Tennis:Wildcard im Wohnzimmer

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Bereit für den Return bei den BMW Open: Der Augsburger Philipp Kohlschreiber. (Foto: Juergen Hasenkopf/Imago)

Philipp Kohlschreiber ist im Frühwinter seiner Karriere neben Alexander Zverev der bekannteste deutsche Spieler bei den Münchner BMW Open. In seinem Heimturnier hat der inzwischen 38-Jährige vom 23. April an harte Konkurrenz. Danach möchte er wieder in die Top 100 der Welt - oder aufhören.

Von Sebastian Winter

Philipp Kohlschreiber hatte zunächst, wenn man so will, ein paar Probleme, ins Hauptfeld zu kommen. Der Tennisprofi sollte sich aus Marbella, wo er in dieser Woche bei einem Challenger-Turnier spielt, zur virtuellen Pressekonferenz drei Wochen vor den BMW Open zuschalten. Die Veranstalter haben ihm ja netterweise eine Wildcard für das große Münchner Turnier, das vom 23. April auf dem Gelände des MTTC Iphitos ausgetragen wird, spendiert. Obwohl er bereits 38 Jahre alt ist - also im Frühwinter seiner Karriere. Doch dann funktionierte das W-Lan zunächst nicht in seinem Hotel, "der Link, stand immer dran, ist nicht gültig", sagte Kohlschreiber. Aber dann klappte es doch noch - und Kohlschreiber präsentierte sich als einer, der viel vorhat in dieser Saison, die vielleicht seine letzte ist.

Kohlschreiber ist ja ein Wenigspieler geworden, er dosiert seine Einsätze, den ganzen Zirkus möchte er sich nicht mehr antun. Die Australian Open im Januar, Rotterdam im Februar, Indian Wells im März: Ein bis zwei Turniere pro Monat müssen inzwischen genügen. Das Reisen, das Alleinsein, das Leben aus dem Koffer macht auch ihm langsam zu schaffen. Kohlschreiber sagt andererseits: "Ich fühle mich körperlich sehr, sehr fit. Und es ist wichtig, dass ich hier in Marbella schon das dritte Turnier spiele. Wenn man nicht jede Woche spielt, verliert man doch so ein bisschen den Instinkt oder das Vertrauen, welchen Ball man in welchem Moment zu spielen hat."

Kohlschreiber, der ehemalige Weltranglisten-16., ist zurzeit nur noch auf Platz 129 notiert, das Dosieren des Turnierkalenders ist für ihn daher auch riskant geworden. Vor ein paar Wochen sei er beim Turnier in Marrakesch nicht mal in der Nähe des Cuts gewesen. Auch deshalb freut er sich so auf München, sein Wohnzimmer, wo er 2007, 2012 und 2016 drei seiner insgesamt acht Einzeltitel auf der ATP World Tour gewann. "Seine Karriere geht langsam zu Ende, aber motiviert ist er, da kenne ich ihn", sagt Turnierdirektor Patrik Kühnen. Die Wildcard sei auch ein "Commitment" gewesen, "es war wichtig für Philipp, sie frühzeitig bekommen zu haben, Das tut jedem Spieler gut, der nicht so viel gespielt hat zuletzt."

Für Kohlschreiber wäre es eine kleine Sensation, wenn er weit kommen würde, denn er begibt sich in ein erlesenes Feld, das angeführt wird vom Weltranglisten-Vierten Alexander Zverev, der 2017 und 2018 in München gewann - bei seinem letzten Sieg bezwang er Kohlschreiber im Finale. Casper Ruud ist der zweite Top-Ten-Spieler in München, der Norweger hat Zverev gerade in Miami im Viertelfinale aus dem Turnier geworfen. Im Vorjahresfinalisten Jan-Lennard Struff und Daniel Altmaier sind weitere starke Deutsche am Start, im Doppel treten die zweimaligen French-Open-Sieger Kevin Krawietz und Andreas Mies an. "Dieses Jahr haben wir ein enorm spannendes Feld", sagt Kühnen über das mit knapp 500 000 Euro dotierte Turnier. Bei dem übrigens erstmals auch ein Einladungsturnier im Rollstuhltennis zu sehen sein wird - samt des britischen Weltranglisten-Ersten Alfie Hewett.

Und wenn sein Plan aufgeht? "Dann spiele ich, bis ich noch grauer bin als jetzt."

Auch auf Reilly Opelka dürften sich viele Blicke richten, der US-amerikanische Weltranglisten-18. ist immerhin 2,11 Meter groß. Opelka dürfte auch die Münchner Halbhöhenlage entgegenkommen, "die Bälle fliegen hier extrem schnell", sagt auch Kohlschreiber, jedenfalls im Vergleich zu Turnieren auf Meereshöhe: "Man schafft viel weniger Breaks. Der aggressivere Spieler in München hat mehr Chancen, zu gewinnen."

In Marbella, auf Meereshöhe, hatte Kohlschreiber am Ende nicht viel Glück. Nicht mit dem Wetter, mal regnete es, mal stürmte es, die Sonne schien selten. Und auch am Freitag nicht mit seinem Spiel. Im Viertelfinale war Schluss nach der 6:7, 2:6-Niederlage gegen den Argentinier Pedro Cachin.

Und wenn er in München früh die Segel streichen muss? Was dann? Immer wieder wird Kohlschreiber ja nach dem Unvermeidlichen gefragt. Doch er klingt kämpferisch: Nochmal ein Challenger, dann die French Open, Turniere auf deutschem Rasen, danach Wimbledon. "Wenn ich mit 12, 13, 14 Turnieren im Jahr nochmal unter die ersten Hundert komme, wäre ich ja blöd zu sagen, ich höre auf. Tennis ist immer noch meine große Liebe", sagt Kohlschreiber. Klingt nicht nach Rücktritt, eher nach einem Plan. Und wenn er aufgeht? "Dann spiele ich, bis ich noch grauer bin als jetzt."

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