines laufenden Sorgerechtsstreits Kalifornien verlassen will, was ihr einjähriger Sohn nicht darf.

Eine Attraktion kehrt bald zurück auf die Tour. Weil das Leben zurückgekehrt ist in Marion Bartoli.

© SZ vom 21.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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