Tennis-Bundesliga:Bravo, vamos, hopp!

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In Wimbledon spielte Rosenheims Alexandre Muller in der zweiten Runde gegen den späteren Sieger Carlos Alcaraz und schlug sich beim 4:6, 6:7, 3:6 achtbar. (Foto: Shaun Brooks/Action Plus/Imago)

Nach dem Derbysieg gegen Großhesselohe und dem Remis gegen Grün-Weiss Mannheim hat der TC 1860 Rosenheim den Klassenverbleib so gut wie sicher. Doch ursprünglich hatten sich die Verantwortlichen mehr erhofft.

Von Thomas Becker

Wie man unter den gut 500 Zuschauern den Vereinspräsidenten erkennt? Kein Problem: Das ist der, der nach jedem Punktgewinn in unüberhörbarer Lautstärke "Bravo! Bravo!" ruft. Nach zuvor vier sieglosen Spielen hatte Wolf-Dieter Dörfler, den hier alle Didi nennen, am vergangenen Wochenende endlich wieder reichlich Gelegenheit, seinen Schlachtruf über den nach einem gewissen Didi Dörfler benannten Center Court zu schicken. Gegen den TC Großhesselohe, den Bundesliga-Zweiten des vergangenen Jahres, hieß es am Freitagabend dann 4:2 für das Team Marc O'Polo Rosenheim, das hier alle "die Sechzger" nennen, weil es zum TC 1860 Rosenheim gehört. Und nachdem am Sonntag auch noch dem achtfachen deutschen Meister Grün-Weiss Mannheim ein 3:3 abgerungen werden konnte, sieht es für Dörfler & Co. in Sachen Klassenverbleib zwei Spieltage vor Schluss wieder richtig gut aus.

Im dritten Jahr hält sich der 500 Mitglieder starke Klub aus Bayerns Süden nun schon in der Eliteklasse, worauf man mächtig stolz ist. Im vergangenen Jahr wurde mit Müh und Not die Klasse gehalten, in dieser Saison wollte man schon ein bisschen weiter nach oben schielen. Doch nach zwei knappen Niederlagen und zwei Unentschieden war die Saison bis dahin "doch etwas unglücklich" gelaufen, sagt Dörfler während des Bayern-Derbys gegen Großhesselohe: "Mit einem Punkt mehr wäre ich zufrieden."

Da war der Sieg gegen die Münchner noch nicht absehbar. Allein die beiden ersten Einzel-Matches kosten die abstiegsbedrohten Rosenheimer jede Menge Nerven. Am Ende schallt Dörflers "Bravo! Bravo!" beim spektakulären 6:7 (12:14), 6:1 und 11:9-Sieg des Franzosen Alexandre Muller gegen Dennis Novak über Platz neun, während gleichzeitig 20 Meter weiter auf Platz 5 der brasilianische Zugang Thiago Monteiro den Ungarn Zsombor Piros mit Mühe und 6:4, 7:6 niederhält, angefeuert von Rosenheims Bundesliga-Vorstand Thomas Detterbeck. Bei dem klingt das dann so: "Vamos, hopp! Gemma, Thiago!"

Es ist eine recht spezielle, eine durchweg angenehme Atmosphäre auf der Anlage im Nordosten der Stadt. Findet auch Christopher Kas, der Teamchef der Gäste. Er muss an diesem Freitag viele Hände schütteln und sich die Schultern platt klopfen lassen, hat er doch in den 90er-Jahren selbst hier gespielt. Heute wohnt er im nahen Kolbermoor und trainiert zuweilen selbst auf der Anlage. "Für einen Freitag in den Sommerferien ist echt viel los", sagt er mit Blick auf die gut besetzten Ränge, "ein echt cooler Spieltag!" Obwohl auf den Plätzen aus nächster Nähe internationales Topniveau zu bewundern ist, herrscht direkt daneben eine familiäre Atmosphäre. Da den Rosenheimern ein paar Ballkinder fehlten, sprang Kas' zwölfjähriger Sohn ein - im Großhesselohe-Shirt. Und als Dörfler mit Kas, der auch als Experte beim Sender Servus TV aktiv ist, und dessen Vater, der Radio-Legende Karl-Heinz Kas, zusammensteht, flachst der Hausherr: "Also was das Moderieren angeht, läufst du dem Papa ja so langsam den Rang ab."

Um den Italiener Marco Cecchinato, die neue Nummer eins, rankt sich ein kleines Mysterium

Am Morgen hatte Dörfler vor Spielbeginn noch selbst mit angepackt, die Regenschutzplanen vom Platz gezogen, mit seiner Frau und vielen weiteren Helfern alles hergerichtet für das Unternehmen Tennis-Bundesliga: "Bei uns gibt es keine Hauptamtlichen wie in den großen Vereinen, das sind alles Ehrenamtler." Seit 15 Jahren ist er Klubpräsident, er hat früher selbst für Unterhaching in der zweiten Liga gespielt und dann den Weg der Sechzger von der Bezirksklasse 1 bis hinauf in die Bundesliga mit geprägt. In dieser Saison hat Rosenheim den wohl stärksten Kader der Vereinsgeschichte, mit einer Handvoll Top-100-Spielern. "Die Saison ist schon gut gelaufen, aber mit diesem Kader haben wir uns eigentlich ein bisschen mehr erhofft", gibt Bundesliga-Vorstand Detterbeck zu.

Angeführt wird die Mannschaft vom Italiener Marco Cecchinato, der neuen Nummer eins. Um den rankte sich am Freitag ein kleines Mysterium: Als am Abend vor der Partie die Aufstellungen bekannt gegeben wurden, fehlte sein Name, dennoch stand er tags darauf auf dem Platz - ein zwar legaler, aber eher unüblicher Schritt, womöglich der Versuch des Teammanagers Lukas Jastraunig, beim Gegner etwas Verwirrung zu stiften. Der tiefenentspannte Christopher Kas grinst, als Dörfler sagt: "Davon wusste ich auch nichts. Das war wohl Lukis Idee. Meinst, das bringt was? Für uns geht's halt um mehr als für euch."

Wohl wahr, Großhesselohe bleibt nach dem 5:1-Auswärtssieg am Sonntag beim bis dahin noch ungeschlagenen Überraschungsteam aus Versmold im Tabellenmittelfeld, einen Punkt vor den Rosenheimern. Absteigen wird neben dem traditionsreichen Rochusclub Düsseldorf, der kurz vor Saisonbeginn seine Mannschaft zurückgezogen hatte, wohl das Team aus Neuss, das bislang erst einen Punkt auf dem Konto hat und am Freitag noch in Großhesselohe und am Sonntag beim Titelfavoriten Bredeney antreten muss. Heißt für Rosenheim: Eine weitere Saison mit Bravo, Vamos und Hopp ist so gut wie gesichert.

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